Viel versprechend

Von János Korom Dr. from Wien, Austria – 2013 Wien 0351a, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=31440938

Er hatte ein neues Buch zu lesen begonnen, einen Autor, von dem er dachte, er könne so interessant sein, dass es sich lohnen würde, auch seine weiteren Bücher zu lese. Das enthöbe ihn nämlich der Mühe, in weihnachtlich vollen Buchhandlungen zwischen Hunderten von Büchern eine mehr oder weniger willkürliche Auswahl zu treffen und doch wieder eine literarische Enttäuschung zu erleben, obwohl er sich doch nach Klappentexten und Rezensionen richtete, ja viele Bücher und besonders CDs nur wegen der Kritiken gekauft hatte, nicht einmal in der Erwartung, dass seine Neuerwerbungen den Versprechungen der Kritik auch tatsächlich genügen könnten, nein, einfach deshalb, weil er den Stil eines Kritikers so mochte.

Jetzt, wo er darüber nachdachte, fiel ihm auch ein, dass das auch für das Kino galt. Wenn früher Lutz Gräfe, der Kinokritiker von WDR 5, einen Film in seiner lakonischen Art besprach, die immer etwas an Robert de Niro erinnerte, wenn er von Christian Brückner synchronisiert wurde, dann konnte er den Empfehlungen kaum widerstehen, Weiterlesen

Ein Subkontinent als Filmstar

Mittwochabend. Kino in Warendorf. Der Film läuft schon seit einer Woche. Vermutlich hat man im kleinen Kino schon nicht mehr geglaubt, dass noch jemand den Film sehen will. Wir sind zunächst allein in dem Saal, in dem vorn neben der Leinwand ein großer alter Projektor steht. Ja, die gute alte Zeit, in der noch die Wochenschau vor dem Hauptfilm die Funktion einer Nachrichtensendung übernahm, weil es sonst keine bewegten Bilder zu sehen gab. Wochenschaubilder sind auch Teil des Hauptfilms: Der Stern von Indien. Die guten alten Zeiten waren nicht nur bei uns nicht gut, sie waren es auch in Indien nicht. Wieder bin ich überrascht von meiner eigenen Ahnungslosigkeit. Klar, Indien war mal britische Kolonie. Gandhi, Nehru… ja, erkenne ich an der Kleidung.

Der Film beginnt mit einem Satz: Die Sieger schreiben die Geschichte. Die Regisseurin Gurinder Chadha hat sich ganz offensichtlich das Ziel gesetzt, diese Geschichtsschreibung, in dem Fall die britische Lesart der indisch-pakistanischen Geschichte, zu ergänzen, zu korrigieren. Ich verrate nicht zu viel, wenn ich hier erzähle, dass am Ende des Films zwei Staaten entstanden sind: Indien und Pakistan.

Wie dramatisch diese Teilung abläuft, welche Folgen das für Millionen von Menschen hat, das zeigt der Film sehr eindrucksvoll, ohne zu einem Kriegsfilm, einem Katastrophenfilm zu werden. Wochenschaubilder aus dem Jahre 1947, schwarzweiß, zeigen die Zerstörungen und Weiterlesen

Schwarzweißfilm

By NASA; restored by Adam Cuerden [Public domain], via Wikimedia Commons

Nach dem zweiten Weltkrieg brach ein neuer Konflikt zwischen den Guten und den Bösen aus, der unter der Bezeichnung kalter Krieg läuft. In den späten fünfziger, frühen sechziger Jahren konkurrierten die UdSSR und die USA nicht nur um die Weltherrschaft, sondern auch um die Vorherrschaft im Weltraum. Die „Russen“ legten mit dem Sputnik und Laika, später dem Kosmonauten Juri Gagarin vor. Die Amerikaner mussten, einerseits weil sie sich aus dem All bedroht fühlten und andererseits aus Prestigegründen, so schnell wie möglich nachziehen und dann in Führung gehen.

Computer wurden nach 1945 wichtiger, waren allerdings noch hochsensible Röhrengeräte mit einem enormen Platzbedarf. Für den Einsatz in den Raumkapseln waren sie völlig ungeeignet, zunächst wurde die Zuverlässigkeit ihrer Berechnungen auch in Frage gestellt. Es brauchte menschliche Arbeitskraft, menschliche Intelligenz, um komplizierte Berechnungen durchzuführen. Es fanden sich Menschen, die genau die gesuchten Qualifikationen besaßen, die ihren Job erfolgreich erledigten, die Amerikaner brachten Menschen ins All und auf den Mond. Ende gut, alles gut. Weiterlesen

Gute Karten, schlechte Karten

von B. P. Schulberg Productions, Preferred Pictures (The New Zealand Film Archive) [Public domain], via Wikimedia Commons

„In welchen Film wollen wir denn?“ frage ich so in den Raum hinein.

