Sprachgrenze

Sprachgrenze

Wir waren in Haltern am See. Also nur in Haltern, nicht am See, aber die Stadt heißt eben Haltern am See. Der See ist in Wahrheit ein Stausee, aber Haltern am Stausee klänge natürlich bei weitem nicht so gut. Ein See und ein Römerlager, Aliso hieß es. Varus, lagerte dort. Der Feldherr, dessen Legion im Jahre 9 im Raum Kalkriese – oder doch im Teutoburger Wald? – von Arminus, der überhaupt nicht Hermann hieß, geschlagen wurde, also nicht von Arminus allein, sondern von einem germanischen Heer.

Noch einmal kurz zum Mitdenken: Arminus, der die Schlacht schlug, wurde für die deutsche Geschichte zu Hermann, weil es besser klingt, wenn der Held einen kernigen deutschen Namen hat, nehme ich an. Dieser falsche Hermann steht bei Detmold auf einem Sockel und droht mit erhobenem Schwert den Feinden des Reiches. Praktisch wäre gewesen, hätte man den Herrmann auf einen drehbaren Sockel gestellt, damit er immer den aktuellen Feinden drohen kann. Jedenfalls steht er am falschen Ort, dort hat die Schlacht eher nicht stattgefunden. Ob sie in Kalkriese stattfand, ist auch nicht so sicher, immerhin haben die dort ein Museum. In Haltern hat zumindest der Gegner des Arminius, der Feldherr Varus, gelagert, das scheint völlig unstrittig. Verzeihung: in Haltern am See.  

Mit Haltern am See gibt es ein anderes Problem, weil irgendwie nicht ganz klar ist, wohin es gehört. Ist es nun Ruhrgebiet oder Münsterland? Wikipedia sagt. „Die Stadt liegt am Nordrand des Ruhrgebiets und gleichzeitig am Südrand des Münsterlandes.“ Gleichzeitig? Kippt sie noch in die eine oder andere Richtung oder wird das am Schreibtisch entschieden, so wie bei Schiermonnikoog, der östlichsten der Westfriesischen Inseln? Schiermonnikoog ist durch Sandanspülungen in die Provinz Groningen gewachsen und  gehört nur dank eines Vertrages ganz zur Provinz Friesland. Damit auch das mal klar ist.

Ruhrgebiet und Münsterland? Das geht doch nicht zusammen. Gut, unter dem gemeinsamen Oberbegriff Westfalen schon, aber sonst? Wenn man im Ruhrgebiet unterwegs ist, dann trifft man auf Menschen, die freundlich und gesprächig sind, die etwas fragen oder etwas erzählen wollen, einem durch nichts gerechtfertigten Gruß auch noch ein paar freundliche Worte anhängen, sowas wie „Tschüss und noch ein schönes Wochenende“. Das wünscht man doch nicht Wildfremden? Jedenfalls nicht in einer städtisch geprägten Region? Okay, auf dem Lande, da, wo der Gruß und der prüfende Blick ein Teil der sozialen Kontrolle und Kriminalitätsprävention sind, da grüßt man schon jeden. Aber nicht freundlich.

In „Das Büro“, dem Romanzyklus des niederländischen Schriftstellers  J. J. Voskuil, ist einer der Protagonisten in das Bijlmermeer gezogen. Das Bijlmermeer ist eine 1965 entstandene Vorstadt Amsterdams, die für 100.000 Einwohner gebaut wurde und rasch zu einem sozialen Brennpunkt wurde. Zu viele Menschen in zu hohen Häusern auf zu wenig Raum. Jedenfalls grüßt die Romanfigur dort einen Nachbarn, der daraufhin mit „Krijgen we dit nou iedere dag?“ reagiert, also ungefähr mit „Machen Sie das jetzt immer?“ Das beschreibt sehr schön den Unterschied zwischen dem Ruhrgebiet und dem Münsterland. Der Münsterländer an sich kann auch sprechen, er muss es aber nicht.

Das Foto stammt von Dietmar Rabich, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29504769

Grenzerfahrung

Eigenes Foto

Im Literaturmuseum Haus Nottbeck läuft eine Ausstellung unter dem Titel „Go east“. Zu dieser Ausstellung ruft das Museum dazu auf, Reisetexte zur Verfügung zu stellen. Die Bedingungen stehen auf der Seite des Museums. Mein kleiner Text ist schon dabei.

