Als ich ein Kind war, kauften wir bei Ischebeck ein, das war der Lebensmittelladen in der Nähe. Was es dort nicht gab, kauften wir in der Stadt. Da gab es Kaufhäuser und Warenhäuser und überhaupt mehr Geschäfte, als mir lieb war. Also nicht nur für Modellautos von Siku und Wiking, einen neuen Karl-May-Band und eine Brühwurst mit Senf und Brötchen, sondern auch für Kleidung, Bügeleisen und Suppenschüsseln. Das dauerte alles so lange, so lang konnte überhaupt keine Wurst sein. Mal abgesehen davon, dass die Wurst ohnehin eher dick als lang war.
Manchmal – und das war aus meiner kindlichen Sicht deutlich praktischer – wurde auch bestellt. Nicht online natürlich, auch wenn Konrad Zuse schon den ersten Computer gebaut hatte. Meine Eltern hatten nicht mal Telefon, sie kannten nicht mal jemand, der Telefon gehabt hätte. Ans Internet war noch nicht zu denken, unsere Phantasien drehten sich, wenn es um das Jahr 2000 ging, um fliegende Autos und den Kontakt zu Außerirdischen. Das Jahr 2000 war mächtig weit weg damals, okay, das ist es inzwischen auch schon wieder. Bestellen bedeutete also, einen Katalog durchzublättern und, hatte man gefunden, was das Herz begehrte, Größe und Farbe zu bestimmen, gern auch mal die Zahl der Raten, wenn man auf Kredit kaufte und das war bei Otto, Quelle, Neckermann und Bader Teil des Einkaufsvergnügens.
Bestellung abschicken, warten. Lange warten. Wochenlang. Gefühlt jahrelang. Dann kam das Paket und manchmal war drin, was man bestellt hatte, manchmal war etwas nicht lieferbar und manchmal passte, was so sorgfältig ausgesucht worden war, dann doch nicht. Bei den Lieferzeiten konnte es schon mal passieren, dass Kinder aus Klamotten rausgewachsen waren, die sie noch nicht einmal bekommen hatten. Dann also zurückschicken. Mit dem Paket zur Post in der Stadt. Weil: Ein Auto hatten wir natürlich auch nicht.
An die Zahlungsmodalitäten erinnere ich mich nicht mehr genau. Anfangs hatten meine Eltern kein Bankkonto. Sowas brauchte man auch nicht, weil der Lohn bar ausgezahlt wurde. Bei der Sparkasse hatte man ein Sparbuch. Ich auch, praktisch gleich nach der Anzeige meiner Geburt eingerichtet. Fünf Mark von der Sparkasse als Startkapital, glaube ich zumindest. Ich nehme an, dass meine Eltern Bareinzahlungen auf das Konto des Versandhauses leisteten, bis es später üblich bzw. notwendig wurde, ein Lohn- und Gehaltskonto einzurichten.
Was es nicht in der Stadt gab und was nicht im Katalog stand, das gab es praktisch nicht. Vielleicht in Amerika.. Die Japaner waren die gelbe Gefahr, die uns alle bedrohte, obwohl sie keine Kommunisten waren und auch keine Atombombe hatten. Aber sie bauten Transistorradios, diese kleinen, zerbrechlichen Teile, vermutlich aus Bakelit, mit denen man überall Radio hören konnte. Obwohl es noch lange dauern sollte, bis es auch einen Grund geben würde, Radio zu hören, denn zu der Zeit, von der ich gerade erzähle, gab es eigentlich nur Nachrichten, Operettenmelodien und wenn es ganz verrückt kam, die Musik aus den wilden Zwanzigern. Mein kleiner grüner Kaktus. In China gab es nur Mao, Kommunisten, seltsam uniformierte Menschen und zu wenig Reis. Das sollte sich ändern.