Es musste nach Mitternacht sein. Das letzte Mal, als er auf die Uhr geschaut hatte, war es jedenfalls 23:59 Uhr. Der Countdown im Fernsehen lief schon. Dann fiel der Strom aus. Das war nicht das erste Mal passiert. Das Handy…keine Akku mehr. Er lauschte, ob irgendwo geballert wurde, nein, nichts. Wie in den letzten Jahren. Die alten Leute hatten keine Lust auf Knallerei, die jungen feierten woanders.
Zur Sicherheit zählte er noch bis sechzig und gab noch zehn drauf, weil man ja immer zu schnell zählte. Das müsste es jetzt aber gewesen sein. Neues Jahr. Obwohl es genauso wie das alte aussah und, schlimmer noch, sich auch so anfühlte. Das Feuerzeug versagte beim Versuch, die Zündschnur des Batteriefeuerwerks in Brand zu setzen.
Dann eben die Streichhölzer. Die Zündschnur glomm kurz auf und erlosch dann. Endgültig. Kurz vor dem kritischen Punkt. An genau der Stelle, an der der Arm ab war, wenn man nicht aufgeben mochte. Übrig gebliebene Raketen aus 2017 ein Jahr später zu zünden, verstieß vielleicht gegen die natürliche Ordnung der Dinge. Egal.
Er ging wieder rein, steckte das Ladekabel ins Handy und stolperte dabei über die Sektflasche, die er schon geöffnet hatte. Prost Neujahr.
Am nächsten Morgen, wie konnte man sich übrigens sicher sein, dass es der nächste war und nicht der übernächste oder vielleicht der vorletzte? Am nächsten Morgen also war das Handy wieder aufgeladen. Keine neuen Nachrichten.
Dann fiel sein Blick auf das Datum: 32. Dezember 2018.
Das muss wohl am achten Weihnachtstag gewesen sein.
Gefällt mirGefällt 3 Personen
Die Entfernung zwischen Weihnachten und Silvester wird nicht in Tagen sondern in Kilo angegeben.
Gefällt mirGefällt 3 Personen
*hahaha*
Gefällt mirGefällt mir
Vielleicht musste man einen Tag einfügen, weil sich herausstellte, dass die Berechnung der Schaltjahre nicht ganz richtig war.
Gefällt mirGefällt 2 Personen
Fängt man erst mal an, die mathematische oder astronomische Seite des Jahreswechsels bzw. der Zeitmessung zu bedenken, wird es ja noch viel magischer. Jedenfalls für jemanden wie mich, der im Alltag mit dem Dreisatz auskommt. Außer beim Schreiben, da brauche ich mehr.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Timeshifting – ein Phänomen der vorangegangenen Rau(h)nächte?
Gefällt mirGefällt 1 Person
Ja. Neben dem kleinen Gag geht es natürlich auch um die Frage, was ein Jahreswechsel bedeutet, mal abgesehen davon, dass wir Zeit zählbar machen wollen. Dass es Rituale gibt, die uns dabei helfen, Ereignisse besser zu behalten, wie z. B. die Ohrfeige, die bei den Schnatgängen den Kindern verabreicht wurde, damit sie sich die Grundstücksgrenzen einprägten. Aber der Jahreswechsel wird ja nicht umsonst mit Feuerwerk begleitet, auch da wird das alte Jahr ausgetrieben, es geht um böse Geister, offenbar also einen Moment, der nicht ganz einfach zu meistern ist. In meinem Text scheitert der Protagonist daran.
Gefällt mirGefällt mir
Ich mag die Vorstellung, dass gewohnte Vorgänge wie die Zählung der Kalendertage ausgehebelt ist. Daraus ergeben sich existenzielle Fragen. Ist der Protagonist deiner Geschichte als einziger aus der Zeit gerutscht? Lässt sich das richten oder muss er ab jetzt in einer seltsamen Parallelwelt verbleiben?
Gefällt mirGefällt 1 Person
Vermutlich ist er kein Einzelfall. Die Gelegenheit, noch ins neue Jahr zu gelangen, ergibt sich anlässlich des orthodoxen Neujahrsfests. Aber interessant wären die Situationen, in denen es eine Rolle spielt, dass er nicht up to date ist./p>
Gefällt mirGefällt 1 Person
„Die alten Leute hatten keine Lust auf Knallerei, die jungen feierten woanders.“ So auch am Sentmaringer Weg. Dann kamen doch zwei Leute noch aus der Hütte, die man vom letzten glorreichen Jahreswechsel kannte, die eine mit vier Gläsern, der andere mit der Sektpulle, die er aber sofort öffnete, zur Leerung kräftig schüttelte, in die Flasche die Abschußrampe setzte, Zippo dran, und hoch und weg, und er auch sofort danach. Sie rief noch hinterher: Du Arsch! – Aber ich hatte, unser Glück fürs neue Jahr, noch einen intakten Sekt dabei. Tja, Prost Neujahr in Münster.
Gefällt mirGefällt mir
Nicht zu vergessen: Tolles Foto!
Gefällt mirGefällt mir