Ans Meer, ans Meer!

Ans Meer, ans Meer!

Wir hatten das Ferienhaus gemietet. In diesem Sommer, auf den wir gehofft hatten, der gut werden sollte, ach was, gut werden musste, nach einer langen Zeit, in der wir kaum zu atmen gewagt hatten. Wer hörte in solchen Zeiten schon auf die Meteorologen, die dann aber leider die einzigen waren, die Recht behielten.

Mitte August, es ließ sich nicht mehr länger leugnen, dass es auch in diesem Jahr einen Herbst geben würde, einen, der die hellen Morgende und langen, warmen Abende einweichen und schließlich von seinem Stundenplan streichen würde. Eigentlich war der Lack ja ab, wenn die Sommerferien vorbei waren, das Jahr war durch und in den Lägern der Supermärkte stapelte sich, kaum noch vor den Kunden verborgen, das Weihnachtsgebäck. Aber noch gaben wir nicht auf! Dieser Sommer war nicht verloren, solange nicht auch wir Sand in den Sandalen gespürt und Salz auf den Lippen geschmeckt hatten.

Es gehörte zu den Merkwürdigkeiten der Architektur, dass Ferienhäuser, ach, vermutlich galt das sogar für alle Häuser und Wohnungen, großzügig wirkten, freundlich und einladend – bis man sie betreten hatte. Gut, vielleicht sollte ich das jetzt doch nicht so verallgemeinern: bis wir sie betreten hatten.

Schon bei der Rückkehr vom ersten Strandspaziergang bot sich nämlich ein gänzlich anderes Bild. Ich weiß nicht, ob die Außenwände nach innen drängten oder die Möbel näher zueinander rückten oder ob die paar Taschen und Koffer mit dem absolut Nötigsten möglicherweise in der Seeluft aufquollen, jedenfalls war die Großzügigkeit einer drangvollen Enge gewichen. Was noch fehlte, war der unverwechselbare Geruch nasser Badebekleidung. Noch ein wenig Möwengeschrei und der Qualm eines Holzkohlengrills irgendwo in der Nachbarschaft, eine im Wind knatternde Fahne, das Bellen eines Hundes… und dann noch eines Hundes. Urlaub!

Grenzerfahrung

Eigenes Foto

Im Literaturmuseum Haus Nottbeck läuft eine Ausstellung unter dem Titel „Go east“. Zu dieser Ausstellung ruft das Museum dazu auf, Reisetexte zur Verfügung zu stellen. Die Bedingungen stehen auf der Seite des Museums. Mein kleiner Text ist schon dabei.

Grenzerfahrung

Als ich zum ersten Mal im Ausland war, war ich überhaupt nicht im Ausland. Nur im Sauerland, mit der Zündapp meines Vaters und eine Zündapp ist keine App für das  Smartphone, sondern ein Moped. Ich war total begeistert, im Ausland zu sein, machte mir aber zugleich Sorgen, weil wir kein sauerländisches Geld dabei hatten. Mein Vater, der vor mir saß, natürlich ohne Helm, lachte und erklärte mir, dass wir nur ein paar Kilometer von zuhause entfernt waren. Zuhause, das war Hagen, vielleicht sogar noch Hohenlimburg, das war Rauch und ein metallischer Geruch in der Luft, blinde Fenster in hohen, staubigen Gebäuden und Gleise, die über die Straße liefen.

Es dauerte noch zehn Jahre oder mehr, bis  ich die holländische Grenze erstmals überschritt, aber das zählte nicht, weil mein Onkel Weiterlesen

In den Sand gesetzt

Foto: Elfie Voita

Ein kleines Stück noch. Nur noch um die nächste Düne.

Bei Paal 19 hatten wir angefangen. Ich hatte noch nie bewusst auf diese Pfähle geachtet, aber auf der Karte waren sie eingezeichnet, also konnten wir die Länge unseres Strandspaziergangs vorher ermessen, denn bei Paal 24,2 sollte das Drenkelingshuisje stehen. Nein, nicht das Haus der Ertrunkenen, sondern für die dem Ertrinken Entkommenen, für die, die sich aus dem Meer retten konnten und auf Terschelling Boden unter die Füße bekamen. 24,2 – 19 = 5,2 Kilometer bei schönstem Wetter über den Strand spazieren, um eine touristische Attraktion der Insel zu besichtigen, klang eigentlich ganz gut. Ursprünglich wollten wir ja bis zu Paal 22 oder lieber bis zu Paal 23 fahren, aber der Radweg endete vorher und die Karte zeigte uns nicht, ob es von dem Wanderweg auf der Landseite der Dünen einen Weg zum Strand gab.

