Antiquariate sterben offenbar aus. Ich habe noch nie so oft gebrauchte Bücher gekauft wie in letzter Zeit. Zwei Sätze, die sich scheinbar widersprechen, aber nur scheinbar.
Wir waren in Bredevoort, einer niederländischen Stadt. Stadt, weil sie die Stadtrechte besitzt, nicht, weil sie durch ihre Größe das Recht hätte, als Stadt bezeichnet zu werden. Schon Städtchen wäre gelogen. Für ein Dorf könnte man sie durchgehen lassen. Knapp. Alles unter 5.000 Einwohnern zählt in Deutschland als Landgemeinde. Aber, wie gesagt, wir waren in Holland.
Bredevoort ist hübsch, also streckenweise, hier und da mal. Nicht insgesamt, nicht beeindruckend. Die Sint-Joriskerk ist spätgotisch, gut, frühgotisch hätte ich auch nicht erkannt. Es gibt darin einen sogenannten Boerenzolder, eine rustikale Empore gegenüber der Kanzel, die als Bauernspeicher bezeichnet wird, weil Bauern immer so viel zu tun hatten, dass sie oft als letzte in der Kirche ankamen und dann dort oben saßen. Man muss nicht nach Bredevoort, um das gesehen zu haben. Man muss auch nicht nach Bredevoort, um im mittelalterlichen Restaurant zu essen, vor allem dann nicht, wenn man sowieso draußen sitzen möchte.
Aber die Antiquariate. Bredevoort ist nämlich Bücherstadt. Ganz viele Antiquariate… hatten sich dort angesiedelt, bis das Internet kam und die Leute ihre Bücher, gerade auch ihre gebrauchten Bücher online kauften. Ich auch. Schande über mein Haupt. Dabei mag ich es, in Reihen mehr oder weniger vergilbter Bücher zu stöbern und zu finden, was ich nicht gesucht habe. Vorbei. Kaum noch ein Antiquariat ist zu finden und die, die wir finden, haben Ruhetag. Montags. Manche auch montags und dienstags. Zum Glück kriegen wir noch koffie mit appelgebak.
Dann geht es weiter nach Winterswijk. Nur ein paar Kilometer entfernt. Die ganze Stadt hat sich auf den Ansturm der deutschen Nachbarn eingestellt, einen zusätzlichen Markttag installiert und einen Seniorenchor wachgerüttelt, der in der Fußgängerzone sein Bestes gibt. Kibbeling und Kaas, gevulde Koeken und noch ein paar Kleinigkeiten.
Das Antiquariat ist geschlossen.
Tja, sie sterben wohl allmählich aus, die Antiquariate, teilen das Los der Tante-Emma-Läden, leider…
So wie übrigens auch Klassische-Musik-Läden…da gibt’s auch fast kaum mehr welche.
Ein Jammer, das alles!
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Aber eben auch selbstgemacht. Der Preisvergleich und die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Ausgaben und Erhaltungszuständen zu wählen, spricht schon für das ZVAB. Schallplatten kaufe ich erst seit wenigen Tagen wieder, mal sehen, was es noch an Plattenläden gibt.
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Also hier in der Kesselstadt nur noch seeeeehr wenige,
fast nur noch secondhand.
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Schallplatten gebraucht – nein, das habe ich schon abgelehnt, als ich noch regelmäßig Platten gekauft habe. Ein gebrauchts Buch kann eine Geschichte erzählen, eine gebrauchte Schallplatte bringt unter Umständen auch mehr zu Gehör, als die Künstler geplant hatten – aber will ich das hören?
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Mit Sicherheit nicht…
Aber meine Vinyls, die ich hin und wieder durchaus spiele, klingen teilweise immer noch wie neu,
manche davon mit einem Stereoklang wie keine moderne CD.
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Stimmt genau. Das ist der Grund dafür, dass ich wieder Vinyl kaufe.
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Recht hast du!
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Man möchte da gar nicht „gefällt mir“ drücken. Dass ich grundsätzlich keine Bücher im Internet kaufe, wohl aber viele antiquarisch, wird wohl die Entwicklung nicht aufhalten. In Bredevoort stirbt freilich eine noch junge Tradition, habe ich gerade bei Wikipedia gelernt. Bücherstadt ist man erst seit 1993, in Nachahmung des walisischen Bücherdorfs Hay-on-Wye. Das 400-Seelendorf Redu in der belgischen Wallonie ist mit 20 Antiquariaten und Buchhandlungen ebenfalls Bücherdorf. Ich erinnere mich schwach, mal dort gewesen zu sein. Manche lagern da die Bücher lieblos und für die Wallonen typisch in Scheunen und in gammeligen Kartons. Ich finde faszinierend, dass dich deine Reisen und Ausflüge immer wieder zur Literatur führen. Und deine Leser profitieren auch davon.
