Zwei Filme

Zwei Filme

Wir waren im Kino. Zweimal. Ein Mann ist tot, vielleicht ermordet, vielleicht ein Unfall, möglicherweise ein Selbstmord. Ein Mann geht zur Arbeit. Jeden Morgen. Der eine ist Professor für Literatur, nehme ich an und Franzose, der andere ist Japaner und putzt Klos. Der eine ist verheiratet und hat einen Sohn, oder besser: war verheiratet und hatte einen Sohn, denn er ist ja tot. Der andere hat eine Nichte und eine Schwester und einen Vater.

Der tote Professor wäre gern etwas gewesen, was er vielleicht nicht sein konnte, ein Schriftsteller nämlich. Der lebende japanische Toilettenmann ist offenbar ganz glücklich mit dem, was er tut. Vielleicht, weil er es so tut, wie ich mir das von Japanern vorstelle, die ganz im Hier und Jetzt sind. Alles, was ich über Japan weiß, weiß ich von Haruki Murakami. Also nicht persönlich. Obwohl: Wenn ein Autor eine Geschichte schreibt und ich die lese, dann weiß ich das doch von ihm persönlich, oder?

Gilt das auch, wenn ich eine Übersetzung lese? Das ist ein Thema des Romans, den ich gerade lese, der nichts mit Japan zu tun hat und der Babel heißt und von R. F. Kuang geschrieben wurde. Frau Kuang ist eine in China geborene Amerikanerin und nein, Asiaten sind nicht alle gleich. Nehme ich an. Ich weiß, wie gesagt, nichts über Asiaten, was mir nicht Haruki Murakami erzählt hat und der erfindet immer ganz viel dazu.

Tampopo kenne ich natürlich auch. Diesen Film über Nudelsuppe. Und deshalb denke ich, dass Japaner, wenn sie Nudelsuppe kochen oder Klos putzen, eben nichts anderes tun als das und dann ist es richtig, das, was man da gerade tut, so gut man es kann zu erledigen, weil man gerade eben nichts anderes macht und dann macht man, was man macht, mit aller Konzentration und Hingabe und macht es deshalb auch irgendwann gut. Sehr gut sogar. Ob man nun Nudelsuppe kocht oder Klos putzt.

Wenn man schreiben will und das nicht mit voller Konzentration tut und deshalb nicht so gut, wie man das tun könnte, dann wird daraus nichts, das wäre die Lehre, die man ziehen könnte, wenn man beide Filme sehen sollte. Aber das war natürlich nicht die Intention der Regisseure.

Der eine war übrigens Wim Wenders, der aus Düsseldorf kommt und dort kann man sehr gut Ramen essen. Jetzt wollte ich gerade sagen, dass ich über Ramen nichts weiß, außer was mir Haruki…, aber das hätte nicht gestimmt, weil ich zwar noch nie Ramen gegessen habe, dafür aber Tampopo gesehen habe und die Nudelsuppe, die dort gekocht wird, das ist natürlich Ramen oder die heißt Ramen oder wie man das jetzt richtig sagt.

Die Frau des Professors ißt in einer wichtigen Szene des Films auch Nudeln und sie findet die sehr lecker, obwohl das zu dem Moment überhaupt nicht passt, aber es ist schön, wenn Menschen zu schätzen wissen, was man ihnen gekocht hat, ansonsten ist sie Schriftstellerin und erfolgreich, weil sie ihr Schreiben allem anderen vorzieht, auch dem Professor und vielleicht sogar ihrem Sohn. Deshalb ist sie verdächtig, sie ist aber auch Sandra Hüller, also Sandra Hüller spielt eine deutsche Autorin in diesem französischen Film, in dem niemand richtig sympathisch ist, aber dafür ist er trotzdem spannend.

Doch, der Hund, der ist nett, aber der hat komische Augen, während der Sohn blind ist und auch irgendwie komische Augen hat. Der Sohn ist aber auch auf seine Art komisch. Und 11 ist er und man fragt sich, warum er dem gesamten Prozess beiwohnen darf, obwohl er doch ein wichtiger Zeuge ist und ziemlich minderjährig. Aber ich weiß ja nichts über die französische Justiz und den Jugendschutz in Frankreich.

Aber ich wette, dass Klos in Frankreich nicht so sauber sind wie die in Tokyo. Also die in Deutschland auch nicht, aber die in Frankreich, die kenne ich. Junge, Junge, falls die noch so sind…Obwohl, das ist jetzt auch schon eine Weile her.

Der Japaner liest übrigens viel, er schreibt nicht, aber das gleicht sich dann ja auch aus, wenn in dem einen Film lauter Schriftsteller auftauchen, muss in dem anderen eben mehr gelesen werden. Musik ist dem Japaner auch wichtiger, aber westliche Popmusik, die gut abgehangen ist, also Siebziger bis Neunziger so etwa.

Murakami macht das auch gern, also Musik in seinen Roman aufrufen. Er kann sie ja nicht spielen, aber wenn er die Titel nennt, kann man sich ja schon mal die Mühe machen, die Musik dazu auch zu hören. Es ist schön, wenn das Buch einen Soundtrack hat, auch wenn er den Hintergrund für etwas liefert, dass man nicht so gut versteht, auch wenn man vieleicht denkt, dass man es verstehen würde. Aber ich verstehe natürlich den Japaner nicht so gut, der sein Leben dem Putzen widmet, weil ich nicht so gern putze und lieber schreibe.

Den Franzosen, der gern schreibt, aber nicht dazu kommt, weil er putzen muss, vielleicht auch das Klo putzen muss, weil seine Frau das nicht tut, die in der Zeit lieber ihren nächsten Roman schreibt, den kann ich verstehen. Obwohl der eigentlich Französisch spricht und das spreche ich genauso wenig  wie Japanisch.

Den Japaner erschüttert es, dass seine Emotionen, die er so sorgfältig durch einen gleichförmigen Tagesablauf geglättet hat, von einer Frau oder besser von deren todkrankem Exmann geweckt werden. Den Professor erschüttert nichts mehr, aber seine Frau und sein Sohn müssen für sich klären, wie und warum etwas geschehen ist, das nicht hätte geschehen müssen, wenn Menschen ihre Emotionen ordentlich geglättet hätten und das, was sie machen, eben mit aller Hingabe machen würden. Hausaufgaben mit einem Kind oder Kochen für eine Familie.

Einen Roman zu schreiben ist auch Arbeit, einen Roman zu lesen aber auch. Und Putzen und Kochen. Ob das eine besser ist als das andere und warum wir das vielleicht so sehen und das auch sehr unterschiedlich schätzen und bezahlen, das hat etwas mit der Kultur zu tun.

Was nicht ganz stimmt, denn auch die Japaner schätzen den Schriftsteller mehr, also Murakami zum Beispiel und den Klomann nicht so sehr. Aber ich denke zumindest von ihnen, dass sie etwas richtig gut machen können, auch wenn es gesellschaftlich nicht so hoch geschätzt wird, weil alles wert ist, richtig gemacht zu werden.  Bei dem französischen Film sind es dramatische Momente, die uns mitnehmen, in dem japanischen ist es der ruhige Fluss der Erzählung,  in dem auch das Drama zum Alltag gehört und höflich zur Kenntnis genommen wird.

Also mir hat der japanische Film besser gefallen, aber von Filmen verstehe ich auch nichts. Und wie man eine ordentliche Filmkritik schreibt, lerne ich auch nicht mehr. Ach so: Perfect days hieß der eine Film und Anatomie eines Falles der andere.

Das Dröhnen der Schädel*

Das Dröhnen der Schädel*

Hören Sie mir doch auf mit Zufall! Das kann doch kein Zufall sein. Das ist Absicht. Böse Absicht! Und kommen Sie mir jetzt nicht wieder mit der Synchronizität, davon wird mir schwindlig.

Ich wache morgens auf, mit Kopfschmerzen, jede einzelne graue Zelle spür ich, also zwei Aspirin und dann nichts wie raus – und was ist? Da schlägt mir eine lauwarme… na, nennen wir es Luft, mir fällt so schnell nichts Treffenderes ein, entgegen, abgestanden, als hätte sie jahrelang Dienst in einer Turnhalle getan. Keine frische Brise, die mir den Schädel durchpustet, nein. Natürlich nicht.

Woher die Kopfschmerzen kommen? Was geht Sie das an?

Und außerdem: Wenn ich schon selbst dran schuld bin und ein wenig Strafe verdient habe – ist es dann nicht merkwürdig, dass ich sie prompt auch kriege? Da läuft was, eine galaktische Verschwörung, ich sag’s Ihnen. Und Taylor Swift hängt da auch mit drin. Wie, das weiß ich noch nicht. Noch nicht.

*Das Schweigen der Lämmer wäre mir lieber gewesen!

Eine mehr als flüchtige Bekanntschaft

Eine mehr als flüchtige Bekanntschaft

Ein geflügelter Aal als Stadtwappen. Das bei einer Stadt, die, wie mir scheint, mehr irdische Schwere hat, als gut für sie ist, einer Stadt, die manchmal im Boden zu versinken scheint und wenn man genauer hinschaut, vielleicht auch gute Gründe dafür hätte. In Ahlen gab es mal Bergbau, erst Strontianit, dann Steinkohle. Strontianit* – ja, ich musste auch nachschauen, was das ist und wofür das gut war – ist nach rund 125 Jahren vergessen. Ob das mit der Steinkohle auch mal so sein wird? Ahlen zeigt uns exemplarisch, dass es viel zu vergessen gab und gibt und dass wir uns gern an die Helden und weniger gern an die Schurken erinnern.