Also ab Paal 19. Viele Menschen an der See. Ebbe. Die Strände auf Terschelling sind auch bei Flut noch breit, aber bei Ebbe  bis zum Wasser? Ein Kilometer vielleicht? Also 6,2 Kilometer, plus den Weg durch die Dünen bis zum Strand natürlich.

Es läuft sich nicht gut auf feinem losen Sand, auch nicht auf hartem, von der See in ein Wellenmuster geformten Sand. Feuchter Sand, der unter den Füßen nachgibt, macht auch keinen Spaß. Also am Wasser bleiben. Aber dann tun sich kleine Sandbänke auf, die zu tiefen Stellen führen, zu tiefen Stellen führen. Ich habe das zu im zweiten Nebensatz betont, nur als Hinweis, damit das niemand überliest. Also die kleine Halbinsel zurück und das Wasser umgangen. Wieder ein paar hundert Meter. Nicht  mehr ganz so viele Menschen unterwegs, wir sind jetzt bei Paal 22. Sehen kann man noch nichts. Doch schon, Seevögel, Muscheln, Quallen, Schiffe und das Meer, das ja nie langweilig wird, nur noch kein Drenkelingshuisje.

Barfuß durchs Wasser. Ab und zu einen Schluck trinken, es ist hochsommerlich warm. Paal 24. Die Pfähle stehen Weiterlesen

Erbaulich

Ich lese gerade mal wieder Zeitung. Wir waren in Utrecht und da bringe ich mir gern mal eine niederländische Tages- oder Wochenzeitung mit. De Groene Amsterdammer zum Beispiel. Seit 1877 gibt es diese, na, ich würde eher sagen Zeitschrift. Sie erscheint im Format A4+ und die Ausgaben bis 1940 sind, so steht es bei Wikipedia, kostenlos als Faksimile im Netz verfügbar. Eine linksliberale Zeitschrift und das „liberale“ hat aber auch überhaupt nichts mit neoliberal am Hut. Die Artikel sind lang, da mutet man, nein, traut man der Leserschaft etwas zu. Ich lese nicht regelmäßig, nicht einmal unregelmäßig, bin aber im Netz immer wieder mal dabei. Ich habe mit de Groene, was übrigens keine ökologische oder politische Zuordnung ist, nicht gekauft, ich schwärme nur gerade etwas vor mich hin. Ich habe mir den Volkskrant mitgebracht. Ich schwärme jetzt mal nicht. Könnte ich aber. Es geht mir hier aber nicht um Zeitungen oder Zeitschriften. Gut, hat bisher sicher niemand gemerkt.

Es geht mir um Sozialwohnungen, um den Wohnungsmarkt in Deutschland. Um das Totalversagen dieses Marktes, der kein Markt sein sollte, denn Wohnen ist ein Grundbedürfnis, eine Notwendigkeit und wer nicht die Mittel hat, sich eine anständige Wohnung zu leisten, sollte auf öffentlich geförderte, besser im öffentlichen Besitz befindliche Wohnungen zurückgreifen können. Ich habe überhaupt nichts gegen privates Wohneigentum, darum geht es hier auch nicht. Es geht darum, wie private Weiterlesen

Gestrandet

Eigenes Foto

Der Radweg endet in den Dünen, das letzte Stück zu Fuß, erst noch über einen befestigten Weg, dann durch den feinen weißen Sand. Die Brandung ist schon zu hören, ach, was heißt hier schon, die Nordsee ist allgegenwärtig auf der Insel. Wie kann etwas so lautes so beruhigend wirken? Dann öffnet sich der Blick auf das Wasser und es ist wieder anders als erwartet, größer, weiter, endlos. Nicht in Worte zu fassen.