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Ich finde es ja auch schön, in Büchern zu blättern und Zettel zu finden, die jemand da mal als Lesezeichen verwendet hat. Spuren… oder eben auch soziale Energie, mit denen diese Bücher aufgeladen wurden. In Bredevoort gab es auch ein 24-Stunden-Antiquariat, das so aussah, dass da jemand Kisten mit Büchern vor der Tür stehen hatte, die alle zwischen einem und fünf Euro kosteten und per Münzeinwurf erworben werden konnten. Das will ich auch nicht. Dann doch lieber ZVAB.
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In einem antiquarischen Buch fand ich:
– Reisezugbilett Berlin nach Rostock 1912
– Hotelquittung „Hotel Hohenzollern“ auf Rügen 1912
– eine getrocknete rote Rose
Zusammengefasst: Genug Material für eine Geschichte!
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Toll! Das ist wahrlich Stoff für eine Geschichte, eine, die mit dem Buch und dem Finder anfängt… und wo auch immer enden mag. Ich laufe gelb und grün an vor Neid.
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Als ich vor zwei, drei Jahren mal eine größere Kiste ins Antiquariat verkauft habe, habe ich wenigstens kursorisch geguckt, ob noch ein immerwährender Liebesbrief oder eine hochwichtige Fußballeintrittskarte zwischen den Seiten versteckt war. 😉
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‚ein immerwährender Liebesbrief‘ – wie schön!
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Erfolglos, wie ich vermute …
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Für mich ist dein Text der nötige Tritt, öfter wieder in Antiquariate zu gehen. Man ist meistens doch nur zu faul und verschenkt die Chance zu fühlen, zu riechen und zu finden. Danke.
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Da halt ich mir auch mal die Hände vor Augen. Denn auch ich gehöre zu denjenigen die Antiquariate lieben, sie viel zu selten besuchen und ja, so manches Buch auch schon bestellt haben.
Zuletzt weniger antiquarisch als vielmehr aus nostalgischen Gründen, habe ich mir Nessie- das Rätsel von Loch Ness, von Karl-Ernst Jipp gekauft.
Zumindest war ich in schriftlichem Kontakt mit dem Besitzer des Ladens der nachgefragt hat wie es zu dem Buch kommt. So habe ich ihm die Geschichte geschrieben. Freudestrahlend schrieb er mir, er habe die Bücher eben verpackt und los geschickt und tatsächlich wäre da noch ein altes Foto im Buch. Und tatsächlich fiel mir beim Auspacken ein Foto von Nessie, besser von ihrem Modell aus dem Monstermuseum in Drumnadrochit, vom Autor signiert, entgegen. Ja, das sind die Dinge die ich auch sehr an den alten Büchern liebe, neben Geruch, Haptik und natürlich oftmals dem Inhalt. ,-)
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Bei uns gibt es noch ein Antiquariat, aber zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich noch nie dort war. Aber mein Bücherschrank ist auch übervoll und wir tauschen deshalb unter Freunden Bücher aus.
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Man muss ja auch nicht in Antiquariaten kaufen, eigentlich geht es um die Idee, nicht jedes Buch behalten zu müssen und nicht immer ein neues Buch kaufen zu müssen. Das ist ökonomisch und ökologisch zweckmäßig.
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„Bredevoort ist hübsch, also streckenweise, hier und da mal. Nicht insgesamt, nicht beeindruckend.“ – Wunderbar, da fahr ich bestimmt auch mal hin.
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Ab und zu ist ja Büchermarkt, neben niederländischer Literatur gibt es englische und ein wenig deutsche, aber bei vielen Büchern ist es ohnehin egal, in welcher Sprache man sie nicht lesen will.
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Das Foto hat mich total an das Bücherhotel in Groß Breesen (M-V) erinnert – da kann man seine gelesenen Bücher gegen andere eintauschen – die haben eine Bücherscheune dort, da sieht es fast genauso aus – da soll es insgesamt über 300 000 Bücher geben … Fahre da selbst gern hin zum Stöbern. Aber außer dänischen und englischen Büchern habe ich da noch keine ausländische Literatur entdecken können ..
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