Abgerockt

Von Tetragrammaton Records – itemfrontback, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=57174374

Manchmal, sehr selten, lag er nachts wach und dachte, was man dann so denkt. Krankheit, Tod, den Garten, das Gewicht und ob eigentlich noch Eier da waren. Er legte sich auf die linke Seite, obwohl er wusste, dass er auf der Seite nie einschlafen konnte und drehte sich dann auch prompt wieder auf die rechte Seite. Die funktionierte aber auch nicht. Es war zu laut. Stadtfest oder Hengstparade, Kirmes oder Karneval, egal, zu laut. Vielleicht auch nur eine Grillparty.

Partys waren früher auch besser gewesen. Nettere Leute und bessere Musik. Okay, manches hatte sich im Laufe der Jahre als ziemlicher Schrott  entpuppt, aber Deep Purple in Rock mochte er immer noch. Nahm er jedenfalls an, denn er besaß die Platte nicht mehr. Verliehen. 1970 bekommen und 1970 verliehen. An Gisbert. Ausgerechnet an Gisbert, der damals schon voll auf Droge war und noch die Hutnadel seiner Oma für ein paar Gramm roten Libanesen vertickt hätte. Von Anne. Nicht den roten Libanesen, die Platte hatte er damals von Anne geschenkt bekommen. In Groningen, an diesem Weiterlesen

Oudeschans

Foto: Elfie Voita

Foto: Elfie Voita

„Steine auslegen“ sagte ein Freund und meinte damit, dass er sich kleinere oder größere Highlights für die nächste Zukunft organisiert, die ihm dabei helfen, die Alltagsroutinen durchzuhalten. Ein schönes Bild! Für das Wochenende hatten wir einen solchen Stein ausgelegt: Oudeschans. Muss man nicht kennen. 100 Einwohner, in den nordöstlichen Niederlanden gelegen, ganz nah an der deutschen Grenze. Wir waren keineswegs die ersten Münsterländer, die sich auf den Weg nach Oudeschans machten, wie wir vor Ort feststellen konnten.

„Bommen Berend“, wie der Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen in den Niederlanden genannt wurde, führte im 17. Jahrhundert intensive militärische Auseinandersetzungen mit dem calvinistischen Erzfeind und die Groninger wussten sich letztlich keinen anderen Rat, als große Landesteile zu fluten. Erfolgreich. Heute kommen Touristen, um sich die mehr oder weniger symbolisch wieder hergestellten Festungsanlagen anzuschauen, Groninger Mosterdsoep Weiterlesen

Ain’t she sweet

"2006-07-15 15.00 Oldenzaal, kerk" by Michielverbeek - Eigen werk. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2006-07-15_15.00_Oldenzaal,_kerk.JPG#/media/File:2006-07-15_15.00_Oldenzaal,_kerk.JPG

„2006-07-15 15.00 Oldenzaal, kerk“ by Michielverbeek – Eigen werk. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org

ist überhaupt nicht von den Beatles. Bereits 1927 wurde das von Milton Ager (Musik) und Jack Yellen (Text) geschriebene Stück von Lou Gold & His Melody Men – wer erinnerte sich nicht an sie? – veröffentlicht. Friedel Hensch und die Cyprys, klar, die kennt der wahre Musikliebhaber, zumindest ihren ‚Mond von Wanne-Eickel‘, einen Kracher aus dem Jahre 1962. Kurz vorher, 1961, spielten die Beatles, damals noch mit Pete Best am Schlagzeug, Ain’t she sweet irgendwo in Hamburg ein. Ein Stück übrigens, das mir nie besonders gefallen hat.

Womit ich nicht gesagt haben möchte, dass der Mond von Wanne-Eickel mir besser gefallen hätte. Obwohl: Als Jimi Hendrix 1970 auf Fehmarn spielte, da wurde in Leer, dem Ort meiner Jugend, den ich damals schon nicht mehr als den Ort meiner Verbannung wahrnahm, gemunkelt, Friedel Hensch und die Cyprys kämen zu einem Festival in einen Nachbarort. Stimmte aber nicht. Nur Billy Mo kam.