Grenzerfahrung

Als ich zum ersten Mal im Ausland war, war ich überhaupt nicht im Ausland. Nur im Sauerland, mit der Zündapp meines Vaters und eine Zündapp ist keine App für das  Smartphone, sondern ein Moped. Ich war total begeistert, im Ausland zu sein, machte mir aber zugleich Sorgen, weil wir kein sauerländisches Geld dabei hatten. Mein Vater, der vor mir saß, natürlich ohne Helm, lachte und erklärte mir, dass wir nur ein paar Kilometer von zuhause entfernt waren. Zuhause, das war Hagen, vielleicht sogar noch Hohenlimburg, das war Rauch und ein metallischer Geruch in der Luft, blinde Fenster in hohen, staubigen Gebäuden und Gleise, die über die Straße liefen.

Es dauerte noch zehn Jahre oder mehr, bis  ich die holländische Grenze erstmals überschritt, aber das zählte nicht, weil mein Onkel Weiterlesen

Berlinbesuch

Foto: Elfie Voita

Es gibt, habe ich gehört, Städte, die man liebt, weil sie so schön sind. Amsterdam zum Beispiel. Es gibt auch die Stadt, die man um seiner selbst willen liebt, weil sie Heimat ist und so vertraut wie die eigene Haut, die man, auch wenn sie mal Pickel oder Wunden hat, doch nicht verlässt. Das wäre ja mal eine ganz neue Definition von Reisen: aus der Haut fahren!

Dann sind da noch die Städte, die man gar nicht richtig sehen, nicht richtig spüren kann, weil sie so aufgeladen sind mit Geschichte, mit Erinnerungen, mit Bildern, die sich über die reale Stadt legen und sie fast unsichtbar machen. Städte, in denen man nicht zuhause ist und nicht zuhause sein kann, weil es sie überhaupt nicht gibt, weil es sie so, wie man sie im Kopf hat, nicht gibt und vielleicht auch nie gegeben hat.

Berlin ist so eine Stadt. Amsterdam nicht. Nicht, weil Amsterdam nur eine schöne Oberfläche, ein touristisches Gesicht besäße und keine Tiefe, oh doch, und ein bisschen davon weiß ich und kenne ich, aber es ist so schön, dass das allein schon reicht, dass ich immer wieder nur hinsehen muss, stehenbleiben muss und gucken und mich umdrehen und schau mal da und sieh mal dort sagen und fotografieren muss.

Berlin, da muss ich eigentlich überhaupt nicht hin. Das kenne ich schon, kannte ich, bevor ich da war und, obwohl ich nichts finde und überhaupt nicht weiß, was eigentlich wo ist, denke ich, so wird es sein und dann ist es auch so. Dagegen kann die Stadt überhaupt nicht an. Klar, sie kann mich begeistern, aber das Weiterlesen

Klaus Mann, Hendrik Höfgen und Gustav Gründgens

By United States 5th Army (Handschriftenabteilung der Stadtbibliothek München) [Public domain], via Wikimedia Commons

By United States 5th Army (Handschriftenabteilung der Stadtbibliothek München) [Public domain], via Wikimedia Commons

„Alle Personen dieses Buches stellen Typen dar, nicht Porträts.“ K.M.

Wohl selten hat ein Autor so nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die handelnden Personen seines Romans nicht mit konkreten Menschen gleichgesetzt werden dürfen. Von Klaus Mann stammt nicht nur das oben wiedergegebene Zitat, sondern auch noch eine Richtigstellung an die Presse, die den Roman vorab druckte. Natürlich nicht in Deutschland, denn jeder, aber auch wirklich jeder, erkannte die Personen dieses Buches, das 1936 im Amsterdamer Querido Verlag erschien. Und derartige Unbotmäßigkeiten waren 1936 in Deutschland völlig undenkbar. Der Führer, der Propagandaminister und der Ministerpräsident, immer wieder auch als der General oder der Dicke tituliert: Wir verstehen sogleich, dass es um Hitler, Goebbles und Göring geht.

