Junge Stimmen

Junge Stimmen

Wir entscheiden die Wahlen. Klingt trivial, ist es auch. Natürlich, wer sonst? Klingt weniger schön, wenn man sich dieses wir genauer ansieht, denn wir, die Alten entscheiden. Ab wann man sich zu den Alten zählt, interessiert mich eigentlich nicht sehr, aber die Wählerinnen und Wähler, die 50 und älter sind, stellen die Mehrheit der Stimmberechtigten und nicht nur das, ihr Anteil an denen, die tatsächlich wählen, ist noch einmal größer. Wir dürfen nicht nur wählen, wir tun es auch. Und in den nächsten Jahren wächst diese Gruppe weiter.

Wir sind die, denen es gut geht. Ja, ich weiß, nicht allen ab 50 geht es gut. Wir sind auch die, die mehr Zeit beim Arzt verbringen, als gut für die Krankenversicherungen ist. Zu uns gehören auch diejenigen, die kaum mit ihrem Geld auskommen und die jobben müssen, bis der Arzt kommt. Aber der kommt ja nicht, der behandelt unsere Zivilisationskrankheiten.

Wir sind tendenziell konservativ, wir wollen nicht, dass sich Dinge ändern, weil wir uns die Namen der Handelnden dann nicht mehr merken können und in einer Welt, in der nichts mehr sicher zu sein scheint, sollten wenigstens die Renten sicher sein. Wir machen uns keine großen Sorgen um den Klimawandel, weil wir mehr Angst vor Kriminalität und Terrorismus haben, vor zu vielen Ausländern und zu wenigen Pflegerinnen und Pflegern. Vor dem Gendern und davor, dass die Bäckerblume und die Apothekenrundschau eingestellt werden könnten. Wir mögen es sicher, sauber und satt. Gegen uns entscheidet keiner.

Nach uns die Sintflut.

Vielleicht sollten wir ein Wahlrecht einführen, dass die Zahl der Stimmen, die ein Mensch bei einer Wahl abgeben kann, an die durchschnittliche Restlebenserwartung koppelt. Eine 18jähre hätte bei einer Lebenserwartung von 83 Jahren dann 65 Stimmen, eine 83jähige, gut, sein wir nett, 1 Stimme. Die, über deren Zukunft entschieden wird, würden über die Zukunft entscheiden. Jetzt sagt bloß nicht, junge Leute seien nicht erfahren und vernünftig genug. Ich weiß, was für einen Unfug ich anstelle und was für einen Unsinn ich mir zurechtdenke. Okay, es muss ja nicht gleich jeder so seltsam sein wie ich. Aber klüger und besser als der Rest sind wir auch nicht.

Wenn wir die Stimmen dann auch noch verteilen dürften, kämen viele lustige Parteien in die Parlamente. Ich fürchte nur, dass ich mit den Ergebnissen solcher Wahlen genauso unzufrieden wäre, wie mit den gegenwärtigen.

Bild: Francis Danby, Public domain, via Wikimedia Commons

Heute auf dem Kreuzweg

Graham Crumb/Imagicity.com [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, via Wikimedia Commons

Ich lass sie zappeln.

Sollen sie doch denken, ich hätte es vergessen.

Oder hätte was Besseres vor. Mein Altpapier nach Formaten sortieren. Die Seiten meines Collegeblocks vorsorglich mit Lochverstärkungsringen ausstatten. Die Stacheln unserer Kakteen mit Schutzhäubchen versehen.

Aber dann, kurz vor achtzehn Uhr, wenn sie sich schon freuen, dass ich nicht da war, dann komme ich, gebe meine Stimme ab und entscheide die Wahl.

Wahlkampfmittelräumdienst

Von Carl Spitzweg – The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-ROM, 2002. ISBN 3936122202. Distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=159098

Hochgeschrocken in der Nacht,

tröstet mich,

Frau Merkel wacht.