Gestern habe ich mich aber über Ain’t she sweet gefreut. In Oldenzaal. Muss man nicht kennen, ebenso wenig wie Ain’t she sweet. Wir waren da, weil wir… aber das führte hier zu weit. Jedenfalls hörte ich in der Fußgängerzone ein Glockenspiel, das ich natürlich sofort als Carillon identifizierte. Gibt es häufiger, in den Niederlanden allerdings besonders häufig. Manchmal spielt jemand live, oben im Glockenturm. Beiaard heißt dieses Instrument in den Niederlanden und der dazugehörige Musiker ist der beiaardier.

Beim Carillon hat das Wort Anschlag übrigens noch seine wahre Bedeutung, denn der Musiker schlägt mit der Faust zu, bei youtube ist das schön zu sehen. Es ist wohl nicht notwendig, dass ich erwähne, was da gespielt wurde. In Münster ist es immer so was wie ‚Üb immer Treu und Redlichkeit‘. Glaube ich jedenfalls. Und in Holland spielen sie eben von prächtigen alten Kirchtürmen Rock’n Roll. Vom Martinitoren in Groningen habe ich schon Lou Reed’s ‚It’s a perfect day‘ gehört. Ich musste stehen bleiben und mich vergewissern, dass es wirklich Lou Reed war. Jetzt warte ich noch auf ‚Highway to hell‘. Wo sonst wüsste man den Weg besser?

GUT AUSGEGANGEN

1968_Jimi_Hendrix_Experience

Nur die Anschläge der Tastatur oder das Blättern der Seiten: Was für ein beschränktes Medium die Sprache, zumal die geschriebene, doch ist, was alles nicht möglich ist. Jimi Hendrix elektrische Gitarre, die gehört zum Soundtrack… Laut, sehr laut, nur dreißig Sekunden, dann langsam ausgeblendet, leiser, nur noch im Hintergrund… Hey hey Joe… können Sie mich jetzt hören?

Sehen Sie mich? Ein echtes Kunststück… nein, nicht ich, sondern Ihr Versuch, mich zu sehen, damals, Ende der sechziger Jahre,

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Jede Menge Sterne

Ich habe schon erwähnt, dass wir in Urlaub waren. Manche mögen es komfortabel, wenn sie in die Fremde aufbrechen, aber dann will ich anschließend nicht wieder nach Hause. Andere mögen es spartanisch, aber dann kann ich ja gleich zuhause bleiben.

Manche wollen sehr weit weg, das dauert mir aber zu lange und dann ist da auch alles so fremd. Andere wollen lieber in der Nähe bleiben, aber wozu dann überhaupt wegfahren?

Habe ich schon erwähnt, dass ich es nicht so mit Bergen habe? Also in Leer, einer wunderschönen Stadt in Ostfriesland, ist der Plytenberg die höchste Erhebung: stolze neun Meter! Ich habe dort gelebt, nein, nicht auf dem Plytenberg, sondern in Leer – und der macht wirklich was her, weil alles andere flach ist. Flachland halt. Neun Meter sind okay.

Hitze vertrage ich nicht.

Ich kriege schon einen Sonnenbrand, während ich die Flasche mit dem Lichtschutzfaktor 100 nicht aufbekomme. Dieser Lichtschutzfaktor reicht für meine Frau bei einmaligen Einreiben für den ganzen Sommer, für mich für eine Viertelstunde, aber nur, wenn ich das Haus nicht verlasse. Okay, das war übertrieben. Es reicht für eine halbe Stunde. Kälte? Wintersport? Nicht mal im Fernsehen. Es reicht mir, wenn man mir von Schnee erzählt. Ich muss nicht jede Erfahrung machen. Schließlich habe ich Phantasie, wenn nicht inhaltlich, dann doch wenigstens bei der Rechtschreibung.

Am Strand bin ich schon gern, nur der Sand… überall Sand, zwischen den Zehen und zwischen den Zeilen. Also Lesen geht nicht gut, vor allem auch wegen der von der Sonnenmilch klebrigen und dann auch noch sandigen Finger: Ich hasse es, wenn meine Bücher schmuddelig werden, Eselsohren kriegen, Risse im Umschlag.

Wir sind trotzdem verreist. Mit dem Auto, dann mit dem Fahrrad und – wie auch schon mal geschildert – mit ganz wenig Gepäck. Ich hatte schon erwogen, mir in jeder Stadt ein Buch zu kaufen. Nein, das war nicht ganz richtig formuliert. Ein- und dasselbe Buch in jeder Stadt, dann muss ich es nicht in der Satteltasche als Ballast rumschleppen und versaue es nicht, kann aber jeden Abend drin lesen. Ich hab mich dann nicht getraut, ich fahr ja nicht allein.