Aber es sind nicht Hitler, Göring und Goebbels, von denen Mephisto handelt. Es ist Hendrik Höfgen, dessen Karriere während der Weimarer Republik, also in den zwanziger Jahren, und vor allem in den ersten Jahren der NS-Diktatur geschildert wird. Dieser Hendrik Höfgen steht ganz zweifellos für Gustav Gründgens, dem es als Schauspieler und Theaterintendant gelang, von 1922 bis 1963, dem Jahr seines Todes, das deutsche Theater zu prägen. Ein Schauspieler, der sein Talent unter gleich welchen Bedingungen zu nutzen verstand, ein Mensch, der Karriere machte, dem es vielleicht gleichgültig war, Weiterlesen

Ein Mensch fällt aus Deutschland

Die Wut, die wir so nicht kannten, der Hass,  das Gefühl vieler, dass es so nicht weitergehen könne, weil nichts mehr wahr ist, man niemandem mehr trauen kann, dass es einen Wandel bräuchte, einen kleinen Hitler vielleicht, einen Krieg, möglicherweise, die Brandbeschleuniger, die in vielen Ländern an der Macht sind oder nach der Macht greifen: Wir stecken bis zum Hals mitten in diesem Schlamassel und manchmal, so scheint es mir, schlagen die Wellen auch schon über uns zusammen.

Einen Schritt zurück, etwas Abstand einnehmen und mal in eine andere Richtung gucken, ein Buch lesen, statt der breaking news, statt der push-Nachrichten auf dem Handy. Ein altes Buch, eins aus dem Jahr 1936. Konrad Merz, der eigentlich Kurt Lehmann hieß, hatte bis zur Machtergreifung, die in Wahrheit ja durch nichts anders als eine demokratische Wahl zustande gekommen war, ein gewöhnliches Leben in Berlin geführt.  1933 emigrierte in die Niederlande, nachdem er seiner jüdischen Herkunft wegen sein Studium hatte abbrechen müssen. Weiterlesen

Übern Jordaan gehen

Foto: Leonie Voita

Foto: Leonie Voita

„Een vreemd lichtspel, geheimzinnig van wisselende glanzen, trilde over de grillige puien en gevelsteenen uit. Een dwaze rumoerigheid klonk plotseling t’allenkant door de nachtstraat-stilte.“

Israël Querido: De Jordaan: Amsterdamsch epos. Deel 4: Mooie Karel(1924), S. 230

Ein eigentümliches Lichterspiel, von geheimnisvoll wechselndem Glanz, zitterte über die bizarren Fassaden und Gibelsteine hinweg. Ein aberwitziger Krawall klang plötzlich von allen Seiten durch die Nachtstraßenstille. (Eigene Übersetzung)

Israël Querido hat mit seinen Texten dafür gesorgt, dass der Jordaan bekannt wurde. Weiterlesen

Literatur & Co.

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„Ik ben makelaar in koffi, en woon op de Lauriergracht no. 37.“

„Ich bin Makler in Kaffee und wohne Lauriergracht Nr. 37.“ So beginnt Max Havelaar, der Roman von Multatuli. Hinter diesem Pseudonym verbarg sich der Autor Eduard Douwes Dekker. Der Roman, der in den Niederlanden zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Kolonialpolitik in Indonesien führte und bis heute als das wichtigste Buch der niederländischen Literatur gilt, hat zweifellos Spuren in der Wirklichkeit hinterlassen. Eine der witzigsten hat mich jetzt in Amsterdam beschäftigt. Allein im ersten Kapitel des Buches nennt uns Batavus Droogstoppel vier oder fünf Mal die Adresse Lauriergracht 37 und verweist darauf, dass er Kaffeemakler sei, am Ende dieses ersten Kapitels, das übrigens nicht länger als fünf Seiten ist, wissen wir zudem, dass er der Schwiegersohn des alten Last ist, das Co. in Last & Co. Das Kapitel endet mit einer Abbildung seiner Visitenkarte: Weiterlesen

Literarisches Amsterdam (8)

Multatuli schaut Marinus Pütz skeptisch über die Schulter Foto: Elfie Voita

Multatuli schaut Marinus Pütz skeptisch über die Schulter
Foto: Elfie Voita

Endspurt. Diesmal sollte es doch klappen mit dem letzten Beitrag zur literarischen Führung in Amsterdam. Allerdings nur, wenn es mir gelingt, diese Einleitung zügig abzuschließen. Die Tour liegt jetzt schon fast einen Monat hinter uns. Die Fotos von der Reise habe ich mir gerade noch einmal angesehen. Jetzt will ich wieder hin. Am liebsten sofort.