Ein breiter Strand, nach rechts und links ist kein Ende in Sicht. Ein Strandpavillon: Vielleicht später Weiterlesen

Sitz, Hase

Die Natur hat neben vielen Vorteilen, die mir jetzt nicht so schnell einfallen, auch eine Menge Nachteile. Sie ist ungeduldig. Gut, das gilt jetzt mehr für die belebte Natur und um es gleich noch weiter einzugrenzen, für die Fauna. Also die Tierwelt, um hier keine Verwechslungen mit der griechischen Götterwelt aufkommen zu lassen. Von wegen Faune und so.

Ja, ich weiß auch, dass nicht gleich die ganze Welt der Tiere ununterbrochen herum hüpft. Faultiere, Schildkröten und Schnecken sind vermutlich nicht allein mit ihrem Schongang. Aber gestern in, nein, um Deventer herum war die Fauna schon recht hektisch. Wir hatten uns eine Radtour ausgesucht, die Landgoederen fietsroute Deventer-Olst. Rittergüter und Herrenhäuser in reizvoller Landschaft. Wenn man weitgehend flaches Grünland für reizvoll hält.

Ich tue der Region damit unrecht, soweit man eine Landschaft beleidigen kann, die Weiterlesen

Friesland (5): Frau Zelle

Margaretha Geertruida Zelle? Nie gehört? Im Frühjahr des Jahres 1905 wurde aus der in Leeuwarden geborenen jungen Frau die exotische Tänzerin Mata Hari. Auch wenn sie mit ihren Auftritten europaweiten Ruhm erlangte, wäre sie wohl längst vergessen, doch ihr Tod sorgte dafür, dass sie Menschen bis heute beschäftigt. Sachbücher und Romane, Dokumentationen und Spielfilme widmen sich ihrer Geschichte, das Friese Museum in Leeuwarden zeigt gerade eine große Ausstellung.

Die Ausstellung fügt dem, was man über Mata Hari weiß, wenig hinzu. Was nicht heißen soll, dass die Ausstellung schlecht ist. Sie ist etwas für Leser, für Menschen, die sich die Zeit nehmen, dem Leben der Frau zu folgen, die als Weiterlesen

Friesland (3): Angekommen

Eigenes Foto

Leeuwarden ist 2018 nicht nur die Hauptstadt der Provinz Friesland, sondern, wie schon an anderer Stelle geschrieben, Kulturhauptstadt Europas. Eine kleine Hauptstadt mit knapp 110.000 Einwohnern, aber eine Stadt, die auch ohne die Veranstaltungen, die 2018 über das Jahr verteilt für eine Menge Leben sorgen werden, bemerkenswert ist. Wohin? fragten mich manche, als wir unsere Tour planten. Die Stadt liegt etwa 270 Kilometer nordwestlich von Warendorf und harrt offenbar noch ihrer Entdeckung durch die deutschen Reisenden. Nein, es liegt wohl nicht am Fries, das dort gesprochen wird, einer Sprache, die auch für Niederländer weitgehend unverständlich ist. oersethelp.nl bietet sogar ein Übersetzungsprogramm Nederlands – Frysk und umgekehrt.

Bûter, brea, en griene tsiis; wa’t dat net sizze kin, is gjin oprjochte Fries.

Boter, roggebrood, en groene kaas, wie dat niet kan zeggen, is geen oprechte Fries.

Und zur Sicherheit die deutsche Übersetzung: Butter, Roggenbrot und grüner Käse, wer das Weiterlesen

Friesland (2): Unterwegs

Eigenes Bild

Rund zwanzig Kilometer nördlich von Zwolle liegt die alte Hansestadt Kampen. Rund 50.000 Menschen leben in der angeblich dümmsten Stadt der Niederlande, über die bereits 1563 ganz Europa gespottet haben soll. Da muss etwas an mir vorbeigegangen sein. Aber jedes Land hat seine Stadt, seine Region, über die gespottet wird. Bei uns ist das Schilda, die fiktive Heimat der Schildbürger, es ist aber auch Ostfriesland mit den Ostfriesenwitzen. Ein Beispiel für die Witze Weiterlesen

Sand in Sicht

Foto: Manfred Voita

Schiermonnikoog: die östlichste der bewohnten niederländischen Watteninseln.

Von Lauwersoog aus geht es mit der Fähre hinüber. 45 Minuten durch das Wattenmeer. Kreuz und quer, hin und her, wie die Fahrrinne es eben zulässt. Die Insel ist ganz nah. Zwei Leuchttürme, ein weißer und ein roter. Deich und Dünen, ein Dorf.