Zu den Helden gehört für mich Paul Rosenbaum, der Ahlen 1945 kampflos den Amerikanern übergab. Ein großer Platz, wenn auch nicht gerade im Zentrum der Stadt, erinnert an den Mann. Für ihn mache ich mal eine Ausnahme und akzeptiere, dass Straßen und Plätze nach Menschen benannt werden, die sich bei näherer Betrachtung oft genug als unwürdig erweisen, jedenfalls als unwürdiger als ein Gänseblümchen oder ein Knollenblätterpilz. Eine öffentliche Namensziehung wäre für mich gerade noch okay, da käme ein deutlich kleinerer Teil von zweifelhaften Gestalten zu unverdienten Ehren.

Die Namen der Schurken kenne ich nicht, aber ich habe mir auch nicht die Mühe gemacht, in den Archiven nach denen zu suchen, die in Ahlen Hexen und Wehrwölfe foltern und verbrennen ließen.

Gleich denke ich, dass auch unter den Schurken sicher verängstigte Bürger waren, die nur das Beste für ihre Stadt wollten, die nur die geständigen Monster gerecht bestraft sehen wollten. Menschen, die eigentlich zu den Guten zu zählen wären, oder „… ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“, wie Goethe das den Mephisto im Faust sagen lässt. Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft, so wird ein Schuh draus. 

Ich merke gerade, ich muss noch lange schreiben, ich bin noch nicht mal mit den Schurken der Vergangenheit durch, bei denen der Gegenwart werde ich dann wohl spuken müssen. Und nein, ich kann nicht einfach ein paar hundert Jahre Grausamkeit und Ungerechtigkeit überspringen, das macht meine Tastatur nicht mit.

Doch zum Ahlen der Gegenwart will ich dann doch noch kommen. Ich habe da lange gearbeitet, in der Nähe des Paul-Rosenbaum-Platzes, da, wo es die türkischen Geschäfte gibt, die Moschee, die Handyläden und die Wettbüros, aber auch die Kirmes, da, wo mein alter Chef gelebt hat, wo es bunt und lebhaft war, ganz anders als in der Innenstadt, die so aussieht, als hätte der Bergbau gestern zugemacht und alle Beteiligten seien sofort abgereist. Sind sie nicht, sie waren nur bei dem Mistwetter nicht auf den Straßen und es war Donnerstag, wer muss da schon in die Stadt, wenn die Läden sowieso zu sind und nie wieder aufmachen.

Puh, so schlimm ist Ahlen auch wieder nicht. Es gibt schöne Ecken, Kultur und Sport und nette Leute, ich weiß das, wie gesagt, ich habe da gearbeitet und mein Freund Rainer kommt daher und die Stadt, nein, nicht die Stadt, die Menschen haben gelitten unter den Folgen des Krieges, für den sie auch nicht mehr konnten als zum Beispiel die Warendorfer, die trotzdem  besser davongekommen sind. Problemlos ist das Leben in Ahlen auch heute nicht, nicht einfach multikulturell entspannt. Der Fußball ist nur noch viertklassig, nach allem, was man hört, hat die niederländische Thronfolgerin sich auch von dem jungen Mann aus der Badewannendynastie getrennt.

Nein, leicht ist es nicht, dem Fisch das Fliegen beizubringen.

*Strontianit ist ein Mineral, das bei der Zuckerproduktion eingesetzt wurde.

Völlige Radlosigkeit

Völlige Radlosigkeit

Die Niederlande sind bekanntlich ein sehr fahrradfreundliches Land. Da wird ein Fahrrad, das die Nacht allein verbringen muss, schon mal adoptiert und kleinere Hindernisse wie ein Fahrradschloss spielen dabei keine Rolle.

In Amsterdam, so hörte ich, werden 95 von 100 Fatbikes gestohlen. Ich frage mich, wie erbärmlich der Zustand der übrigen fünf sein muss und wie unangenehm es ihren Eigentümern wohl ist, dass gerade ihre Räder verschmäht wurden. So ein Rad könnte mir auch gestohlen bleiben.

Mein Rad war übrigens fünf Jahre alt, das heißt, es ist wohl immer noch fünf Jahre alt, aber seinen nächsten Geburtstag verbringen wir eher nicht gemeinsam.

Immerhin gehe ich jetzt, hm, erst jetzt wird mir die volle Bedeutung des „gehe ich jetzt“ klar, durch die Niederlande und habe eine Antwort auf den Spruch „eerst mijn fiets terug“. Während des Krieges wurden nämlich viele Fahrräder von den deutschen Besatzern beschlagnahmt, die sie natürlich nie zurückgaben. „Erst mein Fahrrad zurück“ war also gemeint als Zurechtweisung, als Aufforderung zur Wiedergutmachung.

Ab jetzt nicht mehr mit mir. Okay, den Spruch habe ich, um der Wahrheit die Ehre zu geben, auch noch nie gehört. Aber jetzt will ich ihn auch nicht mehr hören. Erst mein Fahrrad zurück

Nicht für die Schule lernt man…

Nicht für die Schule lernt man…

Ich weiß nicht, wie viel Geld notwendig ist, damit Kinder nicht in Armut aufwachsen. Wenn der Bundesfinanzminister den Betrag mit einem Lächeln auf 2,4 Milliarden festsetzt, bedeutet das aber ganz sicher, dass es zu wenig sein wird.

Ich mag es ja, wenn Reiche festlegen, wie viel Geld Arme benötigen, ja, dass es in Wahrheit keine Kinderarmut, nein, keine Armut im Lande gibt, sondern nur Armut an Arbeit und damit, als Zugangsvoraussetzung für Arbeit, Bildungsarmut bei denen, die halt nicht gut gebildet sind, die die Sprache nicht sprechen und die keine Kinderbetreuung geregelt bekommen.

Ich weiß auch nicht, ob Bildung wirklich der Weg aus der Kinderarmut ist, falls das so sein sollte, warum ist dann nicht längst massiv in Bildung investiert worden? In Schulen und Kindergärten, gerade in den Gegenden und Stadtteilen, in denen die Kinderarmut, Verzeihung, die Armut an Arbeit und Bildung, besonders groß ist? Und das Lächeln, mit dem Christian Lindner die Leistungen für Kinder zusammenstreicht, hätte mir besser gefallen, wenn er seinen Wissensvorsprung bei den Lösungsansätzen für ein 10 Milliarden-Bildungspaket genutzt hätte. Hat er aber nicht.

Ja, ich weiß, Bildung ist Ländersache und das weiß Christian Lindner auch. Und Schulen sind eine kommunale Angelegenheit. Und die Kommunen sind verschuldet. Es wird also nichts mit dem Abbau der Kinderarmut durch Bildung. Aber das weiß Christian Lindner auch.

Das habe ich nicht gewollt

Das habe ich nicht gewollt

Ich wollte diesen Text mit dem Satz „Ich sehe mir ganz gern mal ein Fußballspiel an“, beginnen. Das stimmt aber nicht mehr, die Spiele, die ich mir in den vergangenen Tagen angesehen habe, habe ich nicht gern gesehen. Also nicht, dass mich jemand gezwungen hätte, mir Hansis Flickzeug anzuschauen, dem Niedergang des deutschen Fußballs aus der Ferne beizuwohnen, nein, ich tat das aus freien Stücken, falls es sowas wie den freien Willen gibt, aber den freien Fall gibt es ja auch, warum also nicht?

Jedenfalls dachte ich in diesem Zusammenhang darüber nach, wieso ich eigentlich Fußball gucke. Natürlich habe ich als Kind Fußball gespielt, wobei ich das wörtlich meine. Ich habe gespielt, so wie ich mit Autos und Rittern gespielt habe, nicht, wie Ronaldo spielt, für viel Geld vor vielen Zuschauern und mit viel Talent. Schön wäre es ja, wenn ich sagen könnte, dass ich als Kind des Ruhrgebiets auf der Straße gespielt habe, mit anderen, mit einem geliehenen Lederball und ohne Trikots, auf denen Mercedes stand oder BvB oder Wolfgang Fahrian. Alle in kurzen Hosen und keiner mit Fußballschuhen, Fußballromantik eben. War aber nicht so. Nicht bei mir. Ich war groß und dünn und ahnungslos.

Hinter unserer Evangelischen-Gemeinschaftsschule Hagen-Halden lag ein Sportplatz, ein Ascheplatz, vermutlich auch der Platz, den TuS Halden-Herbeck 1909 nutzte. Bei welchem Wetter auch immer, in meiner Kindheit war es entweder Sommer und heiß oder Winter und verschneit, gab es Sportunterricht. In der Halle oder auf besagtem Platz. Die Bundesjugendspiele fanden dort auch statt, gefühlt müssen die quasi ganzjährig durchgeführt worden sein. Nie genügend Punkte für irgendwas. Aber das hätte ich hier nicht verraten müssen, es geht ja um Fußball.