Dass in der Keizersgracht 569-571 bis Ende der neunziger Jahre das P.J. Meertens-Instituut voor Dialectologie, Volkskunde en Naamkunde seinen Sitz hatte, interessiert wohl nur diejenigen, die Voskuil gelesen haben oder lesen wollen. Es ist nämlich das Vorbild für das A.P. Beerta-Instituut, Schauplatz des Buches, der Bücher, genau genommen, denn es sind immerhin sieben Bände.

Und Multatuli? 

In der ersten Folge dieser Reihe habe ich über ihn geschrieben. Marinus Pütz hat uns zu seinem Denkmal geführt.

Ich hatte nicht gewusst, dass es dieses Denkmal gibt. Jedenfalls nicht bis zum Vortag, als wir zufällig davor landeten. Macht nichts. Marinus erklärt uns, dass es ein Multatuli-Museum in der Nähe gibt. Ich glaube, da will ich nicht hin. Nicht, bevor ich den Max Havelaar gelesen habe. Und nein, wir sind nicht so kultur- und literaturbeflissen, dass wir nicht auch Zeit für anderes gehabt hätten: Gut und schlechter essen, tropfnass werden in einem überraschenden Regenschauer, der sich zu einem echten Landregen entwickelt, von Mücken zerstochen werden, nach Abkürzungen suchen und Umwege finden, vor Schaufenstern stehen und in Geschäften stöbern, vor Radfahrern flüchten und glücklich auf eine stille Gracht im frühmorgendlichen Licht blicken.

Teil 7

Literarisches Amsterdam (7)

Von Rudolphous - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16407658

Von Rudolphous – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16407658

Vermutlich war ich einer der Letzten, dem klar wurde, dass ich hier keine Serie über eine literarische Führung durch Amsterdam schreibe. Oder doch, schon, aber eben nicht über die konkrete Führung, an der wir teilgenommen haben. Die bildete den Anlass und lieferte ergänzendes  Material und Stichworte zu einem ganz eigenen Spaziergang, einem mit Orten, die ich noch besuchen möchte, mit Orten, die ich besucht habe, aber auch mit Häusern, die es im heutigen Amsterdam nicht mehr gibt.

Cees Nooteboom hat in seinem Text ‚Die Form des Zeichens, die Form der Stadt‘ in der Anthologie ‚Amsterdam: Eine Stadt in Geschichten‘ ein Modell für einen Stadtspaziergang entworfen, wie er mir gefallen könnte, einen, in dem auch die Geschichte einer Stadt immer gegenwärtig ist, ablesbar, und Schicht für Schicht abgetragen werden kann. Weiterlesen

Literarisches Amsterdam (6)

Foto: Elfie Voita

Foto: Elfie Voita

Wie, noch eine Folge? War die fünfte nicht so eine Art Resümee? Ha! Zu früh gefreut, kein Resümee, nur ein Intermezzo. Exil in Amsterdam war eines meiner Themen und ein Thema, das sich anders als von mir erwartet entwickelte.

In der Nähe der Westerkerk, der Kirche, in der eine Gedenktafel an Rembrandt erinnert und den Eindruck erweckt, er läge in der Kirche begraben, dabei wurde er nur auf dem einst angrenzenden Friedhof bestattet und niemand kennt den genauen Platz, in der Nähe dieser Kirche mit ihrem prächtigen Turm also, gerade einmal um die Ecke, befindet sich das Haus, in dem die Familie Frank sich von 1940 bis 1944 verstecken musste.

Paul Auster, der amerikanische Schriftsteller, hat sich die Räume angesehen, in denen die untergetauchten Menschen leben mussten und diese Besichtigung hat ihn tief beeindruckt. In seinem stark Weiterlesen

Literarisches Amsterdam (5)

Evert den Hartog: Rennende Haas Foto: Elfie Voita

Evert den Hartog: Rennende Haas
Foto: Elfie Voita

Wenn ich etwas erwarte, bin ich dann selbst dafür verantwortlich, dass ich enttäuscht werde? Bin ich ein Optimist, wenn ich zu viel erwarte? Und ein Pessimist, weil ich nicht glaube, dass meine Erwartungen erfüllt werden? Ein Realist jedenfalls bin ich nicht.