 

Alles ist gut. Ganz sicher. Sicher ist es natürlich nicht, aber damit es sicher wird, sicherer wird, zumindest aber so sicher bleibt, wie es bisher war, müsst ihr schon richtig wählen. Es gibt viele gute Gründe sich zu fürchten. Und ihr solltet euch fürchten, nicht gleich zu sehr, nicht so, dass ihr AfD wählt. Die Kanzlerin verspricht euch Kontinuität. Nichts wird passieren. Oder doch, schon. Aber die meisten von euch werden es überleben. Oder vergessen.

Es geht euch gut. Aber es könnte euch besser gehen. Schlimmer noch, es könnte euch schlechter gehen. Die Welt will euch etwas wegnehmen. Dazu hat sie kein Recht. Ihr seid im Recht, wir sind im Recht. Wir sind die Guten. Halt, nicht gleich übertreiben, nicht gleich Grün wählen. Weiterlesen

Geschenke mit Preisschildern

By CDU [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)%5D, via Wikimedia Commons

 

Ach, waren das noch Zeiten, als man an der Wahlurne gleich die gesamte abendländische Kultur retten konnte. Jetzt retten wir nur noch die FDP, die Grünen oder die Linken, alle anderen Parteien sind nicht mehr zu retten, nein, falsch ausgedrückt: haben sich längst in Sicherheit gebracht.

Vor dem Hintergrund der gewaltigen Umverteilung von unten nach oben, die in diesem Lande stattgefunden hat, in Anbetracht der Armut der meisten Gemeinden, Städte und Kreise, die zu immer neuen Leistungseinschränkungen bzw. zum selbstverständlichen Verzicht auf eigentlich notwendige Angebote führt (ich verzichte mal auf die Beispiele), unter Berücksichtigung all dessen sehe ich Wahlplakate, in denen die Union mehr Straßen, die FDP bessere Schulen und mehr Polizisten fordert.* Weiterlesen

Die Farbe der Wahl

https://commons.wikimedia.org/wiki/Orange_(color)?uselang=de#/media/File:Orange_color.jpg

Auch die CDU beeindruckt mich mit ihren Wahlplakaten. Diese Partei hat sich seit einigen Jahren eine neue Farbe verschrieben. „Die Akzentfarbe Orange bietet die Möglichkeit, die emotionale Dimension in der Kommunikation mehr anzusprechen; (..). Außerdem übernimmt Orange auch die optische Differenzierung im Parteienwettbewerb.“

Rot, Gelb und Blau sind, wie wir als stolze Eigentümer eines Farbdruckers wissen, Primärfarben. Orange ist eine Sekundärfarbe, die entsteht, wenn Gelb und Rot gemischt werden. Mit anderen Worten: Die Farbe der Christdemokraten ergibt sich, wenn man ein bisschen FDP, nicht zu viel, denn da stecken auch noch Blau und Magenta drin, mit einem sozialdemokratischen Rot mischt. Da ist die Union von heute doch recht gut beschrieben. Was es die Partei wohl gekostet haben mag, sich von einer Agentur das Orange verkaufen zu lassen. Dabei steckt natürlich nur ein wenig Farbpsychologie dahinter: Weiterlesen

Zahlen, bitte!

ADN-ZB/Donath
Berlin, Januar 1946
Erste FDGB-Wahlen in den Efha-Werken, Berlin-Britz.

Der Wahlkampf in NRW hat begonnen. Nicht, dass ich das in meinem Alltag mitbekommen hätte, aber die Medien und die Politiker haben es uns verkündet. Da ich mich nicht um Inhalte kümmern kann, einfach, weil es keine ernsthafte Debatte über Inhalte gibt, bleibe ich bei den Äußerlichkeiten, die ja vielleicht einen Rückschluss auf Inhalte zulassen.