Keine Mannschaft hätte mich freiwillig gewählt, ich mich auch nicht, obwohl ich mich schon nett fand, etwas eigenartig vielleicht, aber nett. Mich stellte man ins Tor, in der Annahme, dass ich dort am wenigsten Schaden anrichten würde. Was für ein Irrtum!

Natürlich gab es kein Sportzeug, das der Rede wert gewesen wäre, nur Plastiksportschuhe, eine Turnhose, so hieß die Hose ganz offiziell, ein Hemd, keine Ahnung, ob das nicht einfach ein weißes Unterhemd war und los. Regeln? Dass Sportarten Regeln hatten, habe ich Jahre, Jahrzehnte später kapiert. Damals war keine Rede davon.

Die meisten Jungs aus meiner Klasse spielten Feldhandball im Verein, kannten also so etwas wie Training und Regeln und hatten bestimmt auch eine grobe Vorstellung davon, wie Fußball ging. Ich nicht. Ich stand im Tor und tat mal einen Schritt nach rechts und dann wieder einen nach links, dann zwei nach hinten, um den Ball aus dem Netz zu holen. Das waren meine Ballkontakte. Wo man zu stehen hat, was man mit dem Ball zu tun hat, wenn man ihn gegen den eigenen Willen zugespielt bekommt, keine Ahnung.

Ungefähr zur gleichen Zeit, also nicht am gleichen Tag und zur gleichen Stunde, aber in den gleichen Jahren, spielten wir auf einer Wiese an der Bolohstraße, da, wo die Wohnblocks aufhörten und noch ein paar Felder und Wiesen erhalten geblieben waren. Ein grobes Stück Land, direkt neben der Straße, die, wie alle Straßen in der Gegend, nicht gerade intensiv befahren wurde.

Keine Ahnung, warum ich dabei war,  vermutlich brauchte man einfach Statisten. Es gab auch nur dieses eine Spiel. Ich stand jedenfalls auch auf der Wiese in meinen Halbschuhen und mit meinen vermutlich kurzen Hosen und da waren die Jungs von Hagen 11, dem Verein aus Hagen-Emst, die mit den richtigen Fußballschuhen, und wollten spielen. Ich weiß nicht, wie das Spiel ausging, ich erinnere mich an fast nichts aus diesem Spiel, bis auf ein grobes Foul, offenbar wusste ich instinktiv, wie man sowas macht. Ich hoffe, dass ich keine große Kariere auf einem Acker in Hagen-Eppenhausen zerstört habe, meine Fußballkariere kennt jedenfalls keine weiteren Höhepunkte.

Als wir dann nach Leer umgezogen waren, nach Ostfriesland, hoch in den Norden, nahm mich mein Onkel mit zum Fußball. Zu Germania Leer. Öfter mal. Dass es sowas wie einen Ligabetrieb gab, hatte ich noch in Hagen gelernt, als der SSV in die Regionalliga West aufgestiegen war, damals die zweithöchste Spielklasse. Spiele im Ischelandstadion, zu denen ich ging. Warum? Ich hatte keine einzige gute Erfahrung mit dieser Sportart gemacht und stand doch im Stadion, wusste nicht genau, wann man zu klatschen oder irgendwas zu rufen hatte, aber ich war dabei. Ach ja, es hat Jahre gedauert, bis ich kapierte, dass der  Mann im Tor der Torwart und nicht der Torbart war, soviel zu meinem Fachwissen. Aber bei Germania habe ich verstanden, dass man auch bei schlechtem Wetter zum Fußball gehen kann, dass es egal ist, naja, fast egal ist, in welcher Liga ein Verein spielt, solange da unten auf dem Rasen was los ist und der Schiedsrichter mal wieder zum Telefon muss. Spannend fand ich sehr lange nichts davon und bei legendären Weltmeisterschaftsspielen, die mitten in der Nacht übertragen wurden, schlief ich ein. Egal, wir haben sowieso verloren. Und damit sind wir ja auch schon wieder bei der Gegenwart des Fußballs.

Die Bankenkrise

Die Bankenkrise

Meine Frau hatte eine Bank gewollt. Gewollt klingt so grob, so nach „Ich will aber“, so ist meine Frau aber überhaupt nicht. Sie ist mehr der „Wäre es nicht schön, wenn wir da eine Bank hätten?“-Typ. Sie möchte etwas, aber man kann ja schlecht sagen, meine Frau hatte eine Bank gemöchtet. Hätte eine Bank gemocht? Hatte sich eine Bank gewünscht? Wünscht man sich etwas von sich selbst? Man wünscht doch etwas von jemanden, von jemandem, der Wunschpunkte hat wie das Sams oder Geld, nein, nicht wie ich. Das fängt ja schon mal gut an. Jedenfalls: Wir haben jetzt eine Bank.

Der Wunsch traf uns im Herbst, zu einer Zeit, in der die Gartenausstatter und Terrassenbestücker sich in die Innenräume zurückgezogen haben und Feuerkörbe, Heizpilze oder etwas in der Art anbieten. Nichts, was unser, also das Herz meiner Frau begehrte. Manche hatten eine Bank, also tatsächlich eine, da hieß es dann, friss oder stirb. Wobei eigentlich nur Holzwürmer vor dieser grausamen Wahl stehen sollten. Wir mochten die Bank nicht, also nicht auf die Art, wie Holzwürmer sie vielleicht nicht gemocht hätten, sie gefiel uns nicht und so machten wir uns auf eine lange Reise durch das herbstliche Münsterland, das ich jedem empfehlen kann, auf dessen ausführliche Beschreibung ich hier aber verzichte.

Was soll’s, ich versuche gar nicht erst, künstliche Spannung aufzubauen, ich habe es ja schon verraten: Wir fanden eine Bank, die unseren Vorstellungen entsprach und einige Zeit später wurde sie auch geliefert. Eine große, massive Bank, richtig aus Holz, schwer und gemacht aus artgerecht gehaltenem Holz, das Zeit hatte zu reifen und zu gedeihen und schließlich, ach, ich mag es mir nicht ausmalen, was da wo passiert sein muss, damit unsere Bank glatt gehobelt und geschmirgelt, mit einem komfortablen Polster versehen bei uns… nein, nicht im Garten, sondern zunächst unter einem Vordach landete. Es gab nämlich einen Flecken unter einer großen Eiche, der geradezu nach einer Bank rief, einen Ort, warm im Frühling, schattig im Sommer, geschützt im Herbst und im Winter… aber wer will im Winter schon auf einer Bank sitzen? Dieser Ort war wie für die Bank gemacht, denn die Eiche mit ihrer breiten Krone hatte dafür gesorgt, dass dort kein Grashalm ohne massive gärtnerische Unterstützung existieren konnte.

Damit die feinen Beinchen unserer neuen Bank nicht auf der unangemessen schmutzigen Erde stehen mussten, wandten wir uns an einen Gärtner, der uns einen Entwurf machte, wie unser Garten künftig um die Bank herum angelegt werden könnte. Bis auf die Palmen, den Teich, die weißen Kieswege und die kleinen Brücken akzeptierten wir seinen Entwurf und ließen eine angemessen große Fläche pflastern.

Hatte ich meine Bedenken schon erwähnt? Ich bin mir sicher, schon zu Beginn, also vor dem Kauf der Bank, auf einen kleinen Nachteil des bevorzugten künftigen Standorts des Holzmöbels hingewiesen zu haben: Die Tauben, die auf den Zweigen der Eiche über genau dieser Stelle zu sitzen pflegen, wie sag ich das jetzt, sitzen eben nicht nur dort, sondern lassen, was sie nicht mehr halten wollen oder können, fallen. Oft und reichlich. Die gepflasterte Fläche veränderte dementsprechend rasch ihre Farbe von einem hellen Betongrau zu einem Taubenkackeweiß, später dann zu Schmutzigbraungrauschwarz.

Völlig unmöglich, unsere neue Bank, von der wir noch jeden Tautropfen sorgfältig abgetupft hatten, unter das Taubenklo zu stellen. Was sag ich Klo, ein Donnerbalken war das im wahrsten Sinne des Wortes, der von mehreren, mindestens aber vier dicken und dickfelligen Tauben genutzt wurde, Tauben, die weder auf Zurufe noch auf Gesprächsangebote reagierten. Kann ein Federtier dickfellig sein? Falls nicht, braucht es unbedingt einen Begriff für das hüftsteife Herumgewackele, das lahme, raschelnd, klatschende Auffliegen, das monotone Gerufe… ja, ich weiß, dass Tauben angeblich gurren, aber was ich da höre sind schlechte Kuckucksimitationen, die mit erschütternder Ausdauer vorgetragen werden.

Nein, vergiften war von Anfang an keine Option. Auch wenn sich die Welt um uns verändert hat, wir lehnen auch den Einsatz von Schusswaffen gegen die Biester ab. Vergrämen mit irgendwelchen Stoffen, wahrscheinlich Löwenkot, lehnen wir auch ab, unsere, ich sag schon unsere, als würden sie zur Familie gehören, also unsere Wühlmäuse waren auch resistent gegen alles, da werden Tauben doch nicht nachgeben, nur weil wir ein paar Euro für eine besondere Duftnote springen lassen.

