Ich habe bei anderer Gelegenheit schon berichtet, dass ich seit vielen Jahren in der Schreibwerkstatt Seitenweisee hier in Warendorf aktiv bin. Im vergangenen Semester habe ich mich mit einem Projekt beschäftigt, bei dem es um historische Geschichten ging. Ich habe mir Warendorf um das Jahr 1900 ausgesucht und eine ganze Reihe von Texten um einen Kohlenträger namens Bernhard produziert. Um der Zeit und den Personen halbwegs gerecht zu werden, habe ich das Kreisarchiv genutzt und intensiv in den Tageszeitungen jeder Zeit nach passenden Informationen gesucht. Es gibt da tatsächlich eine Menge zu finden! So, nachdem ich jetzt hoffentlich Erwartungen geweckt habe, will ich die auch gleich wieder enttäuschen. Diese Texte sind zu lang, um sie in diesem Rahmen vorzustellen. In diesem Semester allerdings sind bereits ein paar kleine Texte entstanden, die unter der gemeinsamen Überschrift „Anekdoten“ stehen sollen. Ein paar davon möchte ich hier veröffentlichen. Viel Spaß damit.
Bewusstseinsschmerzen
Ich war gerade erst eingeschult worden und der Jüngste und Größte in der Klasse. Mit Hirnforschung und Psychologie kenne ich mich nicht aus, aber wie jeder weiß auch ich, dass ein Kind irgendwann beginnt, sich selbst zu erkennen und früher oder später auch ein Bewusstsein seiner selbst entwickelt.
Tatsächlich erinnere ich mich daran, dass ich auf dem Schulweg immer wieder einmal Momente erlebte, in denen dieses Selbstbewusstsein wie von einem Bewegungsmelder ausgelöst aufleuchtete und wieder verschwand. Da war ich und ich war auf dem Weg zur Schule und die Sonne schien und es war schön. Bis auf den Spitz, der vorn an dem Wäldchen wohnte.
So ähnlich war das und zack, da lief mir schon das Blut über das Gesicht, aber nicht, weil mich der Hund gebissen hatte, dafür war er doch zu klein und ich zu groß, nein, ich war gegen einen LKW geprallt und ich mag es fast nicht erzählen, gegen einen, der am Straßenrand geparkt worden war.
Was nützt es dem, der sich selbst erkennt, wenn er dabei die ganze Welt übersieht, hätte Frau Hensel, meine Klassenlehrerin sagen sollen, aber nein, sie schickte mich einfach nur nachhause.
Das Land wollte offensichtlich mein Blut nicht, also habe ich später den Wehrdienst verweigert.
Bild: Mecder, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons