Sowohl als auch

Sowohl als auch

Mein Leben hätte, wie jedes andere Leben auch, so viele verschiedene Verläufe nehmen können. Das ist eine triviale Erkenntnis, denn jede der etwa 20.000 Entscheidungen, die wir täglich treffen, führt zu einem anderen Lebensverlauf, einem mit einer Waffel Eis in der Hand und einem ohne Eis, einem mit einer Kugel Schokolade und einer Kugel Haselnusseis und einem mit einer Kugel dunkler Schokolode mit Sahne und so weiter und so weiter.

Wenn wir das soweit akzeptiert haben, dann können wir gleich den nächsten Schritt tun: Jede Entscheidungsmöglichkeit wird in einem parallelen Universum realisiert. In dem einen kaufe ich kein Eis, in dem anderen schon. In dem einen eine Kugel Schoko und Haselnuss, in dem anderen die dunkle Schokolade mit Sahne. Multiversen nennt man das und es gibt Leute, die sagen, dass es eher anzunehmen ist, dass diese Multiversen existieren, als das sie nicht existieren und wenn wir uns dafür entscheiden, zu glauben, dass sie nicht existieren, entsteht gleich ein neues, in dem es keine Multiversen gibt. Nehme ich an.

In einem dieser Universen wären meine Eltern nicht mit uns Kindern nach Leer umgezogen, sondern in Hagen geblieben, wo ich dann eine Lehre gemacht hätte. Zum Betriebsschlosser oder Betriebselektriker, zum Schlosser oder sonst was Handfesten. In Leer habe ich nach der Handelsschule eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht, hätte ich die Stelle nicht bekommen, wäre ich vermutlich Schuhverkäufer geworden. Ich weiß sogar wo.

Nach der Ausbildung wurde mit angeboten, in meinem Ausbildungsbetrieb als Industriekaufmann weiterzuarbeiten. Ob ich Buchhalter geworden wäre? Kostenrechner? Stellvertretender Abteilungsleiter im Öleinkauf? Was wäre aus mir geworden, hätte ich die Fachoberschule nicht erfolgreich abgeschlossen? Was, wäre ich der Idee meines Freundes Manni gefolgt, Sozialarbeit zu studieren? In Wilhelmshaven?

Was, wenn mich die Fachhochschule Ostfriesland nicht angenommen hätte? Was, wenn ich einen der notwendigen Scheine auch im dritten Versuch nicht geholt hätte? Wenn ich 1978 den Job in der Zentrale der der Hamburg-Mannheimer in Hamburg bekommen hätte und in Hamburg gelebt hätte?

Wenn ich das Stellenangebot der Landesanstalt für Arbeit in Niedersachsen angenommen hätte und Arbeitsberater oder Arbeitsvermittler in einem niedersächsischen Arbeitsamt geworden wäre?

Was, wenn ich das Stellenangebot des Landkreises Leer in Erwägung gezogen hätte und im Amt für Lastenausgleich in Leer oder bei den Entsorgungsbetrieben auf Borkum gearbeitet hätte? Borkum! Klingt gerade nicht so schlecht für mich.

Hätte ich meinen Doktor in Münster gemacht, wäre der akademische Oberrat schneller mit seiner Habilitation fertiggeworden? Was hätte ich getan mit meinen akademischen Weihen? Was, wenn ich das Stellenangebot der Handwerkskammer Dortmund angenommen hätte und Ausbildungsberater im Ruhrgebiet geworden wäre? Was, hätte ich mich zu einer Bewerbung als SAP-Berater und Entwickler durchringen können?

Was, wenn ich an dem Abend nicht in der Kneipe in Leer gewesen wäre, an dem du dort warst?

Jede Entscheidung ein eigenes Universum und das in Hagen mit einer ganz anderen Plattensammlung als das in Leer.

3 Gedanken zu “Sowohl als auch

  1. Ein immer wieder interessantesw Gedankenspiel. Was wäre wenn gewesen. Ich denke dabei immer an eine Geschichte die mein Vater erzählt. Als junger Mann hatte er bereits alle Papiere um als Schlosser auf einem großen Frachtschiff anzuheuern. Dann lerne er meine Mutter kennen und warf sie weg.

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