Zelten haben wir aufgegeben, es würde zu weit führen, das jetzt zu erklären, aber es gibt Hotels, die muss man gesehen, die muss man erlebt haben. Das eigentliche Gästehaus war dreigeschossig und unser Zimmer lag im zweiten Stock. Es gab nur rund zwanzig Zimmer… aber wir fanden unser Zimmer nicht. Treppe rauf, Treppe runter. Kleiner Gang, dann eine Tür, ein Balkon, eine Tür, eine Treppe, hoch, runter, ein Gang, waren wir hier schon mal? Nein, andere Zimmernummern. Weiter. Steile Holztreppen, die parallel zueinander verlaufen, Spiegel am Ende des Ganges. M.C. Escher hätte seine Freude gehabt. Wir haben dann im Hof …

Nein, schließlich fanden wir das Zimmer, eingerichtet mit so einer leicht angenagten Eleganz. Das Telefon aus Porzellan. Die Klimaanlage aus… nein, einfach aus. Hinter dem plüschigen Bett ein Band, das von der Decke hing, ich kannte das von meiner Großmutter. Sie zog daran, dann erlosch die Schlafzimmerlampe. Sehr schlau, sie brauchte nicht im Dunklen ins Bett zu gehen und nicht aufstehen, um das Licht auszumachen. Nur war in unserem Hotelzimmer keine Deckenleuchte. Ich habe das Band natürlich ausprobiert.

Aufs Bett gelegt,am Band gezogen. Prompt ging die Sonne unter.

Fietsen

Mein nächstes Projekt hat zunächst einmal nichts mit Texten zu tun, aber das weiß man ja eigentlich immer erst hinterher – und wann genau hinterher ist, weiß man auch erst, wenn es dann doch zu einem Text wurde. Vielleicht aber auch nicht, weil man sich nicht mehr daran erinnert. Bevor das hier ausufert: Es geht um meinen Urlaub. Um unseren Urlaub natürlich.

Wir haben den Fahrradurlaub für uns entdeckt. Ein paar hundert Kilometer fahren wir vorher schon mit dem Auto, bevor wir dann auf unsere Räder steigen. Sonst könnte man ja denken, dass wir uns eine richtige Reise nicht leisten können.

Diesmal radeln wir in Ostfriesland und den angrenzenden Niederlanden, also der Region zwischen Winschoten und Groningen auf der niederländischen Seite und Leer, Aurich, Norden und Emden einschließlich der Krummhörn auf der deutschen Seite. Wer meinen Blog kennt, weiß, dass wir die Niederlande sehr mögen. Ein wenig kennen wir uns da schon aus, trotzdem sind wir immer dankbar für gute Tipps

In jener fernen Vergangenheit, in der deutsche und niederländische Fußballer sich noch bespuckten und die Geschäfte samstags noch um 13:00 Uhr schlossen, habe ich mal Niederländisch gelernt. Leider sehen die Niederländer das nicht ein. Also spreche ich nicht mit ihnen – oder wenn, dann halt auf Deutsch. Dafür höre ich dann heimlich hin, wenn sie sich auf Niederländisch über uns lustig machen, damit sind wir quitt.

Aber in der Folge meiner Bemühungen um die niederländische Sprache und Kultur habe ich es zu schätzen gelernt, niederländische Autoren im Original zu lesen – und es gibt einige, bei denen sich das lohnt. Um die zu hören, wäre es vermutlich klüger, einfach zuhause zu bleiben, denn früher oder später lesen sie im niederländischen Seminar der Uni Münster. Maarten ’t Hart, Geert Mak und Thomas Rosenboom – um nur einige zu nennen, die in Münster lasen – haben es ja auch in die deutschen Buchhandlungen geschafft.

Also werden wir in Groningen oder wo auch immer wir eine Buchhandlung finden… daran vorbei gehen, weil wir nämlich keinen Platz für Ballast haben (ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal über Bücher sagen würde.) Folglich werden wir ins Museum gehen, da kann man gucken, darf aber nichts mitnehmen. Ich kann nämlich in einer Buchhandlung nicht Bücher gucken gehen, man geht doch auch nicht zum Bäcker, um sich dort Brote anzusehen. Jedenfalls nicht zu einem holländischen Bäcker.