Blöde Frage, denn natürlich weiß ich, in welchen Film wir wollen – nur nicht, wie er heißt. Und bei uns in der Kleinstadt werden zwar außen in den Glaskästen die Plakate der Filme ausgehängt, aber am Kassenhäuschen steht nichts, nur der Preis. Und manchmal der Zuschlag für Überlänge. Natürlich auch die Preise für die Erfrischungsgetränke und das Popcorn.

„Hidden Figures“ sagt der Mann im Kassenhäuschen.

Nein, es ist nicht so einfach, wie man jetzt denken könnte, es läuft nicht nur ein Film. Wir haben hier nämlich ein Kino mit zwei Sälen. Also Räumen eher. Das muss man schon wissen, um meine Verblüffung zu verstehen. Sieht man mir oder uns schon an, in welchen Film wir wollen – oder in welchen wir definitiv nicht gehören? Weiterlesen

Im Kino mit Paula

Vielleicht sollte man sich meine Meinung zu Kinofilmen einfach schenken. Offenbar, nein, ganz sicher gehöre ich nicht zur relevanten Zielgruppe. Das wird mir jedes Mal schmerzhaft bewusst, wenn ich den Werbeblock vor dem Hauptfilm sehe. Ich bin gern pünktlich, anders gesagt, ich hasse es, unpünktlich zu sein, deshalb sitze ich auch brav auf meinen Platz, wenn das Licht ausgeht und die ersten eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen über die Leinwand, nein, nicht flackern oder flimmern, alles voll digital, rattenscharf.

Hey, denke ich, aber da wird aus dem ruhigen Blick auf eine faszinierende Hügellandschaft auch schon eine laute, schnell geschnittene Action-Szene. The Great Wall, wieder einmal geht es um das Schicksal der ganzen Menschheit, darunter tut es kaum noch jemand. Dann La La Land, bonbonfarbene gute Laune. Tut mir leid, aber aufwändige Musicalfilme im Kino sind ein sicherer Indikator für richtig miese Zeiten, Weltkriege oder so. Dann beginnt Paula – Mein Leben soll ein Fest sein. Es geht um Paula Modersohn-Becker. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich noch über Otto Modersohn geschrieben, einen soliden Landschaftsmaler, Weiterlesen

Vor der Morgenröte

Wir waren im Kino. Im Schloßtheater in Münster. Das schreibt sich noch mit ‚ß“, im Unterschied zum Schlossplatz, aber der heißt auch noch nicht so lange Schlossplatz. Obwohl das Schloss da schon seit 1787 steht, das Schloßtheater hingegen gibt es erst seit 1953. Es steht auch nicht am Schlossplatz. Das ist, wegen der vertrackten Schreibweisen, wohl auch besser so.

1942, gerade einmal elf Jahre zuvor, hatte sich Stefan Zweig in Brasilien das Leben genommen. 11 Jahre, was sind schon elf Jahre? 2005. Was war da? Das Arbeitslosengeld II wurde eingeführt, Angela Merkel Bundeskanzlerin. 2005 erst? Und Hans Dieter Hüsch starb. Immer ist irgendwas. Und immer ist es gerade am schlimmsten. Jedenfalls erleben wir es so. Wie verhält man sich zu den herrschenden Verhältnissen? Was kann man tun, was muss man tun, müsste man tun? Weiterlesen

Leicht daneben

Experimente

Frau Grütters, unser aller Kulturstaatsministerin und Repräsentantin einer Partei, die einst unter ihrem unvergessenen Kanzler, an dessen Namen ich mich gerade nicht erinnern will, den Bundestagswahlkampf mit dem Slogan „Keine Experimente“ führte, fordert im Spiegelinterview von der deutschen Filmbranche das künstlerische Experiment und kritisiert die handwerklich gut gemacht Unterhaltungsware, die von Regisseuren wie Schweiger, Schweighöfer und anderen produziert werde.

Vermutlich hat sie recht, ich sehe mir diese deutschen Komödien schon lange nicht mehr an, aber nicht, weil es sich dabei um gekonnte Unterhaltung handelt, sondern weil sie ruhig etwas gekonnter sein dürfte.

Frau Grütters bastelt mit ihrer Kritik an dem guten alten deutschen Glauben, Kunst und Kultur müssten ernst und schwer sein und alles, was uns lachen, singen und tanzen macht, sei per Definition schon mal B-Ware. In diesem Sinne lache ich dann mal kurz über Frau Grütters.