gerade in unerklärlichen zeiten
treffe ich auf
immer mehr allwissende
als kinder haben sie nicht geschaukelt
als tote sind sie
einfallslos
Rainer Strobelt (2015)
gerade in unerklärlichen zeiten
treffe ich auf
immer mehr allwissende
als tote sind sie
Rainer Strobelt (2015)
ich sitze ein
warum
stellte dir ein bein
du sitzt beim wein
warum
dir schenkt man ein
darf das so sein
wieso
der hats und die kein schwein
Rainer Strobelt
26.10.22
Und nun der Werbeblock:
Als Rainer Strobelts neues Buch „Strittig die dritte: Frische Kurzprosa vom kolossalen Minimalisten“ erschien, habe ich dazu die folgende Rezension verfasst:
Bereits zum dritten Mal lässt Rainer Strobelt sein Alter Ego zu Wort kommen. Strittlinge nennt er seine Kurzprosa, seine Einwürfe, Widersprüche und Gedankenblitze. „Sich mit Worten auseinandersetzen“ findet sich als eine mögliche Erklärung des Wortes strittig und schon gehen die Auffassungen auseinander, denn statt der Auseinandersetzung mit einem Gegenüber, dem Streit also, setzt Strittig sich mit den Worten auseinander.
Nicht selten kann und will er, was er hört, liest oder erlebt, auch was er denkt, nicht einfach hinnehmen, traut den Wörtern nicht und weiß doch genau, dass es keine anderen, zumindest keine besseren Mittel gibt, um sich mit der Mehrdeutigkeit oder, schlimmer noch, mit der Eindeutigkeit der Welt auseinanderzusetzen. Strittig erklärt uns nicht die Welt, Strittig leidet mit uns, für uns an ihr, doch bewahrt er sich bei aller Weltklugheit auch seine Naivität, denn da ist immer auch das Lachen, der Spott und vor allem das Staunen, das Staunsyndrom, wie es im Strittling 212 heißt.
Strittig ist aber nicht der Elefant im Elfenbeinturm, keiner, der seinen Platz in der Ruhmeshalle der Dichter und Denker schon mal mit einem Handtuch reservieren würde, nein, Strittig bleibt angenehm selbstironisch, wie im Strittling 405: „Strittig klimpert eine Melodie. Meint La Traviata zu geben, wo doch die Kinder hinter der Hecke Alle meine Entchen mitträllern.“ Mit „Strittig die dritte“ macht Rainer Strobelt es wieder kurz, kein Strittling ist mehr als ein paar Zeilen lang und wer mag, ist schnell damit durch. Kurzprosa eben. Fürs gleiche Geld darf man aber auch verweilen, hin und her blättern, Entdeckungen machen, staunen, lächeln und verständnislos die Schultern zucken. So soll es sein: Strittig
Rainer Strobelt hat ein neues Buch veröffentlich und ich habe ein paar hoffentlich verkaufsfördernde Zeilen dazu geschrieben.
Lüfte fragen
Sagen Sie nicht, dass Sie mit Lyrik nichts am Hut haben.
Wir alle kennen Gedichte und seien es die, die wir in der Schule auswendig lernen mussten und die manchen von uns die Freude an dieser kunstvollen Form des Umgangs mit Sprache verdorben haben. Rainer Strobelt verlangt nicht von Ihnen, dass Sie seine Gedichte auswendig lernen. Er würde es, wenn er es könnte, da bin ich mir sicher, aber Sie sind auf der sicheren Seite, wenn Sie sein neues Buch einfach nur kaufen und lesen.
Sie kriegen zwar nicht viel für Ihr Geld, aber so ist das mit Lyrik und wenn Sie es nicht mögen, sind Sie wenigstens schnell damit fertig. Aber Sie werden es mögen und mancher Text wird Ihnen nachschleichen wie Rilkes Panther. Und bei Lyrik ist es definitiv nicht die Länge, die zählt. Da ist zunächst einmal die Sprache und die offensichtliche Freude, die Rainer Strobelt daran hat, mit Worten zu gestalten. Dann ist da noch sein Humor, der Teelöffel Zucker, der uns hilft, die – ich will es Ihnen nicht verschweigen – auch ernsteren Themen, die in diesem Buch anklingen, anzunehmen. Und ernster als das Leben ist das Buch auf keinen Fall, aber genauso kurz.
