Zwei Filme

Zwei Filme

Wir waren im Kino. Zweimal. Ein Mann ist tot, vielleicht ermordet, vielleicht ein Unfall, möglicherweise ein Selbstmord. Ein Mann geht zur Arbeit. Jeden Morgen. Der eine ist Professor für Literatur, nehme ich an und Franzose, der andere ist Japaner und putzt Klos. Der eine ist verheiratet und hat einen Sohn, oder besser: war verheiratet und hatte einen Sohn, denn er ist ja tot. Der andere hat eine Nichte und eine Schwester und einen Vater.

Der tote Professor wäre gern etwas gewesen, was er vielleicht nicht sein konnte, ein Schriftsteller nämlich. Der lebende japanische Toilettenmann ist offenbar ganz glücklich mit dem, was er tut. Vielleicht, weil er es so tut, wie ich mir das von Japanern vorstelle, die ganz im Hier und Jetzt sind. Alles, was ich über Japan weiß, weiß ich von Haruki Murakami. Also nicht persönlich. Obwohl: Wenn ein Autor eine Geschichte schreibt und ich die lese, dann weiß ich das doch von ihm persönlich, oder?

Gilt das auch, wenn ich eine Übersetzung lese? Das ist ein Thema des Romans, den ich gerade lese, der nichts mit Japan zu tun hat und der Babel heißt und von R. F. Kuang geschrieben wurde. Frau Kuang ist eine in China geborene Amerikanerin und nein, Asiaten sind nicht alle gleich. Nehme ich an. Ich weiß, wie gesagt, nichts über Asiaten, was mir nicht Haruki Murakami erzählt hat und der erfindet immer ganz viel dazu.

Tampopo kenne ich natürlich auch. Diesen Film über Nudelsuppe. Und deshalb denke ich, dass Japaner, wenn sie Nudelsuppe kochen oder Klos putzen, eben nichts anderes tun als das und dann ist es richtig, das, was man da gerade tut, so gut man es kann zu erledigen, weil man gerade eben nichts anderes macht und dann macht man, was man macht, mit aller Konzentration und Hingabe und macht es deshalb auch irgendwann gut. Sehr gut sogar. Ob man nun Nudelsuppe kocht oder Klos putzt.

Wenn man schreiben will und das nicht mit voller Konzentration tut und deshalb nicht so gut, wie man das tun könnte, dann wird daraus nichts, das wäre die Lehre, die man ziehen könnte, wenn man beide Filme sehen sollte. Aber das war natürlich nicht die Intention der Regisseure.

Der eine war übrigens Wim Wenders, der aus Düsseldorf kommt und dort kann man sehr gut Ramen essen. Jetzt wollte ich gerade sagen, dass ich über Ramen nichts weiß, außer was mir Haruki…, aber das hätte nicht gestimmt, weil ich zwar noch nie Ramen gegessen habe, dafür aber Tampopo gesehen habe und die Nudelsuppe, die dort gekocht wird, das ist natürlich Ramen oder die heißt Ramen oder wie man das jetzt richtig sagt.

Die Frau des Professors ißt in einer wichtigen Szene des Films auch Nudeln und sie findet die sehr lecker, obwohl das zu dem Moment überhaupt nicht passt, aber es ist schön, wenn Menschen zu schätzen wissen, was man ihnen gekocht hat, ansonsten ist sie Schriftstellerin und erfolgreich, weil sie ihr Schreiben allem anderen vorzieht, auch dem Professor und vielleicht sogar ihrem Sohn. Deshalb ist sie verdächtig, sie ist aber auch Sandra Hüller, also Sandra Hüller spielt eine deutsche Autorin in diesem französischen Film, in dem niemand richtig sympathisch ist, aber dafür ist er trotzdem spannend.

Doch, der Hund, der ist nett, aber der hat komische Augen, während der Sohn blind ist und auch irgendwie komische Augen hat. Der Sohn ist aber auch auf seine Art komisch. Und 11 ist er und man fragt sich, warum er dem gesamten Prozess beiwohnen darf, obwohl er doch ein wichtiger Zeuge ist und ziemlich minderjährig. Aber ich weiß ja nichts über die französische Justiz und den Jugendschutz in Frankreich.