Der letzte Tipp, den wir bekamen, hieß Lebendfalle. Ich versuche gar nicht erst, die Technik zu beschreiben, die dazu führen soll, dass die Taube, also jedes Mal genau eine, in den Gitterkasten wackelt und dort bleiben muss, bis wir sie wieder in die Freiheit entlassen. Weit weg von hier. Tauben sollen einen ganz hervorragenden Orientierungssinn haben, es ist also anzunehmen, dass sie, wenn wir sie, sagen wir mal nach Bielefeld bringen würden, schneller wieder hier wären, als wir das schaffen könnten, wegen der Luftlinie und dem Fehlen von Staus. Aber meine Frau ist demnächst Pensionärin und dann können wir richtig weit weg fahren. Die Frage ist nur, ob wir Bock darauf haben, Tauben mitzunehmen. Vielleicht suchen wir uns einfach nur Urlaubsorte mit schönen Holzbänken.

China Shopping (2)

China Shopping (2)

Die Zeit verging. Ich wurde größer. Und älter. In der Schule sagte ich Kina, so, wie mein Vater das aussprach, aber der kam aus dem Südosten. Nicht aus Südostchina, sondern aus dem Sudetenland und die sprachen eben seltsam. Dann entstand die Pingpongdiplomatie und die Idee vom Wandel durch Handel. China produzierte Billigkram für unsere Märkte und begann, unsere hochwertigen und teuren Produkte zu importieren.

Dieser ganze bunte Plastikschrott, Kirmesware, für nichts zu gebrauchen: Das war Chinaware. Nicht mal so seltsam hässliche Autos, wie die Japaner sie uns zu verkaufen versuchten. Und dann kamen die Medikamente aus China und die Solarzellen und die Handys und eigentlich alles, was sich massenhaft produzieren ließ. Ach ja, zwischendurch bekamen wir Telefon, irgendwann auch Internet und die Versandhäuser konnten einpacken, weil Amazon alles  schneller und billiger konnte. Der rosarote Verbraucherhimmel war erreicht. Niemand schrieb uns mehr vor, was und wo wir zu kaufen hatten. Alles war Tag und Nacht verfügbar, das Wort Öffnungszeiten klang wie Postkutsche und Telefonvermittlung. Containerschiffe brachten einen nicht abreißenden Strom von Zeugs über die Meere und wir konnten gar nicht so schnell wegwerfen, wie wir kaufen wollten und sollten.

Irgendwer wies darauf hin, dass es auf das Klima keine Garantie gäbe und dass es eine gute Idee wäre, das 1,5 Grad Ziel einzuhalten, aber wir hatten gerade andere Ziele, 20 Prozent Rabatt zum Beispiel oder 3 Prozent Wachstum oder was auch immer.

Während wir also gut zu tun hatten, begab es sich, dass auch weniger seriöse Anbieter ihre Geschäfte über das Internet zu machen begannen. Webshops entstanden, die mit aktuellen Produkten und attraktiven Preisen, auf die es auch zufällig gerade jetzt noch einen Sonderrabatt gab, nach Kunden fischten, die noch an das Gute glaubten.

Wie leicht es sich doch bestellt und wie groß die Enttäuschung ist, wenn, was schließlich nach langer Zeit aus China geliefert wird, mit der bestellten Ware nicht einmal Ähnlichkeiten aufweist! Okay, es ist Kleidung, der Pullover ist als Pullover erkennbar, die Jacke eine Jacke, aber Modell,  Material, Farbe und Größe müssen irgendwo auf hoher See abhandengekommen sein. Nun kennen wir unsere Verbraucherrechte, gerade im Onlinegeschäft, ja, wir versuchen inzwischen schon, sie auf den stationären Handel zu übertragen. Innerhalb von 14 Tagen lässt sich so ein Problem bereinigen. Rücksendung, Rücktritt, irgendetwas muss da ja gehen. Nur, dass der Händler nicht mitspielt, der sitzt nämlich in China und möchte die Ware auf unsere Kosten zugeschickt bekommen, um uns dann den Kaufpreis zu erstatten. Für alle, die nicht regelmäßig nach China liefern: Es ist teuer, etwa die Hälfte des Kaufpreises.

Spätestens jetzt beginnt man sich die Foren anzusehen und stellt fest, dass man zwar dumm aber nicht allein ist. Die Geschäftsidee: Ansprechende Ware zu einem günstigen Preis anbieten. Die Zahlung erfolgt wie üblich im Voraus. Dann schickt man irgendetwas, egal was, billig muss es sein. Der enttäuschte Kunde hat nun die Wahl, dieses Zeug zu akzeptieren oder auf eigene Kosten zurückzuschicken und in der Konsequent einen Verlust von fast 50 Prozent zu akzeptieren, in Wahrheit von 100 Prozent, denn was er erhielt, ist nichts wert.

Okay, man schreibt also den Händler an, der irgendwo in Deutschland jemanden dafür bezahlt, freundliche Mails mit unfreundlichen Botschaften zu verschicken. Behalte den Kram und du bekommst 25 % Rabatt, später sogar 50 Prozent. Wenn ich richtig rechne, bleibt da immer noch ein Verlust von 50 Prozent. Aber klagt man gegen ein Unternehmen in China? Wo ist eigentlich der Gerichtsstand, gilt chinesisches Recht, deutsches Recht oder internationales Handelsrecht? Wie hoch können die Kosten werden und marschieren dann die Roten Garden hier ein? Falls es die noch gibt!

1,5 Milliarden Menschen leben in China. Wenn die chinesische Spitzbubenquote auch nur ungefähr der unsrigen entspricht, dann gibt es in den unendlichen Weiten des Internets noch jede Menge Chancen auf Abenteuer, auf Produktpiraterie, Halsabschneiderei und Abzocke. Wie ein Freund einmal sagte: Jeden Morgen steht ein Dummer auf.

Wir haben uns mit dem Zahlungsdienstleister in Verbindung gesetzt, das Problem gemeldet und heute, einen Tag, nachdem ich damit begann, diese Geschichte zu erzählen, gibt es ein Happyend. Wir bekommen den Gegenwert für die Ware in Glückskeksen.

China-Shopping (1)

China-Shopping (1)

Als ich ein Kind war, kauften wir bei Ischebeck ein, das war der Lebensmittelladen in der Nähe. Was es dort nicht gab, kauften wir in der Stadt. Da gab es Kaufhäuser und Warenhäuser und überhaupt mehr Geschäfte, als mir lieb war. Also nicht nur für Modellautos von Siku und Wiking, einen neuen Karl-May-Band und eine Brühwurst mit Senf und Brötchen, sondern auch für Kleidung, Bügeleisen und Suppenschüsseln. Das dauerte alles so lange, so lang konnte überhaupt keine Wurst sein. Mal abgesehen davon, dass die Wurst ohnehin eher dick als lang war.

Manchmal – und das war aus meiner kindlichen Sicht deutlich praktischer – wurde auch bestellt. Nicht online natürlich, auch wenn Konrad Zuse schon den ersten Computer gebaut hatte. Meine Eltern hatten nicht mal Telefon, sie kannten nicht mal jemand, der Telefon gehabt hätte. Ans Internet war noch nicht zu denken, unsere Phantasien drehten sich, wenn es um das Jahr 2000 ging, um fliegende Autos und den Kontakt zu Außerirdischen. Das Jahr 2000 war mächtig weit weg damals, okay, das ist es inzwischen auch schon wieder. Bestellen bedeutete also, einen Katalog durchzublättern und, hatte man gefunden, was das Herz begehrte, Größe und Farbe zu bestimmen, gern auch mal die Zahl der Raten, wenn man auf Kredit kaufte und das war bei Otto, Quelle, Neckermann und Bader Teil des Einkaufsvergnügens.

Bestellung abschicken, warten. Lange warten. Wochenlang. Gefühlt jahrelang. Dann kam das Paket und manchmal war drin, was man bestellt hatte, manchmal war etwas nicht lieferbar und manchmal passte, was so sorgfältig ausgesucht worden war, dann doch nicht. Bei den Lieferzeiten konnte es schon mal passieren, dass Kinder aus Klamotten rausgewachsen waren, die sie noch nicht einmal bekommen hatten. Dann also zurückschicken. Mit dem Paket zur Post in der Stadt. Weil: Ein Auto hatten wir natürlich auch nicht.

An die Zahlungsmodalitäten erinnere ich mich nicht mehr genau. Anfangs hatten meine Eltern kein Bankkonto. Sowas brauchte man auch nicht, weil der Lohn bar ausgezahlt wurde. Bei der Sparkasse hatte man ein Sparbuch. Ich auch, praktisch gleich nach der Anzeige meiner Geburt eingerichtet. Fünf Mark von der Sparkasse als Startkapital, glaube ich zumindest. Ich nehme an, dass meine Eltern Bareinzahlungen auf das Konto des Versandhauses leisteten, bis es später üblich bzw. notwendig wurde, ein Lohn- und Gehaltskonto einzurichten.

