Übergangslos

Foto: Elfie Voita

Es musste nach Mitternacht sein. Das letzte Mal, als er auf die Uhr geschaut hatte, war es jedenfalls 23:59 Uhr. Der Countdown im Fernsehen lief schon. Dann fiel der Strom aus. Das war nicht das erste Mal passiert. Das Handy…keine Akku mehr. Er lauschte, ob irgendwo geballert wurde, nein, nichts. Wie in den letzten Jahren. Die alten Leute hatten keine Lust auf Knallerei, die jungen feierten woanders.

Zur Sicherheit zählte er noch bis sechzig und gab noch zehn drauf, weil man ja immer zu schnell zählte. Das müsste es jetzt aber gewesen sein. Neues Jahr. Obwohl es genauso wie das alte aussah und, schlimmer noch, sich auch so anfühlte. Das Feuerzeug versagte beim Versuch, die Zündschnur des Batteriefeuerwerks in Brand zu setzen.

Dann eben die Streichhölzer. Die Zündschnur glomm Weiterlesen

Ein gutes neues Jahr

Bild: Manfred Voita

Der Mann war mit einem der Vorortzüge in die Stadt gekommen. Kompliziert, mit Zugausfällen, mehr Haltestellen und Umstiegen. Eine Tasche hatte er noch bei sich, die andere war irgendwo im Gedränge abhanden gekommen. Zu viele Menschen auf zu wenig Raum, zu viele Betrunkene, zu viel Aggression. Bereitschaftspolizei in der Bahnhofsvorhalle, Männer mit Hunden, die breitbeinig, die Hände in die Hüfte gestemmt, den Weg schmal machten. Vielfache Augenkontrolle. Offenbar als harmlos eingestuft, schlurfte er aus der Halle, auf den großen Platz. Gleich neben ihm knallte es. Scherben auf dem Boden, ein ausgeleerter Abfalleimer. Mayonnaisefußspuren.

Der Anruf hatte ihn nachmittags erreicht, rasch hatte er noch ein paar Sachen eingepackt und war gleich los. Blöd, dass er kein Auto hatte.

Lachen. Eine Gruppe junger Frauen, Mädchen, zu dünn angezogen für die Jahreszeit, aufgekratzt und unterwegs irgendwohin. Eine Rakete flog nah an seinem Kopf vorbei, funkensprühend, plötzliches grelles Licht, Farben regneten vom Nachthimmel. In der Ferne Sirenen. Man sollte nicht allein sein in so einer Nacht, in dieser Nacht. In keiner Weiterlesen

Bach, Husten und Böller

Wie rettet man sich ins neue Jahr, wenn man mit Alkohol, Raketen und Kabarett durch ist? Selbst Dario Fo läuft nicht mehr im Theater. Was also dann? Einige Hundert Menschen in Münster haben einen Plan!

In der Apostelkirche in Münster findet das 29. Orgelkonzert in der Silvesternacht statt. Der Kantor Klaus Vetter stellt wie immer ein abwechslungsreiches Programm zusammen, das eine Stunde dauert und um 23 Uhr beendet ist. Ausverkauft. Eine akute Erkältungskrankheit stellt kein Hindernis für den Konzertbesuch dar, sondern gehört eher zu den Vergabekriterien für die Karten. Aber wenn stören Hustenattacken, wenn vor der Tür schon mal die Generalprobe für das Jahresabschlussfeuerwerk stattfindet?

Ein wenig irdisches Jammertal muss wohl sein, auch wenn an diesem Abend nicht gebetet oder gepredigt wird: Es ist kalt in der Kirche. Das ist vermutlich eine protestantische Grundbedingung dafür, Weiterlesen

Vorsätze

Von Theo Crazzolara - Feuerwerk, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=49572793

Von Theo Crazzolara – Feuerwerk, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=49572793

Vorsätze und flüchtige Straftäter werden manchmal gefasst.

Edelsteine können gefasst werden.

Manchmal müssen wir auch die Fassung bewahren, selbst wenn kein Edelstein drin war.

Bei all dem, was uns auch 2017 wieder fassungslos machen wird: Gefasst bleiben und ab und an ein Fass aufmachen.

Vorsätzlich!

Auf ein gutes und friedliches 2017!

Kartentrick

Die Silvestervorstellung im Theater war wie immer ausverkauft und Gisbert Spieß besaß zwei Eintrittskarten. Er kaufte jedes Jahr zwei Karten im Vorverkauf, voller Hoffnung auf einen gemeinsamen Theaterbesuch. Aber es gab niemanden, den er hätte fragen wollen. Gut, wenn Gisbert ehrlich war – und zu wem, wenn nicht zu sich selber, sollte er denn ehrlich sein – hatte es immer jemanden gegeben, den… die er hätte fragen wollen, aber es ging dann eben nicht. Es lag nicht daran, dass er sich vor Frauen fürchtete, es war das Leben, das ihm Angst machte… und natürlich die Frauen. Und so hatte er die Karten alljährlich wieder an der Abendkasse abgegeben.

Die Wände zwischen den Büros waren dünn, so dünn, dass er jedes Wort hören konnte, dass nebenan gesprochen wurde. Fast hätte Gisbert das vergessen, weil das Nachbarbüro so lange leer gestanden hatte. Dann hatte Frau Eisler dort ihren Arbeitsplatz zugewiesen bekommen. Gisbert Spieß hatte ihre Stimme gehört und war hin und weg gewesen… er hatte sich Hals über Kopf… hm… wie hieß eigentlich das akustische Äquivalent zum Vergucken? Verhören doch wohl kaum, oder?

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