Ein Schiff voller Vorfreude. Ein Schiff voller Leben und Sommer. Das Meer, ja, die Nordsee! blitzt im Sonnenlicht, Segelschiffe… nein, die liegen im Schlick, können erst bei Flut weiter. Ehrlich gesagt riecht das Watt auch nicht gut. Ebbe eben. Aber dann ist die Insel da, die Zugbrücke wird heruntergelassen und los geht es.

Den Deich entlang, dann über schmale Wege in den Ort. Schiermonnikoog. Der einzige Ort auf der Insel. Die Insel der grauen Mönche. Zisterzienser haben hier gelebt, dann gab es verschiedene Herren und Herrschaften. Weiterlesen

Grenzwertig

Grafschaft Bentheim, Foto: Manfred Voita

Wir doch nicht. Alle anderen, klar, aber wir doch nicht.

Ostermontag. Ein ganzer Tag liegt hinter dem Land, ein vergeudeter Tag, einer, an dem man nicht einkaufen konnte. Jedenfalls nicht in Deutschland. Wir sind auf dem Weg in die Grafschaft Bentheim, Familienbesuch. Ob wir über Holland fahren, fragt meine Frau. Klar, immer gern mal. Und wenn wir schon da sind, könnten wir auch noch ein paar Kleinigkeiten mitbringen, also die Sachen, die man nun wirklich nicht dringend braucht.

Völlig naiv fahren wir über die Grenze, also fast, denn der Stau beginnt schon kurz vor der Grenze. Ganz Deutschland muss nach Denekamp oder irgendeinem anderen beliebigen Grenzort. Dabei ist es noch nicht einmal lange her, dass wir in einen vergleichbare Schlamassel geraten sind. Nur ging es da um Winterswijk und Bredevoort. Egal, wenden kann Weiterlesen

Selbst schuld

 

Antiquariate sterben offenbar aus. Ich habe noch nie so oft gebrauchte Bücher gekauft wie in letzter Zeit. Zwei Sätze, die sich scheinbar widersprechen, aber nur scheinbar.

Wir waren in Bredevoort, einer niederländischen Stadt. Stadt, weil sie die Stadtrechte besitzt, nicht, weil sie durch ihre Größe das Recht hätte, als Stadt bezeichnet zu werden. Schon Städtchen wäre gelogen. Für ein Dorf könnte man sie durchgehen lassen. Knapp. Alles unter 5.000 Einwohnern zählt in Deutschland als Landgemeinde. Aber, wie gesagt, wir waren in Holland.

Bredevoort ist hübsch, also streckenweise, hier und da mal. Nicht insgesamt, nicht beeindruckend. Die Sint-Joriskerk ist spätgotisch, gut, frühgotisch hätte ich auch nicht erkannt. Es gibt darin einen sogenannten Boerenzolder, eine rustikale Empore gegenüber der Kanzel, die als Bauernspeicher bezeichnet wird, weil Bauern immer so viel zu tun hatten, dass sie oft als letzte in der Kirche ankamen und dann dort oben saßen. Man muss nicht nach Bredevoort, um das gesehen zu haben. Man muss auch nicht nach Bredevoort, um im mittelalterlichen Restaurant zu essen, vor allem dann nicht, wenn man sowieso draußen sitzen möchte.

Aber die Antiquariate. Bredevoort ist nämlich Bücherstadt. Ganz viele Antiquariate… hatten sich dort angesiedelt, bis das Internet kam und die Leute ihre Bücher, gerade auch ihre gebrauchten Bücher online kauften. Ich auch. Schande über mein Haupt. Dabei mag ich es, in Reihen mehr oder weniger vergilbter Bücher zu stöbern und zu finden, was ich nicht gesucht habe. Vorbei. Kaum noch ein Antiquariat ist zu finden und die, die wir finden, haben Ruhetag. Montags. Manche auch montags und dienstags. Zum Glück kriegen wir noch koffie mit appelgebak.

Dann geht es weiter nach Winterswijk. Nur ein paar Kilometer entfernt. Die ganze Stadt hat sich auf den Ansturm der deutschen Nachbarn eingestellt, einen zusätzlichen Markttag installiert und einen Seniorenchor wachgerüttelt, der in der Fußgängerzone sein Bestes gibt. Kibbeling und Kaas, gevulde Koeken und noch ein paar Kleinigkeiten.