wirkung
also kann auch schnee von gestern
mächtig heutig sein
sink ich doch
nach flockenfreier nacht
tief
ins resultat hinein
wie verharscht
und wie verkrustet
mag das morgen sein
Rainer Strobelt
9.2.21
bitterkraut
unter affen zu leben
wär mir vielleicht zu laut
mit schlangen einher zu züngeln
hätt ich da die passende haut
bleibe wohl bei den menschen
auch wenn sich mir die galle staut
an eckern nix zu meckern
bucheckern prasseln
ein sturm zieht auf
noch noch
kann natur verlauf
herbst muss
muss es ja
den sommern vermasseln
Rainer Strobelt, 23.9.20
Mama, wir dürfen nicht in die Schule! Warum darf Onkel Tönnies das denn bestimmen, will er denn nicht, dass wir noch mehr über die lieben Schweine lernen? Die sind uns doch so ähnlich, hat die Lehrerin gesagt.
Vielleicht will er gar nicht, dass wir lernen, wieviel Aua das macht, wenn die ermordet werden.
Aber wir wollen das alles wissen und auch wieder in die Schule. Onkel Tönnies ist vielleicht gar kein lieber Onkel.
Och, Mama!
Rainer Strobelt, 17.6.20
weltmeister sind eigentlich geldgeister
als die 54er das wort weltmeister erschufen
grummelten am horizont der ballsicheren zukunft
schon einige 18er indem sie insistierten
sie würden sich ja wohl einen reichhaltigeren reim
auf die dinge gemacht haben mit dem wort
geldgeister
(Rainer Strobelt für den Voita-Blog, Juni 2018)
Szene
Deutschland
2017
Juli
Supermarkt
Ein ca. einjähriges Kind im Kinderwagen, quängelnd
Die Mutter, eingehend
Was ist denn heute mit dir?
Jetzt gehen wir nach Hause.
Ich mach dir was Leckeres zu essen.
Dann hebt sich
auch deine Stimmung
ein bisschen.
dilemma weg
dann wurd ich doch noch siebzig
hat man da
voraus zu schauen
oder guckt man mehr zurück
wollts gar nicht entscheiden
ließ eierlikör ran
schlürf schlürf
und leck
By Hajotthu (Own work) [GFDL or CC BY 3.0], via Wikimedia Commons
Rainer Strobelt hat mir einen Text zum Thema „Der Zauber hält an, Erika!“ zur Verfügung gestellt. Hier ist er:
florentinerin beinah schon verBargt
geh nur in die heide
richtung Arno
und leide
mit
Schmidt
1.1.2017, 00:01 Uhr, der nörgler sucht schon
das neue jahr
ist so dermaßen jung
es herrscht jungfräuliche frühe
da findet er einfach noch kein haar
in dessen ungetrübter bouillon
wie er sie hasst eine jede klare brühe
Warum schreibt einer keine Regionalkrimis, wenn er schon schreiben muss? Und schreiben muss Rainer Strobelt. Seit vielen Jahren notiert er, sammelt Eindrücke, Gedanken, Worte. Reist, ist aber auch mit Bus und Bahn in der Region unterwegs, gern auch mit dem Fahrrad. Betreibt quasi Feldforschung, saugt sich voll mit Bildern und Notaten und nimmt sich dann die Zeit, die es braucht, Abstand zu gewinnen, zu überdenken und schließlich zu formulieren. Reduziert und konzentriert sind seine Texte. Weiterlesen
Die Gestalt gewordene Arschbombe unter uns ist dann aber derjenige, der diese hübsche Impression für alle über Wasser hält. Bei Ebbe. Und bei Flut.
Im November oder Dezember erscheint im Segler-Verlag das neue Buch meines Freundes Rainer Strobelt.
Rainer kündigt seine Veröffentlichung so an:
wir sitzen
obwohl wir noch stehen können
wir sehen Khedira
und denken doch an Briegel
wir halten es für richtig
dass Poldi und Schweini auf ewig die kegel aufstellen
wir schnalzen mit der zunge
(im doppelpass mit einem freistehenden zahn)
28.6.2016
Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung von Rainer Strobelt.
Wenn man bei zeitgenössischer Lyrik auch Vorsicht walten lassen sollte, wenn es darum geht, die Intention des Autors zu ergründen, vermute ich einfach mal einen direkten Zusammenhang Weiterlesen