„Berlin, den 3. November 1819
Es wird eine Zeit kommen, wo Nationalstolz eben so angesehen werden wird, wie Eigenliebe und andere Eitelkeit; und Krieg wie Schlägerei. “
Rahel Varnhagen von Ense: Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde, Bd. 2. Berlin 1834
Ein literarischer Salon… so richtig kann ich mir nicht vorstellen, wie so ein Salon funktioniert hat. Immer von einer Frau, nein, von einer Dame aus gutem Hause geleitet, die durch ihre umfassende Bildung und Eloquenz nicht nur Gastgeberin, sondern auch Zentrum des Salons war. So ein Mittelding zwischen Anne Will, Gloria von Turn und Taxis, Julie Zeh und Sigrid Löffler vielleicht? Und der Salon… ein Poetry Slam oder doch eher das literarische Quartett mit Autorenlesung, Tee mit Rum und Häppchen?
Rahel Varnhagen von Ense, geborene Levin, leitete einen der berühmtesten literarischen Salons. Zwischen 1790 und 1806 und dann wieder ab 1819 lud sie in Berlin die unterschiedlichsten Menschen aus Hochadel, Literatur, Wissenschaft und…ja, heute würden wir es Showgeschäft nennen, in ihren Dachstubensalon ein. Und das in einem jüdischen Haus und unter der Führung einer Frau, die sich ihre Bildung selbst erarbeiten musste, einer Autodidaktin, die nicht nur geistreich plaudern konnte, sondern für ihren brillanten Stil bekannt war. Aber Schriftstellerin? Nein, daran war in jener Zeit kaum zu denken. Also schrieb sie Briefe. 10.000.
Ihre Gäste? Nur eine kleine Auswahl: Jean Paul, Ludwig Tieck, Schlegel, die von Humbolds, Heinrich Heine und natürlich E. T. A. Hoffmann. Hoffmann wohnte seit 1822 in der Charlottenstraße 56. Das waren gerade einmal 500 Meter zu Rahel Varnhagen in der Französischen Straße 20. Hoffmann beschrieb seine Wohnung so: „Sie finden mich in einer kleinen bescheidnen Wohnung aber im dem besten schönsten Teil der Stadt, am Gendarmes-Markt gerade über dem neuen Theatergebäude und ganz hübsch eingerichtet.“
1844 erschien die Kurzgeschichte „Lebendig begraben“ von Edgar Allen Poe (der übrigens von E. T. A. Hoffmann beeinflusst wurde). Rahel Varnhagen von Ense kann diese Geschichte also nicht gekannt haben. Dennoch fand erst zwanzig Jahre nach ihrem Tod die Erdbestattung auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof I in Berlin-Kreuzberg statt. Ob sie sich dafür entschied, zunächst in einem Sarg mit Sichtfenstern oberirdisch beigesetzt zu werden, weil sie die Angst vieler ihrer Zeitgenossen, lebendig Begraben zu werden, teilte? Oder hatte sie Schneewittchen im Sinn, dass in der Erstausgabe von 1812 noch Schneeweißchen hieß?
Hoffmann hätte wohl beides gefallen.
Das war eine sehr interessante Frau. An so einem Salon hätte ich gerne auch mal teilgenommen.
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Ja. Das wäre ganz sicher sehr spannend gewesen!
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Diese Salons wurden oft von Frauen geleitet, es muss eine sehr interessante Zeit gewesen sein. Nur das mit dem Sarg mit Sichtfenster finde ich sehr gruselig.
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So weit ich das sehe, wurden alle bedeutenden Salons von Frauen geleitet. Der Ehemann kümmerte sich um das Einkommen und den Aufstieg der Familie, die treu sorgende Gattin war für die Kultur zuständig.
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Meine Großmutter war ein wenig so, sie umgab sich mit Kunst und Kultur und die Kinder wurden von einem Kindermädchen betreut.
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Ja, genau. So ging es in bürgerlichen Kreisen zu. Für Kirche und Kultur waren Frauen zuständig. In einfachen Verhältnissen natürlich für Kinder und Küche… und Kirche.
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ich hätte zu gerne gewusst, was aus ihr geworden wäre, in einer Welt, wo sie alles hätte tun und werden können auch als Frau.
Wir vergessen oft, dass wir in einer Zeit leben, wo Frauen mehr Freiheit und Möglichkeiten haben als je zuvor in der Geschichte (in den westlichen Ländern zumindest). Immer wenn mir das bewusst wird, freue ich mich einfach drüber::-) Doch trotzdem gibt es noch viel zu tun.
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Genau, es ist schade, dass Frauen ihre Entwicklungsmöglichkeiten so lange genommen wurden – und damit ja auch der Gesellschaft etwas entgangen ist. Es ist schön, dass – zumindest im Kultursektor und in der Bildung – Frauen heute eine wichtige Rolle spielen. Aber in anderen Bereichen, vor allem in Führungspositionen der Wirtschaft, haben Frauen noch längst nicht ihren Anteil. Es bleibt viel zu tun.
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Die Tradition des Tischgesprächs war für gelegentlich klamme Dichter und Literaten des 18. Jahrhunderts eine feine Sache. Wer dazu eingeladen wurde, konnte sich bestens beköstigen lassen. In England führte Hester Lynch Thrale einen solchen Salon, zu dem der Dichter und Lexikograph Dr. Samuel Johnson, („der schwer gelehrte Bär“ (Lichtenberg)) oft eingeladen war. Sein Bewunderer James Boswell hat viele der Tischgespräche genau aufgezeichnet und in The Life of Samuel Johnson übermittelt.
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Der alte Spötter Lichtenberg! Auch E. T. A. Hoffmann soll nicht zuletzt wegen des Tees – und des Rums – bei Frau Varnhagen von Ense gewesen sein. Aber die guten Kontakte zu anderen Künstlern waren sicher auch ein wichtiges Argument. Und als Ort des freien Gedankenaustauschs in der Zeit der Aufklärung hatten die Salons auch ganz sicher eine politische Dimension.
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In einer Zeit ohne Telefon und Medien, die wir heute zur Verfügung haben waren Salons wohl eine sehr gute Art des Informationsaustausches.
Darüber hinaus haben auch Wissenschaftler oftmals einen Kreis von weiteren interessanten Persönlichkeiten ihrer Zeit um sich gehabt. Und sich regelmässig vergleichbar mit den literarischen Salons, getroffen.
Die Mittagessen von Emmanuel Kant zu der er einlud, gingen immer 4 Std..Seine Gäste brachten immer auch ihren Beitrag zum gemeinsamen Essen mit. Und es fand ein spannender Austausch und Diskussion statt.
Zu schön.
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Daher kommt dann wohl die Idee des Arbeitsessens.
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Möglicherweise:-)
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