Da ist diese Stadt Amsterdam, die rund 850.000 Einwohner hat. Eine lange Geschichte, zu deren Akteuren viele große niederländische Autoren gehören und in deren Fußnoten auch einige deutsche Schriftsteller auftauchen, neben Schriftstellern aus anderen Ländern selbstverständlich.

Und dann komme ich daher und möchte in einer dreistündigen Führung alles, aber auch alles darüber erfahren. Ohne mit Informationen behelligt zu werden, die ich schon habe oder die im literarischen Zusammenhang unwichtig sind. Um diese Aufgabe komplett unlösbar zu gestalten, Weiterlesen

Literarisches Amsterdam (4)

Marinus Pütz führt uns durch Amsterdam, am zweiten Tag unseres Aufenthalts in der Stadt. Schon am Freitag sind wir angereist und wieder einmal Stunde um Stunde durch die Stadt geschlendert. (Ulla Meinecke: Schlendern ist Luxus).

Haarlemmerstraat und Haarlemmerdijk. Dabei wusste ich nicht mal, dass diese Straße, ja, es ist nur eine, die Haarlemmerstraat heißt ab einem bestimmten Punkt einfach Haarlemmerdijk, auch noch zum Jordaan gehört. Gegoogelt natürlich.

Und wie immer einmal zu oft hingeschaut, denn mich interessiert ja die Literatur in Amsterdam. Genau zu diesem Thema endet am 30.08.2016 eine Ausstellung im Jordaan, der übrigens von einer verwahrlosten Arme-Leute-Gegend zu einer sehr gefragten und schönen Wohngegend geworden ist.

Nicolaas Matsier hat hier gewohnt, der in Deutschland mit dem Roman ‚Selbstporträt mit Eltern‘ bekannt wurde. Verpasst. Nicht Nicolaas Matsier, sondern die Ausstellung zum Thema Literatur über den Jordaan. Wenn ich mich mit einem Thema beschäftige, springt mich das Material geradezu an und ich will mehr und noch mehr wissen und nichts verpassen.

Amsterdammer sind sehr entspannt, sehr ‚easy going‘ was vermutlich eine unzulässige Verallgemeinerung ist und nur wiedergibt, was mir ständig unter die Nase gerieben wird. Aber ich mag dieses Vorurteil und finde immer wieder Beispiele dafür. Gerade im Haarlemmerdijk. Beliebte Einkaufsstraße? Möglicherweise, aber es ist nicht überfüllt, die Leute sitzen vor den Cafés und Coffeshops, Köche aus aller Welt scheinen sich hier versammelt zu haben.

Kneipen: Marinus zeigt uns die Literatenkneipen der Stadt, die Bühnen, auf denen der literarische Nachwuchs des Landes seine ersten Gehversuche macht, erklärt uns, dass Amsterdam ein unerschöpfliches Thema der modernen niederländischen Literatur ist. Gut, Berlinromane gibt es auch reichlich.

Kneipen? Da war doch was! Joseph Roth, der sich von seinem Hotel in der Warmoesstraat mit einem Boot auf die andere Seite bringen ließ, Damrak 62. Das war die Adresse des Verlags Allert de Lange. Neben dem Querido-Verlag war Allert de Lange der wichtigste Herausgeber für deutsche Exilautoren.

Hermann Kesten und Walter Landauer

Hermann Kesten und Walter Landauer

Fritz H. Landshoff, Amsterdam, Keizersgracht 333, Querido Verlag…
(Berlin, 1991) p. 175

Walter Landauer und Hermann Kesten, beide zuvor beim Gustav Kiepenheuer Verlag in Berlin als Lektoren tätig, leiteten die deutschsprachige Sparte des Verlages. Und auch das gehört zum Thema Literatur in Amsterdam – und zur Geschichte der deutschen Literatur: Einige Jahre nach dem Einmarsch der Deutschen in den Niederlanden wurde Walter Landauer festgenommen und verhungerte 1944 in Bergen-Belsen.

Teil 5

Teil 3

Literarisches Amsterdam (3)

Besucht man eine Stadt häufiger, dann ist bei jedem weiteren Besuch immer mehr von dieser Stadt präsent, reichert sich quasi im Gedächtnis an und schafft ein Bild, dass weit über alles hinausgeht, was man gerade sieht und erlebt. So geht es mir mit der Warmoesstraat, die parallel zum Damrak verläuft, der vom Hauptbahnhof direkt zum Schloss und Nationalmonument auf dem Dam führt.