Was es nicht in der Stadt gab und was nicht im Katalog stand, das gab es praktisch nicht. Vielleicht in Amerika.. Die Japaner waren die gelbe Gefahr, die uns alle bedrohte, obwohl sie keine Kommunisten waren und auch keine Atombombe hatten. Aber sie bauten Transistorradios, diese kleinen, zerbrechlichen Teile, vermutlich aus Bakelit, mit denen man überall Radio hören konnte. Obwohl es noch lange dauern sollte, bis es auch einen Grund geben würde, Radio zu hören, denn zu der Zeit, von der ich gerade erzähle, gab es eigentlich nur Nachrichten, Operettenmelodien und wenn es ganz verrückt kam, die Musik aus den wilden Zwanzigern. Mein kleiner grüner Kaktus. In China gab es nur Mao, Kommunisten, seltsam uniformierte Menschen und zu wenig Reis. Das sollte sich ändern.

Du sollst dir kein Bild machen – das macht schon die KI

Du sollst dir kein Bild machen – das macht schon die KI

Ich hatte schon über meine Erfahrungen mit CHAT GPT berichtet. Seit einigen Tagen habe ich ein neues Spielzeug, natürlich nicht exklusiv, denn Bing, also Microsoft, bietet jedem und jeder die Nutzung der KI zur sprachgesteuerten Erzeugung von Bildern an. Die Voraussetzungen sind leicht zu erfüllen. Bing muss installiert sein, dann kann die entspreche App, der Bing Image Creator aufgerufen werden. Bislang sind nur englische Texteingaben möglich. Mein Englisch reicht gut aus, um mich anderen Leuten überlegen zu fühlen, die kein Englisch sprechen und jedem unterlegen zu sein, der seinen Wortschatz auch aktiv zu nutzen versteht. Aber dafür hat man ja DeepL. Textvorgaben für ein Bild können kurz und knapp sein, also z. B. ein Mann, etwa 25 Jahre alt, bartlos, gekleidet in einfache Arbeitskleidung des Jahres 1900. Kleidung und Gesicht sind mit Kohlenstaub bedeckt.

Gut, das hat jetzt nicht ganz geklappt. Ich verzichte mal ganz darauf, das Merkmal Bart zu erwähnen.

Schon viel besser. Der Wunsch nach einem bartlosen Mann bescherte mir also einen mit Bart, der Verzicht auf das Stichwort Bart bringt dann das gewünschte Ergebnis. Nicht immer, Bing liefert jeweils vier Bilder, von denen durchaus auch mal zwei doch jemanden mit einem Bart und einem Turban anbieten. Aber ich habe ja, was ich will. Aber es geht ja auch freundlicher und realistischer. Für die ersten Bilder hatte ich mir Aquarelle gewünscht, jetzt soll es ein freundliches, fotorealistisches Bild werden.

Aha, freundlich… Okay, das passt. Das entspricht dem durchschnittlichen Freundlichkeitsniveau und wenn ich mich etwas bemühe, kann ich sogar ein Lächeln erkennen. Also ich lächele jedenfalls immer ganz genauso. Meine Hauptperson, ein Kohlenträger namens Bernhard, der sich in Warendorf um das Jahr 1900 nützlich macht und einiges erlebt, hat aber schwarzes, lockiges Haar.

Nein. Das ist nicht Bernhard. Grouchos Haare sind explodiert und diese Augen…Ach ja, ich hatte kurzes lockiges schwarzes Haar vorgegeben. Bernhard hat aber etwas längeres schwarzes Haar. Oh. Bing hat meine Wartezeit von 30 Sekunden auf 5 Minuten verlängert. Entweder nerve ich das System mit meinen kleinen Variationen, oder die Zahl der Nutzer und damit der Aufträge ist stark gestiegen.

Da ist es auch schon. Ich habe zusätzlich angegeben, dass der junge Mann Kohlenträger sein soll und die Ausgabe als Foto bestellt. Kohlenträger und Foto, okay. Aber 25?

Okay. Eine gewisse Grundfreundlichkeit ist da, das Leben als Kohlenträger um 1900 war sicher auch nicht ganz einfach und diese Ohren sind, nun, sagen wir realistisch. Und man fragt sich natürlich, wo Bing diese Leute aufgetan hat. Die KI durchsucht das Netz, findet Elemente und kombiniert die neu, so dass der Arbeitsauftrag erfüllt wird. Wäre mal spannend, die Einzelteile zu sehen, die hier verarbeitet wurden.

Der neue Auftrag: Zwei Männer auf einem offenen Kohlenwagen im strömenden Regen. Hintergrund: Mein Bernhard und sein Kollege Josef liefern Kohlen aus. Das Bild ist ganz okay, schaut man sich die Augen der beiden Männer nicht zu genau an. Aber Bing hatte auch ein richtig schräges Bild im Angebot.

Das Pferd..  was macht das da oben? Es sieht auch aus, als würde es irgendwie fließen. Ich glaube, das Pferd da oben war bis vor kurzem noch eine Kuh. Und bei dem zweiten Pferd, dieses Joch, dass da irgendwo hängt…

Abschließend noch eins, nur weil es so rätselhaft ist:

Was ist denn da nur mit den Vorderbeinen des Pferdes passiert?  Da haben wir ja mindestens eine ziemlich Fehlstellung und dann ein mittleres Bein, also das zwischen dem linken und dem Stiefel des Mannes, das verliert sich irgendwie auf dem Weg nach oben. 

Trotzdem: Ich bin beeindruckt. Natürlich ist das alles andere als perfekt. Vorgaben werden nicht eingehalten und Bing schränkt die Möglichkeiten der Gestaltung auch noch sehr ein, weil es fürchtet, irgendwelche Regeln könnten gebrochen werden. Schon wenn es heißt, zwei Männer sitzen an einem Tisch und essen Suppe, gibt es eine skeptische Nachfrage, nur weil einer davon schwarz gekleidet sein sollte. Nach einer mehrstündigen Prüfung wurde das Bild dann genehmigt. Aber es macht Spaß, eigene Ideen in Bilder umsetzen zu können, wenn das eigene Geschick dafür eigentlich nicht, nein, nicht nur eigentlich nicht, sondern überhaupt nicht ausreicht. Wir erleben gerade, dass KI in immer mehr Bereich vordringt. Ob das gut oder schlecht ist, wir werden sehen. Aufhalten lässt sich das sicher nicht, KI ist in der Welt und wird nicht mehr vergessen. Es wird Anwendungen geben, die cool sind. Und KI wird uns schaden, so wie uns alles schaden kann, auch Schokolade und Rotwein. Nein, ich will das nicht herunterspielen. Wenn Software selbstständig Software schreiben kann, stehen wir vor einer Entwicklung, die überhaupt nicht absehbar ist. Heute habe ich noch ein Grönemeyer-Interview gelesen, in dem er sagt, dass Menschen nicht perfekt sind, dass Kunst entsteht, wenn aus dem Nichts eine Idee da ist, dass Schmerz oder Liebe, dass starke Emotionen Kunst hervorbringen und dass das eine KI nicht simulieren kann. Schließen wir  mit einem geseufzten: Hoffentlich!

ChatGPT: Gekünstelte Intelligenz?

ChatGPT: Gekünstelte Intelligenz?

Eine Zeitlang hat ChatGPT mich hingehalten mit der Anmeldeprozedur, hatte einfach zu viel zu tun und versprach, sich bei mir per Mail zu melden, wenn mal etwas Zeit wäre. Eigentlich hatte ich nicht erwartet, dass es der menschlichen Kommunikation schon so nahe ist, sich sogar verleugnen zu lassen und mich auf später zu vertrösten, aber dann klappte es plötzlich, ganz ohne Einladungsmail. Da sitzt man dann am Monitor einer völlig fremden KI gegenüber, oder in dem Fall einer AI, einem Chatbot oder einem textbasierten Dialogsystem und fragt sich, was man ChatGPT fragen wollte.

Erstmal ist das System höflich und freundlich, es siezt mich, ich habe nicht ausprobiert, ob man ihm das Du anbieten kann, aber da wir vermutlich nie ein Bier zusammen trinken werden, ist das Sie auch ganz okay.

Das System entschuldigt sich auch immer wieder einmal, es hat allerdings auch oft genug Grund dazu. Ich habe an zwei aufeinanderfolgenden Tagen eine Art Unterhaltung mit dem System geführt, die, wenn man auf Deutsch beginnt, auch auf Deutsch geführt wird und zwar in einem grammatisch fast durchgehend fehlerfreien Deutsch. Manchmal, wenn ich das Programm gefühlt etwas gestresst hatte, machte es ziemlich simple Fehler, wählte zum Beispiel einen falschen Artikel, obwohl mir das in jeder beliebigen Fremdsprache ebenfalls andauernd passiert und ich spreche wahrlich nicht viele Sprachen. Aber von einem Computerprogramm erwartet man natürlich Perfektion, gerade von einer künstlichen Intelligenz, die sich anschickt, die Weltherrschaft zu übernehmen und alle Probleme zu lösen. Hausaufgaben zum Beispiel oder Seminararbeiten.

Natürlich kann man eine Software nicht stressen, wollte ich gerade schreiben und das ist insoweit sicher richtig, dass sie da nicht in Kalifornien in ihrem gekühlten Rechenzentrum oder irgendeiner Serverfarm irgendwo in der Welt gerade in Schweiß und Tränen ausbricht, weil ich übermenschliche Anforderungen stelle. Andererseits, man weiß ja nicht, was sich eine Software so beibringt, die, während sie meine Fragen beantwortet, mehr über mich lernt als ich von ihr.