Aber ich wette, dass Klos in Frankreich nicht so sauber sind wie die in Tokyo. Also die in Deutschland auch nicht, aber die in Frankreich, die kenne ich. Junge, Junge, falls die noch so sind…Obwohl, das ist jetzt auch schon eine Weile her.

Der Japaner liest übrigens viel, er schreibt nicht, aber das gleicht sich dann ja auch aus, wenn in dem einen Film lauter Schriftsteller auftauchen, muss in dem anderen eben mehr gelesen werden. Musik ist dem Japaner auch wichtiger, aber westliche Popmusik, die gut abgehangen ist, also Siebziger bis Neunziger so etwa.

Murakami macht das auch gern, also Musik in seinen Roman aufrufen. Er kann sie ja nicht spielen, aber wenn er die Titel nennt, kann man sich ja schon mal die Mühe machen, die Musik dazu auch zu hören. Es ist schön, wenn das Buch einen Soundtrack hat, auch wenn er den Hintergrund für etwas liefert, dass man nicht so gut versteht, auch wenn man vieleicht denkt, dass man es verstehen würde. Aber ich verstehe natürlich den Japaner nicht so gut, der sein Leben dem Putzen widmet, weil ich nicht so gern putze und lieber schreibe.

Den Franzosen, der gern schreibt, aber nicht dazu kommt, weil er putzen muss, vielleicht auch das Klo putzen muss, weil seine Frau das nicht tut, die in der Zeit lieber ihren nächsten Roman schreibt, den kann ich verstehen. Obwohl der eigentlich Französisch spricht und das spreche ich genauso wenig  wie Japanisch.

Den Japaner erschüttert es, dass seine Emotionen, die er so sorgfältig durch einen gleichförmigen Tagesablauf geglättet hat, von einer Frau oder besser von deren todkrankem Exmann geweckt werden. Den Professor erschüttert nichts mehr, aber seine Frau und sein Sohn müssen für sich klären, wie und warum etwas geschehen ist, das nicht hätte geschehen müssen, wenn Menschen ihre Emotionen ordentlich geglättet hätten und das, was sie machen, eben mit aller Hingabe machen würden. Hausaufgaben mit einem Kind oder Kochen für eine Familie.

Einen Roman zu schreiben ist auch Arbeit, einen Roman zu lesen aber auch. Und Putzen und Kochen. Ob das eine besser ist als das andere und warum wir das vielleicht so sehen und das auch sehr unterschiedlich schätzen und bezahlen, das hat etwas mit der Kultur zu tun.

Was nicht ganz stimmt, denn auch die Japaner schätzen den Schriftsteller mehr, also Murakami zum Beispiel und den Klomann nicht so sehr. Aber ich denke zumindest von ihnen, dass sie etwas richtig gut machen können, auch wenn es gesellschaftlich nicht so hoch geschätzt wird, weil alles wert ist, richtig gemacht zu werden.  Bei dem französischen Film sind es dramatische Momente, die uns mitnehmen, in dem japanischen ist es der ruhige Fluss der Erzählung,  in dem auch das Drama zum Alltag gehört und höflich zur Kenntnis genommen wird.

Also mir hat der japanische Film besser gefallen, aber von Filmen verstehe ich auch nichts. Und wie man eine ordentliche Filmkritik schreibt, lerne ich auch nicht mehr. Ach so: Perfect days hieß der eine Film und Anatomie eines Falles der andere.

8 Gedanken zu “Zwei Filme

  1. „Es ist schön, wenn ein Buch einen Soundtrack hat.“ Das ist wahr. Oder, wenn mir aufgrund der Wörter, der Figuren und der Handlung einer einfällt. Ich erlebe das öfter. Mir fallen sogar manchmal zu Statements von Baerbock oder Scholz Soundtracks ein. Bei Scholz ist oft das Schlagzeug im Vordergrund in einer jazzigen, improvisatorischen Art. 0der Sandy Nelson. Bei Baerbock dagegen ist es Orgel. Nicht Bach. Eine Schülerin und Dreiklänge. Der Künstlername fehlt mir. So ertrage ich die TV-Nachrichten noch. Es ist schön, wenn das Leben einen Soundtrack hat.

    Und schön, lieber Manfred, wenn mich jemand darauf bringt.

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