Das Antiquariat ist geschlossen.

Weiß, wusste… habe gewusst

Wie unsere niederländische Korrespondentin mitteilt, gibt es im Niederländischen das „ofschoon“, das dem „obschon“ oder „obwohl“ vergleichbar ist. Ich spreche niederländisch, nein, das ist so nicht ganz richtig. Vor vielen Jahren habe ich Niederländisch gelernt, nein, noch genauer: Ich habe Niederländisch studiert. Das nur als Erklärung dafür, dass ich es eben nicht spreche. Hätte ich es gelernt und nicht nur studiert, spräche ich vielleicht ein akzeptables Niederländisch. So reicht es, um unsere westlichen Nachbarn zu irritieren.

Ich verfüge über einen halbwegs großen Wortschatz und wie das so ist mit Schätzen, ich halte ihn gut unter Verschluss. Weiß man zum Beispiel, dass Pferdeäpfel auf Holländisch paardenvijgen heißen, ist das eine Bereicherung für so manches Gespräch. Obwohl ich genau mit diesem Terminus aushelfen konnte, allerdings nur deshalb, weil es in Warendorf – der Reiterstadt – Trüffelpralinen gibt, die den verlockenden Namen Warendorfer Pferdeäpfel tragen. Auf Niederländisch hätte ich diesen Satz möglicherweise mit ofschoon begonnen, aber, wie gesagt, mein Niederländisch ist eher medientauglich: Ich lese und höre diese Sprache und nicht nur das, ich verstehe was ich lese und höre, aber mein Sprachgefühl ist nicht so ausgeprägt, dass ich sagen könnte, ob ofschoon total antiquiert klingt oder einem Satz einen Hauch von Eleganz verleiht.

Die Abbildung zeigt übrigens ein Fragment aus dem 11. Jahrhundert, dass lange als erster überlieferter niederländischer Satz galt.

Hebban olla uogala nestas hagunnan hinase hi(c) (a)nda thu uuat unbidan uue nu

Übersetzt soll das heißen: Alle Vögel haben begonnen Nester zu bauen, außer ich und du. Worauf warten wir?

So, wie meine Sprachbeherrschung den Bach runter gegangen ist, haben sich auch die Auffassungen über diesen Satz verändert.

  1. Es ist kein niederländischer Satz, sondern irgendein Dialekt aus England mit kontinentalen Einflüssen.
  2. Es ist schon mal überhaupt nicht der älteste Satz.

So geht es einem, wenn man schon mal was gelernt hat. Entweder es stimmt nicht mehr oder man kann es nicht mehr.

Kültür

Das es nicht reicht, auf die Armbanduhr zu gucken, um sich hinreichend mit dem Phänomen Zeit auseinandergesetzt zu haben, war mir eigentlich schon länger klar – dafür hätte es nicht eines populärwissenschaftlichen Bestsellers bedurft.

Jeder, der einmal versucht hat, eine Geschichte zu schreiben, kommt nicht umhin, sich Gedanken zu machen über Erzählzeit und erzählte Zeit, vollendete Gegenwart und was auch immer die Germanisten sonst noch an Fallstricken ausgelegt haben mögen. Naturwissenschaftlich ist Zeit ein noch viel komplexeres Problem – und bis ins Detail verstanden hat es offenbar noch keiner – soweit immerhin habe ich den schon angesprochenen Bestseller gerade noch kapiert.

Offen gestanden lese ich solche Bücher auch nicht in der Erwartung, wirklich viel darüber zu erfahren, wie unsere Welt funktioniert, nein, es geht mir eher um das angenehme Gefühl, das wirklich kluge Menschen sich mit all diesen … Dingen herumschlagen und schon dafür sorgen werden, dass die Naturgesetze auch von niemandem übertreten werden.

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Jede Menge Sterne

Ich habe schon erwähnt, dass wir in Urlaub waren. Manche mögen es komfortabel, wenn sie in die Fremde aufbrechen, aber dann will ich anschließend nicht wieder nach Hause. Andere mögen es spartanisch, aber dann kann ich ja gleich zuhause bleiben.