Die Rückseite der Häuser der Warmoesstraat sind links am anderen Ufer eines Gewässers zu sehen, für das ich gerade keinen Namen zur Hand habe. Aber in Amsterdam muss man sich auch nicht über die Gegenwart von Wasser wundern, sondern eher darüber, wie es möglich ist, dass all diese Gebäude hier stehen. Weiterlesen

Literarisches Amsterdam (2)

Foto: Elfie Voita

Foto: Elfie Voita

Viele Menschen reisen gern, ich reise gern an. Gern auch langsam. Morgens von Warendorf nach Münster, frühmorgens, kurz nach sechs, Hochnebel. Noch ist es kühl draußen. Man sollte öfter mal so früh los, die Natur gibt sich alle Mühe und kaum einer schaut hin.

Rehe auf den Feldern.

In Münster parken, umsteigen in den Flixbus. Pünktliche Abfahrt, unterwegs durch die Hoge Veluwe, ein Heide- und Waldgebiet, neben dem Utrechtse Heuvelrug: Sozusagen ein Höhepunkt der niederländischen Landschaft.

Wieder mal eine Brücke. Weil sich das Lesen nicht abstellen lässt, konsumiere ich den Text auf einem der Brückenpfeiler „Ecoduct…“ Da war doch was… na klar, habe ich in einem Fernsehbeitrag schon mal gesehen. Eine Autobahnbrücke für die Tiere, die ab und an auch mal die Seite wechseln möchten, begrünt, bewaldet.

Pünktliche Ankunft in Amsterdam- Sloterdijk. Sagt mir nichts. Sloterdijk schon. Peter Sloterdijk. Der hatte einen niederländischen Vater, womit das jetzt auch geklärt wäre. Amsterdam-Sloterdijk entspricht weder dem Bild oder dem Vorurteil, das wir von Amsterdam oder niederländischen Städten haben. Stattdessen Hochhäuser und ein Vorortbahnhof, gebaut für Pendler, die hier arbeiten sollten. Weiterlesen

Literarisches Amsterdam (1)

Noch ein paar Tage, dann sind wir wieder einmal in Amsterdam. Ein literarischer Rundgang steht an, organisiert vom Literaturbüro NRW. Was werden wir sehen und hören? Literatur und Amsterdam, da gibt es so einiges. Wikipedia listet 33 Autorinnen und Autoren auf, die in Amsterdam gelebt und gearbeitet haben. Ergänzen, denke ich, lasse es aber. Wo anfangen? Joost van den Vondel fehlt, einer der bedeutendsten Autoren des goldenen Zeitalters der Niederlande.

Aber wie gesagt: Wo anfangen? Kein Vorwurf an den oder die Verfasser des Eintrags, es waren und sind sehr viele, die in Amsterdam geschrieben haben.

Janwillem van de Wetering hat zwar auch in Amsterdam gelebt, seine Kriminalromane entstanden aber in Maine. Ha… man sollte doch nichts recherchieren, das bringt einem nur Arbeit ein. Jetzt habe ich doch gerade nachgeschaut, wo genau van de Wetering gelebt hat, in Surry im Hancock County (Maine) nämlich. Bei der Gelegenheit musste ich jedoch gleich ein Vorurteil revidieren, ich nahm nämlich an, er habe seine Bücher auf Englisch geschrieben, Weiterlesen

Hölle, Hölle, Hölle!

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Nach Magie für Anfänger und Zen-Navigation ist das jetzt also der dritte und hoffentlich letzte Versuch, mich mit Den Bosch zu beschäftigen. Fast ist es zu spät, die Ausstellung – und um die ging es eigentlich – endet nämlich am 8. Mai. Ich bin mir nicht mal sicher, ob wir es noch rechtzeitig schaffen, meine Begeisterung für Hieronymus Bosch teilt nicht jeder.

Jheronimus Bosch wird er in den Niederlanden genannt, oder, das mag ich besonders, einfach Jeroen Bosch. Das hat was, das trauen wir uns nicht mit unsren Großen, Günni Grass oder Wolle Goethe, Tommy Bernhard, Jo Bach… Weiterlesen