40 Tage, so hieß es, noch oder nur noch 40 Tage bis zur Wahl. Nun gibt es mehrere Gründe dafür, warum die 40 so erwähnenswert ist – und die Tatsache, dass es noch 40 Tage sind oder waren, ist nur einer davon. Die 40 hat für uns Menschen offenbar schon immer eine ganz besondere Bedeutung.  40 Jahre wanderte das Volk Israel durch die Wüste, gut, so lange hat Frau Kraft auch wieder nicht regiert. Alles beginnt mit der Schwangerschaft – und früher kann es nun wirklich nicht beginnen – die vierzig Wochen dauert. Ein Glück, dass es zur Wahl nicht ganz so lange hin ist.

Nehmen wir es also genauer, denn es geht um Tage: 40 Tage unterrichtete der auferstandene Christus seine Jünger, um dann zum Himmel aufzufahren. Ja, vierzig Tage lang unterrichten uns unsere Parteien, oder wessen Parteien das auch immer sein mögen, um dann mit unserer Hilfe in den Olymp aufzusteigen, über uns zu thronen und zu herrschen. 40 Tage gedenkt man im Islam eines Toten. Auch kein schlechtes Bild: vierzigtägige Gedenkfeiern für die unbemerkt von uns gegangene Idee der Demokratie, die durch etwas viel Besseres ersetzt wurde: den Markt. Den wirklich freien und unbestechlichen Markt, der seine eigenen Gesetze besitzt, echte Naturgesetze, denen man sich nicht entgegenstellen kann, so, wie man sich nicht vor Gericht gegen ein Erdbeben wehren kann.

Noch mal kurz für alle, die längst aus den Augen verloren haben, worum es hier geht: Lange Jahre des Marsches durch die Wüste nähern sich ihrem Ende, endlich sehen wir Land – nein, nicht das Land Israel. 40 Wochen Schwangerschaft, die Zeit der Erwartung geht zu Ende, ein neues Land und eine neue Regierung werden uns geschenkt. Vierzig Tage lang wohl unterrichtet, bis zu ihrem Aufstieg zur Regierungsbank und zu den Fleischtöpfen. Gut, ein Studium, auch eine ordentliche Berufsausbildung dauern länger, aber Minister lernt man eben on the job.

Hab ich was vergessen? Nein, nicht vergessen, ich weiß es einfach nicht besser. Doch… eins noch: Die 40 wird als römische Ziffer mit XL dargestell, da haben wir noch mal Glück gehabt. Einen XXL-Wahlkampf kann nun wirklich keiner brauchen.

Auch Käse im Angebot: Wahlen in den Niederlanden

In den Niederlanden wird gewählt. Geert Wilders, Vorsitzender und einziges Mitglied der PVV (Partei für die Freiheit), geht mit einem Programm in diese Wahlen, das auf eine Seite passt. Ich versuch mich mal an einer Übersetzung:

Konzept Wahlprogramm Partei für die Freiheit 2017 – 2021

Niederlande wieder unser!

Millionen Niederländer haben genug von der Islamisierung unseres Landes. Genug von Massenimmigration und Asyl, Terror, Gewalt und Unsicherheit.

Hier ist unser Plan: Anstelle der Finanzierung der ganzen Welt und von Menschen, die wir hier nicht wollen, geben wir das Geld für den normalen Niederländer aus. Weiterlesen

Vorwärts, egal wohin!

von Bernd Schwabe in Hannover (photograph), Fritz Gottfried Kirchbach (1888-1942, poster) (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) oder Public domain], via Wikimedia Commons

von Bernd Schwabe in Hannover (photograph), Fritz Gottfried Kirchbach (1888-1942, poster) (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) oder Public domain], via Wikimedia Commons

 

„Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleinern Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas – : vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahingegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen.“

Kurt Tucholsky: 16 Satiren – Kapitel 13

Also wenn das nicht blöd ist! Da regiert Frau Merkel mit ihrer C/D/S/U mit wechselnden Partnern, also in so einer Art politischem Swingerclub und jetzt, wo wir uns langsam daran gewöhnt haben, jede Hoffnung auf Veränderung aufgegeben und das Achselzucken als äußerste Form des außerparlamentarischen Widerstands akzeptiert haben, schickt uns ein gewisser Herr Schulz wieder auf eine emotionale Achterbahn.

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