Manche wollen sehr weit weg, das dauert mir aber zu lange und dann ist da auch alles so fremd. Andere wollen lieber in der Nähe bleiben, aber wozu dann überhaupt wegfahren?

Habe ich schon erwähnt, dass ich es nicht so mit Bergen habe? Also in Leer, einer wunderschönen Stadt in Ostfriesland, ist der Plytenberg die höchste Erhebung: stolze neun Meter! Ich habe dort gelebt, nein, nicht auf dem Plytenberg, sondern in Leer – und der macht wirklich was her, weil alles andere flach ist. Flachland halt. Neun Meter sind okay.

Hitze vertrage ich nicht.

Ich kriege schon einen Sonnenbrand, während ich die Flasche mit dem Lichtschutzfaktor 100 nicht aufbekomme. Dieser Lichtschutzfaktor reicht für meine Frau bei einmaligen Einreiben für den ganzen Sommer, für mich für eine Viertelstunde, aber nur, wenn ich das Haus nicht verlasse. Okay, das war übertrieben. Es reicht für eine halbe Stunde. Kälte? Wintersport? Nicht mal im Fernsehen. Es reicht mir, wenn man mir von Schnee erzählt. Ich muss nicht jede Erfahrung machen. Schließlich habe ich Phantasie, wenn nicht inhaltlich, dann doch wenigstens bei der Rechtschreibung.

Am Strand bin ich schon gern, nur der Sand… überall Sand, zwischen den Zehen und zwischen den Zeilen. Also Lesen geht nicht gut, vor allem auch wegen der von der Sonnenmilch klebrigen und dann auch noch sandigen Finger: Ich hasse es, wenn meine Bücher schmuddelig werden, Eselsohren kriegen, Risse im Umschlag.

Wir sind trotzdem verreist. Mit dem Auto, dann mit dem Fahrrad und – wie auch schon mal geschildert – mit ganz wenig Gepäck. Ich hatte schon erwogen, mir in jeder Stadt ein Buch zu kaufen. Nein, das war nicht ganz richtig formuliert. Ein- und dasselbe Buch in jeder Stadt, dann muss ich es nicht in der Satteltasche als Ballast rumschleppen und versaue es nicht, kann aber jeden Abend drin lesen. Ich hab mich dann nicht getraut, ich fahr ja nicht allein.

Zelten haben wir aufgegeben, es würde zu weit führen, das jetzt zu erklären, aber es gibt Hotels, die muss man gesehen, die muss man erlebt haben. Das eigentliche Gästehaus war dreigeschossig und unser Zimmer lag im zweiten Stock. Es gab nur rund zwanzig Zimmer… aber wir fanden unser Zimmer nicht. Treppe rauf, Treppe runter. Kleiner Gang, dann eine Tür, ein Balkon, eine Tür, eine Treppe, hoch, runter, ein Gang, waren wir hier schon mal? Nein, andere Zimmernummern. Weiter. Steile Holztreppen, die parallel zueinander verlaufen, Spiegel am Ende des Ganges. M.C. Escher hätte seine Freude gehabt. Wir haben dann im Hof …

Nein, schließlich fanden wir das Zimmer, eingerichtet mit so einer leicht angenagten Eleganz. Das Telefon aus Porzellan. Die Klimaanlage aus… nein, einfach aus. Hinter dem plüschigen Bett ein Band, das von der Decke hing, ich kannte das von meiner Großmutter. Sie zog daran, dann erlosch die Schlafzimmerlampe. Sehr schlau, sie brauchte nicht im Dunklen ins Bett zu gehen und nicht aufstehen, um das Licht auszumachen. Nur war in unserem Hotelzimmer keine Deckenleuchte. Ich habe das Band natürlich ausprobiert.

Aufs Bett gelegt,am Band gezogen. Prompt ging die Sonne unter.

Die Reifenprüfung

Wir waren mit dem Fahrrad unterwegs.

Zunächst auf dem Bratesel durch den Hochsommer, dann wassertretend durch die niederländischen Polder.

Eine Woche lang. Leben auf dem Sattel und aus der Satteltasche. Da gab es keinen Spielraum für Ballast. Verfahrene Situationen wurden mit der Landkarte geklärt und brennende Probleme abends eingecremt. Der Kopf war gut genug, um ihn in den Gegenwind zu halten.

Jetzt muss ich wieder selber Wind machen.