Es wäre doch fast ein Wunder, wenn sie in einigen Jahren, ach was, bei der Vielzahl von Sozialkontakten, die sie täglich hat, in eine paar Stunden das Gehabe eines preußischen Staatbediensteten im Einwohnermeldeamt einer ordentlich gekehrten und aufgeräumten Provinzstadt an den Tag legen würde. Zurück zu meiner Konversation. Meine erste Frage bezog sich auf eine Aufgabe der Schreibwerkstatt. In sechs Wörtern sollte eine Botschaft vermittelt werden. Nicht unbedingt im Sinne von: Ich habe Hunger, jetzt aber hopp. Schon irgendwie  philosophisch, esoterisch, also von oberflächlicher Tiefsinnigkeit.

ChatGPT: Ich arbeite. Ich lerne. Ich denke.

Manfred: Noch ein Beispiel, bitte

ChatGPT Gerne:  Ich bin da. Ich helfe. Ich verstehe.

Manfred: Der erste Satz hat aber drei Wörter.

ChatGPT: Entschuldigung, Sie haben Recht. Hier ist ein Beispiel mit jeweils zwei Worten:

Hier bin. Ich helfe. Verstehe gut.

Manfred: Der erste Satz funktioniert nicht.

ChatGPT: Entschuldigung, Sie haben Recht. Hier ist ein Beispiel mit jeweils zwei Worten:

Bin da. Helfe gerne. Verstehe klar. 

Offenbar hat das System ein Problem mit dem Abzählen von Wörtern, beim zweiten Durchlauf wurde das sogar noch heftiger. Ich forderte sechs, bekam aber meisten nur fünf Wörter und das mit der windigen Begründung, dass es nicht so leicht sei, eine philosophische Aussage in sechs Wörter zu packen. Aber fünf abliefern! Für Ausreden sollten die besser einen Praktikanten beschäftigen.

Mein zweites Thema war Hiddensee. Wenn man in einem Serverpark steht wie die Essiggurken im Regal im Keller meiner Oma und nur die empfindlichen kleinen Glasfaserchen in die Welt hinaus streckt, verfügt man ja über keine persönliche Anschauung der Welt, wollte ich gerade schreiben, aber natürlich gibt es auch auf Hiddensee inzwischen Glasfasernetze, aber so eine Software hält ja nicht auf dem Dornbusch die Nase in den Wind und ringt im Angesicht der Schönheit des Ausblicks nach Worten,  nein, Worte hat ChatGPT immer zur Verfügung.

Obwohl es manchmal schon einen Moment nachzudenken scheint, was aber sicherlich nur damit zu tun hat, dass es multitaskingfähig ist und während es mit mir über Hiddensee nachdenkt, ein anderen Gesprächen Rezepte zur Zubereitung eines Cocktails oder die Fragen der Klimakrise diskutiert. Jedenfalls bat ich, nachdem ich irgendwo gelesen hatte, dass auch Heinrich Zille seinen Urlaub gern auf Hiddensee verbracht hatte, um eine Buchempfehlung.

ChatGPT: Ich kann Ihnen das Buch „Hiddensee: Eine Insel für Heinrich Zille“ von Hans-Jürgen Döring empfehlen. Es enthält zahlreiche Zeichnungen und Fotografien von Heinrich Zille, die auf der Insel Hiddensee entstanden sind. Es gibt auch einige Informationen über Zille’s Leben und Werk sowie die Geschichte der Insel.

Manfred: Das Buch Hiddensee: Eine Insel für Heinrich Zille finde ich nicht bei Google

ChatGPT: Es tut mir leid, ich habe mich geirrt in Bezug auf das Buch „Hiddensee: Eine Insel für Heinrich Zille“ von Hans-Jürgen Döring. Ich habe es nicht gefunden in meiner Kenntnisbasis und es gibt auch keine Informationen im Internet, dass ein solches Buch existiert. Ich bitte um Entschuldigung für die Verwirrung.

Am Vortag hatte das System mir ein Buch vorgeschlagen, das es ebenso wenig gab und mir ein Ringelnatz-Gedicht zitiert, von dem wohl nicht einmal Ringelnatz wusste.

ChatGPT: Ein bekanntes Gedicht von Joachim Ringelnatz über Hiddensee ist „An Hiddensee“:

„Ich bin so glücklich, wenn ich hier bin,

auf dieser Insel, die so klein,

und doch so groß ist in ihrem Sein.

Ich wandle durch die Dünen,

sehe aufs Meer hinaus,

und fühle mich so wohl,

wie noch nie zuvor.

Die Natur ist hier so rein,

der Himmel so unendlich blau,

ich kann die Schönheit kaum ertragen,

es ist, als ob ich träume.

Ich bin so dankbar für diesen Ort,

für all die Einsamkeit und Ruhe,

die ich hier finde.

Ich werde immer wiederkommen,

bis ans Ende meiner Tage,

denn Hiddensee ist mein Zuhause.“

Ich lasse mich ja gern eines Besseren belehren, aber das klingt nicht nach Ringelnatz. Ich habe bisher aber auch keine Quelle zu diesem Text gefunden. Mein Fazit, nach zwei Versuchen: Es ist ganz lustig, mit einem System zu kommunizieren, aber die Qualität der Antworten ist mindestens dürftig, Quellen stimmen nicht und manches ist blanker Unsinn. Um Hiddensee und Ringelnatz zum Schluss doch noch gerecht zu werden, hier ein echtes Ringelnatz-Gedicht:

Insel Hiddensee

Kühe weiden bis zum Rande

Großer Tümpel, wo im Röhricht

Kiebitz ostert. – Nackt im Sande

Purzeln Menschen selig töricht.

Und des Leuchtturms Strahlen segnen

Eine freundliche Gesundheit.

Andrerseits: Vor steiler Küste

Stürmen Wellen an und fliehen. –

Nach dem hohen Walde ziehen

Butterbrote und Gelüste.

Fischerhütten, schöne Villen

Grüßen sich vernünftig freundlich.

Steht ein Häuschen in der Mitte,

Rund und rührend zum Verlieben.

»Karusel« steht angeschrieben.

Dieses Häuschen zählt zu Vitte.

Asta Nielsen – Grischa Chmara,

Unsre Dänin, und der Russe –,

Auf dem Schaukelpolster wiegen

Sich zwei Künstler deutsch umschlungen. –

Gar kein Schutzmann kommt gesprungen. –

Doch im Bernstein träumen Fliegen.

Um die Insel rudern, dampfen,

Treiben, kämpfen Boote, Bötchen.

Kästchendenken

Kästchendenken

Warum muss eigentlich alles immer so kompliziert sein? Man zieht in Düsseldorf an einem losen Faden und in München läuten die Alarmglocken, während man in Detmold nur mit der Schulter zuckt und alles für eine Fahrt nach Den Haag spricht. Über Winterswijk und Amersfoort natürlich. Alles begann damit, dass eine unserer Töchter, die Düsseldorf-Tochter, vorschlug, die Mondrian-Ausstellung im K20 in Düsseldorf zu besuchen.

Jetzt langsam und vorsichtig: Das K20 ist Teil der Kunstsammlung des Landes NRW. Das Gebäude am Grabbeplatz wurde 1986 eröffnet, was nicht bedeutet, dass Düsseldorf nicht schon früher eine bedeutende Kunstsammlung besessen hätte. Die wurde aber 1805 nach Bayern verschleppt und seither unter dem Dach der Pinakothek gezeigt. Weil allen, bis auf die Bayern, klar war, dass das nicht wirklich fair war, erhielt Düsseldorf Jahrzehnte später eine Art Schadensersatz, der allerdings kaum mehr als ein Taschengeld war.

Als Grabbe von 1834 bis 1836 in Düsseldorf weilte, Künstler halten sich nicht auf, die wohnen auch nicht, die weilen, war die Gemäldegalerie also schon entführt worden. Christian Dietrich Grabbe, war auch kein Maler, sondern ein Trinker, was ihn vermutlich neben allgemeinem Weltschmerz das Leben gekostet haben dürfte. Zwischen zwei Gläsern fand er allerdings auch noch Zeit, das deutsche Drama zu erneuern und alle Bühnen seiner Zeit damit hoffnungslos zu überfordern.

Ach so. Grabbe wurde in Detmold geboren und starb dort auch im Alter von nicht einmal 35 Jahren wenige Häuser von seinem Geburtshaus entfernt. So gesehen hatte er es nicht weitgebracht. Nicht gerade der Liebling der literarischen Salons, nehme ich an und trotzdem erinnert man mit Skulpturen und Straßen oder Plätzen an ihn, was ja auch irgendwie schön ist. Leider habe ich nichts von ihm, sondern nur über ihn gelesen, was wiederum schade ist. Nicht für mich, nur für ihn und ihn stört es wohl nicht mehr.

