Teil 2
„Und du? Bist du eine Mädchen oder so?“ äffte der kleine Bursche ihren Tonfall nach.
Benni knurrte.
„Ja. Ist ja schon gut. Ich bin hier der Waldmeister. Llanfairpwllgwyngyll, aber du darfst Willi zu mir sagen, Lina.“
„Dieses Lalafair, bedeutet das was?“ fragte sie
Willi schüttelte den Kopf. „In der Schule haben sie mir gesagt, es bedeutet „Blöder Zwerg, dessen doofe Eltern ihn nach einem Dorf in Wales genannt haben“. Aber das glaube ich nicht. Und Willi bedeutet… eben Willi.“
„Puh“, Lina seufzte und Benni sah auch erleichtert aus.
„Ich heiße Lina und das ist Benni.“
„Der Hund muss an die Leine und dass du Lina bist, das weiß ich doch längst.“
Willi war ganz schön streng. Quengelig, hätte Mama gesagt.
„Ich darf überhaupt nicht mit dir reden“, stellte Lina entschieden fest.
„Aber Puh sagen, wenn ich mich vorstelle! Und wie willst du deinen doofen Baum finden? Ohne meine Hilfe?“
Willi drehte sich um und… war verschwunden.
„Willi!“ Jetzt, ohne den komischen Kerl, fühlte Lina sich plötzlich ziemlich allein im Wald. Aber da war er auch schon wieder und grinste.
„Umsonst gibt’s hier aber nichts. Dass das schon mal klar ist.“
Lina zückte ihr pinkes Portemonnaie.
„Geld?“ Willi sprang einen Schritt zurück. „Komm mir bloß nicht damit.“ Er schien einen Moment lang nachzudenken, dann leuchteten die Gläser seiner Sonnenbrille kurz auf.
„Ein Gedicht!“
„Sowas wie ‚Lieber, guter Weihnachtsmann, zieh die langen Stiefel an‘?“
„Ja. Aber rückwärts.“
„Na…“ sagte Lina und das stimmte natürlich, war aber ein bisschen kurz.
„Du kannst auch einfach rückwärtsgehen und das Gedicht vorwärts aufsagen.“
Schon bei „Weihnachtsmann“ lag Lina lang im Schnee.
„Super!“ sagte Willi und klatschte vor Freude in die kleinen dicken Hände.
„Das ist aber nicht nett!“ Lina setzte sich im Schnee auf und streckte die Hand aus, um sich hochziehen zu lassen. Willi zögerte einen Moment, aber dann half er ihr hoch.
Überrascht blickte Lina auf ihre Hand, das war ja seltsam gewesen. Eine Wärme und eine Kraft hatte sie gespürt und plötzlich war ihr der Wald auch überhaupt nicht mehr dunkel vorgekommen. Willi zwinkerte ihr zu, drehte sich um und stapfte los. „Da lang!“
Es war eigenartig mit Willi, denn sogar, wenn der Weg geradeaus führte, kannte Willi noch eine Abkürzung und so schien nur ein Augenblick vergangen zu sein, als sie auf dem kleinen Hügel standen. Hinter ihnen lag der grüne und graue, braune und ziemlich schäbige Wald, aber was da vor ihnen lag, das war… also sowas hatte Lina überhaupt noch nicht gesehen. Es blitzte und glänzte und funkelte so, dass in der Luft über diesem Wald ein kleines, lautloses Feuerwerk stattzufinden schien und Lina war so fasziniert, dass sie nicht gleich bemerkte, dass sie vor dem Nadelwald stand, vor einem metallisch glänzenden Wald mit starren spitzen Nadeln, so dicht wie Tannennadeln und so schrecklich spitz und scharf wie die feinen Nadeln, mit denen Mama zu lange Hosenbeine absteckte. Und erst jetzt, als sie das entdeckt hatte, bemerkte sie auch, dass diese gruseligen Nadeln kleine Schmetterlinge und Käfer, sogar Vögel und andere Tiere aufgespießt hatten. Dieser Nadelwald war rechts und links und vor ihr und schien überhaupt kein Ende zu nehmen. Benni, der, wie Hunde das so machen, ein wenig vorgelaufen war, kam jaulend zurück und Lina sah, dass er einen kleinen Blutstropfen an der Nase hatte.
„Ich glaube, ich hatte die Leinenpflicht erwähnt.“ Willi betrachtete den Hund Weiterlesen