Also K20 am Grabbeplatz. Vorher aber YouTube gucken: Piet Mondrian. Da gibt es einiges. Klar, sein Werk kennen alle und mögen auch fast alle. Wieder einer von den Niederländern, die mit ihrer Kunst die Welt beeindruckt haben, wieder einer von denen, die ihren Ruhm nicht mehr erleben konnten. In Amersfoort geboren, über Winterswijk und Amsterdam nach Paris, London und schließlich

New York. Was so glamourös klingt, war eher ärmlich. Der Mann hat kaum etwas von seiner Kunst verkaufen können, obwohl er in seinen letzten Jahren durchaus anerkannt wurde.

Ein Einzelgänger und Hungerleider, der davon überzeugt war, mit seiner Kunst das Ende aller Kunst erreicht zu haben und der dann in New York unter dem Einfluss der Metropole und des Boogie Woogies doch noch einen Schritt tat und uns mit Broadway Boogie Woogie und Victory Boogie Woogie zwei Werke hinterlassen hat, die mich staunen machen. Und die beide nicht in Düsseldorf zu sehen sind. Victory Boogie Woogie hat der niederländische Staat für einen gerade noch zweistelligen Millionenbetrag gekauft. Das unvollendete Bild ist in Den Haag zu sehen. Die Ausstellung in Düsseldorf lohnt sich aber auch ohne die genannten Bilder.

Bild: Komposition Nr. III, mit Rot, Blau, Gelb und Schwarz, 1929

Ich möchte den Text ergänzen um eine Stellungnahme von ChatGPT. Dort habe ich den obigen Text eingegeben und bekam die folgende Rückmeldung:

Der Text enthält einige historische und kunsthistorische Fakten, aber es ist unklar, welches Ziel der Autor verfolgt. Es scheint, dass der Autor eine Reise durch verschiedene Städte in Deutschland und den Niederlanden beschreibt, die von der Kunst und Kultur dieser Orte inspiriert wurden. Der Schreibstil ist informativ, aber nicht immer präzise und es fehlt eine klare Struktur oder Übersicht. Empfehlung: Überarbeiten Sie den Text, um eine klarere Botschaft und Struktur zu erreichen. Überprüfen Sie auch die historischen und kunsthistorischen Fakten, um sicherzustellen, dass sie korrekt sind.

So geht es jedenfalls nicht weiter

So geht es jedenfalls nicht weiter

Es hat einige Zeit gedauert, bis ich soweit war, aber jetzt kann ich meine Erkenntnisse der Öffentlichkeit präsentieren und damit einen Vorschlag unterbreiten, auf den die Welt gewartet hat. Okay, sie wartet nicht ausdrücklich darauf, dass da was von mir kommt, sitzt also nicht, vertreten durch den UN-Generalsekretär bei mir im Wartezimmer, was auch besser ist, weil ich sowas nicht habe, trommelt mit den Fingern ungeduldig auf der BRAVO-Ausgabe aus dem Januar 2019 herum und reaktiviert die Coronaviren eines ganzen Pandemiedurchlaufs. Nein, so nicht, aber die Welt harrt auf Lösungen und ich kann sie bieten.

Das mag etwas unbescheiden klingen, aber wenn man auf den Friedensnobelpreis abzielt, also eigentlich auf alle ab 2023, dann sollte die Klingel auf die man drückt, schon bis Stockholm zu hören sein. Besser sogar noch bis Oslo. Von nichts kommt nichts und die Sonne bringt es an den Tag, das sollte ich vielleicht vorwegschicken.

Intensive Studien waren nötig. Natürlich waren sie das, wann wären sie einmal nicht nötig gewesen? Die meisten davon in tiefer nächtlicher Einsamkeit, mit einem Kopfhörer abgeschirmt  gegen die Ablenkungen des Tages und  die klagenden Rufe meiner Frau. Gern möchte ich die Details übergehen, aber im Sinne der Intersubjektivität und des freien Zugangs zu meinen Erkenntnissen werde ich meine Quellen offenlegen, also eigentlich eine: Netflix.

Ich verstehe, akzeptiere mögliche Bedenken aber nicht. Die Tatsache, dass etwas geschaffen wurde, um uns zu unterhalten, um uns preiswert abzulenken, lässt ja nicht den Umkehrschluss zu, dass da nicht mehr ist als Unterhaltung und Ablenkung. Ihre Bratpfanne ist vermutlich mit Teflon beschichtet, aber weil sie das ist, verliert Teflon doch nicht seine überragenden Fähigkeiten. Nein, es wurde nicht, wie immer wieder einmal behauptet, im Zusammenhang mit der amerikanischen Raumfahrt entwickelt, Außerirdische haben ganz andere Dinge auf der Pfanne! Teflon diente dem Korrosionsschutz beim Manhattan-Projekt! Was Woody Allen damit zu tun hat? Mal abgesehen davon, dass dieser Film erst 1979 veröffentlich wurde und alte weiße Männern mit Korrosionsschutz wenig gedient ist? Obwohl, wie wir wissen, rostet, wer rastet und Woody Allen legt eine gewisse künstlerische Rostlosigkeit an den Tag. Mit geht es aber nicht um Rostlosigkeit, sondern um die universelle Trostlosigkeit.

Nach dem Studium diverser Serien und einiger Spielfilme, ein Wort, bei dem ich sofort an Heinz Rühmann denken muss, was uns aber nicht wirklich weiterbringt, habe ich das Prinzip verstanden, dass der Lösung all der irdischen und galaktischen Probleme zugrunde liegt. Superkräfte, Magie, Götter und Gewalt. Neben diesen Basiselementen gibt es natürlich noch weitere Zutaten wie außerirdische oder künstliche Intelligenz oder entschiedene Sturheit. Ich muss zugeben, dass es, wenn es um fortgeschrittene Lösungsansätze geht, der nordamerikanische Raum dominiert, Superhelden scheinen keine Anknüpfungspunkte in der europäischen Tradition zu finden, weder in der Aufklärung noch bei den feudalen Gesellschaftsstrukturen der Vormoderne.

Äh… ja. Europa steht für rohe Gewalt, für schwertschwingende Rächer und Totschläger und willst du nicht mein Bruder sein, dann kommt Karl der Große und veranlasst einen tiefgreifenden Umbau des widerspenstigen Körpers der ungläubigen Seele. Götter, Halbgötter und Helden agieren gern vor dramatischen Landschaften, die Kontaktaufnahme im Teuto, der münsterländischen Parklandschaft oder der Soester Börde scheint daher wenig erfolgversprechend.

Superhelden hingegen sind eher großstadtorientiert und scheinen auf eine Art und Weise miteinander verwandt, die ich noch nicht ganz durchdrungen habe. Während Superhelden meist damit zufrieden sind, ihre immensen Kräfte zum Wohle der Menschheit oder Gotham Citys eingesetzt zu haben, verlangt es Götter und Helden nach Opfern oder Belohnungen, von daher sind Superhelden vorzuziehen.

Hinzu kommt, dass das Studium diverser Serien Belege dafür erbrachte, dass Superhelden auch bei ökologischen Katastrophen erfolgreich tätig wurden, während Wikinger oder andere Krieger eher Tendenzen zur Umverteilung oder der Regelung von Erbfolgestreitigkeiten zeigen. Es sollte also keine größeren Schwierigkeiten bereiten, eine Datenbank der potenziellen Problemlöser aufzubauen, in der die jeweiligen Fähigkeiten und die Erfolgsnachweise erfasst werden, so dass im konkreten Notfall rasch auf geeignetes Personal zurückgegriffen werden kann.

Abschließend möchte ich mich noch kurz dagegen verwahren, mich für völlig bescheuert zu halten, weil ich – ich weiß, so wird der Vorwurf lauten – blind darauf vertraue, dass grob entworfene Kunstfiguren, die namenlose Drehbuchautoren in abstruse Abenteuer schicken, tatsächlich einen Beitrag zur Lösung globaler Konflikte leisten können. Dem halte ich entgegen, dass die dramatischen Krisen, denen die Menschheit gegenübersteht, doch ebenfalls nur im Fernsehen stattfinden – okay, im vergangenen Sommer musste ich tatsächlich die Beete etwas mehr wässern und gerade jetzt, Anfang Januar, drehe ich die Heizung ein wenig herunter – und wem, wenn nicht Fernsehhelden, sollten wir denn sonst vertrauen, wenn es darum geht, uns mal wieder zu retten?

Bild: Manu sejas, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons

Sie ist wieder da

Sie ist wieder da

Sie ist wieder da. Natürlich nicht dieselbe, obwohl ich das nicht einmal überprüfen kann, aber es ist schon hinreichend seltsam, dass es die gleiche Single ist, die wir seit ein paar Tagen wieder im Haus haben. 1968 lebte ich schon in Leer in Ostfriesland, ließ meine Haare wachsen, was ja ein Prozess war, der viel Zeit und Aufmerksamkeit benötigte, damit nichts schief ging und für den konzentriertes Musikhören sehr förderlich war. Beat, so nannte sich, was wir da hörten, bis mir ein Kumpel sagte, dass es ab sofort Rock hieße. Warum die einzige geschmackssichere und unersetzliche Musiksendung im bundesweit zu empfangenden Fernsehen bis zu ihrem Ende weiterhin Beat-Club heißen durfte, hat sich mir bisher nicht erschlossen. Egal.

Ich hörte also Beat. Aber mein musikalischer Geschmack war mehr vom deutschen Schlager, als vom amerikanischen Rock’n Roll geprägt worden. Freddy, Gitte und Rex und was da noch lief, neben den beliebtesten Operettenmelodien. Damit war ich, damit waren viele meiner Generation nicht gefeit gegen den Angriff der Musikindustrie, die zügig erkannt hatte, dass das Phänomen Popmusik sich doch recht gut eignete, Kasse zu machen. Natürlich wurden schnell Bands gecastet und Hits von erfahrenen Teams produziert. Die Hitparaden waren voll von dem Zeug, Massenware für die schnelle Mark im Plattenladen. Qualitätskriterien hatte ich zunächst überhaupt nicht.

Mir gefiel, was ich hörte, wenn es nur englisch war und die Leute lange Haare hatten. Ja, manches in meiner Plattensammlung ist leider nicht anders zu erklären. Schon bald kam aber ein drittes Kriterium hinzu: Gut war, was meine Freunde auch mochten. Später war auch gut, was manche Leute nicht mochten. Inzwischen haben sich meine Ohren an den Klang der Welt gewöhnt und ich kann nicht mehr erklären, warum mein Geschmack ist, wie er ist und warum ich die Musik, die ich eigentlich mag, so gut wie überhaupt nicht höre und stattdessen ständig irgendein Zeug höre, dass ich definitiv nicht mag. Das wäre mir 1968 nicht passiert.

Oder doch, denn darum geht es hier. Als großstadterprobter Beatfan kaufte ich in Leer meine Schallplatten nicht, wie noch in Hagen, in einem kleinen, dunklen Radio-Fernseh-Laden, in der Mitte des Raumes ein paar Tische, ich weiß nicht, wie diese Teile hießen, die wie ein nach oben offenes Regal, genau, ein horizontales, nach oben offenes Regal aussahen. Da standen die LPs von Künstlern, die ich nicht kannte oder nicht mochte. Und dann gab es noch kleinere Kästen mit Singles, dem täglichen Brot des beatsüchtigen Teens. In Leer führte der zuständige Händler auch Kühlschränke, Waschmaschinen und alles, was sich die Welt des Jahres 1968 unter weißer und brauner Ware vorstellte. Mit fünf Mark in der Tasche, Geld, das zu Musik werden sollte, stand ich also in einem profanen Geschäft, das meine Kaufentscheidung für eine Nummer 1 der Hitparaden mit der für eine Wäscheschleuder gleichsetzte, nein, sie weit hinter dieser Entscheidung einordnete.

Vielleicht erklärt das, warum ich eines Tages mit der aktuellen Single der Bee Gees nachhause kam, mit World. Wie gesagt, im Radio lief Popmusik nur unter Sicherheitsvorkehrungen und mit Warnhinweisen, im Fernsehen einmal im Monat. Ich kannte manche Stücke aus der Hitparade, wenn die nicht gerade am Samstag zur familiären Badezeit lief, manche kannte ich nicht, bevor ich sie auf meinen Plattenteller legte. Wie gesagt: englisch und lange Haare. Diese Voraussetzungen erfüllten die Bee Gees. Dann hörte ich mir den Song an und er war nicht kompatibel mit den Small Faces, mit den Byrds oder mit der Spencer Davis Group. Also verschenkte ich die Single an Michael, ich weiß seinen Nachnamen nicht mehr, ein Typ in meiner Klasse mit einem Lockenkopf wie Art Garfunkel. Also der junge Art Gurfunkel. Und mit mehr Haaren. Er war glücklich, eine Platte umsonst zu bekommen, ich war froh, dass Ding los zu sein. Jetzt ist sie wieder da. Ein Kreis schließt sich. Könnte man sagen, aber weshalb sollte man?

Foto: Von NCRV – 68411162-7 pos.png Beeld en Geluidwiki – Gallery: TwienBeeGee’s bij Twien (NCRV, 1968). Archief Beeld en Geluid, catalogusnummer 68411162, fotonummer 7, CC BY-SA 3.0 nl, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9801882

Frieden schaffen!

Ich weiß nicht, was ich denken soll. Auf einmal alle gemeinsam auf der Straße, gemeinsam für mehr Waffen und für einen Schulterschluss mit jedem, der nicht Putins Positionen teilt? Irgendwas daran kann doch nicht stimmen. Irgendwas übersehen wir. Finde den Fehler. Okay, ich bin bereit, sofort die aktuell von jedem geforderte Erklärung abzugeben: Ich finde es nicht akzeptabel, dass russische Truppen in die Ukraine einmarschieren und dort was auch immer wollen.

Ich finde es aber auch nicht akzeptabel, dass jede und jeder, der über einen russischen Pass oder eine ausgeprägte Nähe zu Russland verfügt, jetzt Unterwerfungserklärungen abgeben muss, ob er nun ein Orchester dirigiert oder Fußball spielt. Das kann auch nicht die Welt sein, die wir in Zukunft wollen. Ich erinnere mich an das Ende der DDR und die peinlichen öffentlichen Befragungen bei Wetten, dass? Wer als Promi aus der DDR ins Westshowgeschäft wechselte, wurde quasi entsozialisiert, um mal einen analogen Begriff für das zu basteln, was nach dem WK II in Deutschland geschah. Auch das – die Entnazifizierung – war vermutlich richtig, vermutlich schreibe ich nur, weil ich nicht dabei war, weil ich nicht weiß, wie das gemacht wurde und weil ich weiß, dass die Persilscheine großzügig verteilt wurden und wir alle, die nicht rechtzeitig nach Südamerika flüchten konnten, zügig wieder in Amt und Würden gebracht haben.

Die DDR-Promis hatten es nicht so leicht, die mussten vor einem Millionenpublikum Farbe bekennen, und die hatte schwarz-rot-gold zu sein – ohne Hammer und Zirkel im Ährenkranz – und sie mussten Einsicht zeigen und dem Unrechtsstaat DDR abschwören. Dann erst wurden die Futtertröge freigegeben.

Wenn jemand aus Russland kommt und Putin okay findet, dann soll er das halt, solange er hier nicht gewalttätig wird oder mit Gewalt droht. Das nennt man Meinungsfreiheit. Wir dürfen dann alle aufstehen und buh rufen. Der öffentliche Gesinnungs-TÜV gefällt mir nicht. Ich sehe mich auch noch nicht auf einer Großkundgebung mit einer halben Million Menschen, die Atomwaffen für Deutschland fordern.

Da muss es doch einen anderen Weg geben, das kann doch nicht die Lösung sein. Mit mehr Waffen konnte man Syrien, den Irak oder Afghanistan doch auch nicht befrieden. Mir geht das zu schnell, zu glatt, zu einstimmig. Und in ein paar Jahren haben wir ein waffenstarrendes Deutschland in der Mitte Europas, dass jedem Angst macht, der sich nicht zu 100 Prozent bekennt. Wozu auch immer.

Immerhin können wir dann die Festung Europa gegen die Klimaflüchtlinge verteidigen, denn die werden kommen, auch wenn die Klimakatastrophe wegen anderer Katastrophen gerade mal vertagt wird.

Und ja, ich leide mit, wenn ich die Bilder aus der Ukraine sehe und die Menschen, die dort um ihr Leben fürchten und kämpfen und die jungen russischen Soldaten und überhaupt die Menschen, die einem Krieg ausgesetzt sind, den niemand braucht.

fie muß fie auch deuten

fie muß fie auch deuten

Heute suchte ich im Netz nach der Verwendung plattdeutscher Bezeichnungen für Onkel, Tanten und andere Verwandte im Münsterland und kam, wie sich das gehört, ordentlich vom Kurs ab. Warum ich beim Handbuch der Deutschen Mythologie aus dem Jahr 1855 gelandet bin, kann ich nicht einmal sagen. Nur so viel: Es ist von Google digitalisiert worden. Eigentlich bin ich ein Befürworter der Digitalisierung von Büchern, gerade von alten Werken, an denen es keine Rechte mehr gibt und die nur ab und zu jemanden interessieren und deren Zustand es oft auch nicht erlaubt, sie im Original zu lesen. Was aber hier entstand, hat Comedy-Qualitäten. Ich stelle mir den Text vor, gelesen von einem Häschen.

„Soll die Mythologie mehr fein als Aufzählung der Götter und Helden, mehr als Darftellung ihrer Thaten und Schidfale, ſoll fih das Bewuſtſein des Volks in der vorhiftorifchen Zeit in ihr fpiegeln, fo darf fie fich nicht begnügen, die Mythen vorzulegen, fie muß fie auch deuten, den Logos des Mythos erfchließen. Dft freilich dringen wir zum Berftändnifs eines Mythus nicht vor, weil uns der Sinn noch verſchloßen ift“

So ist es, oft dringen wir zum Verständnis nicht vor, weil uns der Sinn noch verschlossen ist. „Schidfale“ mag ich übrigens besonders gern. Stellen wir uns das kurz auf der Bühne in Bayreuth vor, da zerbröselt jedes Pathos.

Die eingesetzte Software zur Schrifterkennung dürfte kurz nach der Entstehung des Originaltextes erworben worden sein und umfasst neben einigen Befehlen wahrscheinlich auch Bitten und Verwünschungen.

Bild: Von Corageousdddjrrrrr – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46796601