Analog, digital, egal

Analog, digital, egal

Vor einiger Zeit habe ich schon ein paar alte Videos digitalisiert, was ja in Wirklichkeit nichts anderes bedeutete, als dass ich sie von einer Kassette auf den PC rüber kopierte. Okay, die technischen Details sind vielleicht etwas komplizierter, für mich reduzierte sich das aber auf die richtige Herstellung von USB-Verbindungen.

Jetzt bin ich mit Dias beschäftigt. Bis ungefähr 1990 haben wir Diafilme verwendet und nach dem Entwickeln die einzelnen Bildchen ordentlich gerahmt. Seitdem stehen sie in grauen Kästen im Schrank. Standen sie jedenfalls bis vor ein paar Tagen. Dann dachte ich mir, es könnte nett sein, diese Bilder wieder zugänglich zu machen. Heute schreckt ja der Dia-Abend niemanden mehr, denn was sind ein paar Dutzend Dias gegen die Masse an Fotos, die ein Smartphone bereithält? Bilderwochen könnte ich veranstalten, Monate, nähme ich die Festplatte meines Rechners noch hinzu. Und nichts davon will irgendwer sehen. Das immerhin haben die Digitalbilder mit ihren analogen Vorgängern gemein. Warum also sollte ich die Zahl der verfügbaren Bilder nicht um ein paar Hundert erhöhen?

Sogar der Diaprojektor war noch da und spendete Licht. Okay, die Lichtwurflampe und das Objektiv haben sich voneinander verabschiedet, so dass ich mit Fingerspitzengefühl versuchen muss, eine Einstellung zu finden, bei der das Bild einigermaßen scharf ist. Die Vorrichtung, mit der ein einzelnes Dia aus dem Magazin in den Projektor geschoben wird, ist abgebrochen. Zum Glück gibt es oben auf dem Projektor so eine Art Noteinstieg, mit dessen Hilfe genau ein Dia der Lichtquelle zugeführt werden kann. Die Automatik beginnt zu surren und versucht das Bild scharfzustellen, erreicht aber aus den genannten Gründen das Gegenteil. Also drehe und drücke ich, bis das Bild meinen bescheidenen Ansprüchen genügt und fotografiere dann das Ergebnis. Nicht von der Leinwand, die hat die dreißig Jahre nicht so gut überstanden, sondern von der Wand im Flur, der oben zwischen Bad und Gästezimmer. Da passt das Bild gerade unter den Lichtschalter links und den Türrahmen rechts.

Mit dem Smartphone lässt sich das auch fotografieren, allerdings nicht mit meinem, jedenfalls nicht, wenn man darauf verzichten kann, die eigenen cholerischen Anteile kennenzulernen. Mit der Kamera geht es besser. Nicht gut, das nicht. Nach all dem habe ich dann die Bilder da, wo sie vor dreißig Jahren auch schon mal waren: in der Kamera. Nur diesmal natürlich auf einer Speicherkarte. Und anschließend muss ich alles noch zuschneiden und vielleicht etwas bearbeiten, also heller machen oder dunkler oder einfach löschen. Wenn auch das erledigt ist, zeige ich sie allen und stoße auf mäßiges Interesse, speichere sie auf einer externen Festplatte und vergesse sie dort wahrscheinlich endgültig. Die Dias könnte ich jetzt entsorgen, aber…mhm, vielleicht warte ich damit noch ein paar Jahre.

Meine Vorgehensweise ist natürlich gänzlich unprofessionell. Es gibt Diascanner für richtig viel Geld, Handbücher, Youtube-Filme. Es gibt sogar Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, die Urlaubsfotos von 1982 vorzeigbar zu machen und die Highlights des vierunddreißigsten Geburtstags, an den sich zurecht niemand mehr erinnert. Aber mein Vater, der hätte das auch so hübsch umständlich gemacht.

13 Gedanken zu “Analog, digital, egal

  1. Lieber Manfred, das war die einzig akzeptable Art die Fotos wieder in die Kamera zu befördern. Ob es umständlich war, kann ich nicht beurteilen (vermutlich, weil mir die Art sehr schlüssig erscheint und ich kein technisches Verständnis habe). Aber Dias an denen eine Generation sehr hing müssen – so finde ich – immer umständlich bleiben. Beim Rahmen angefangen und beim abfotografieren aufgehört 😉

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    • Ich bin dankbar für jede und jeden, die Dias überhaupt noch kennt. Sie schienen mal eine gute Idee zu sein, um große, farb- und lichtstarke Aufnahmen zu machen, aber wer konnte denn mit technischem Fortschritt rechnen? Mal davon abgesehen, dass die Schelllackplatte abgelöst wurde, das stationäre Telefon mit Wählscheibe, der Kohleofen, die Ölheizung, das Hörrohr und was auch immer. Aber ausgrechnet das Dia? Das war doch so schön kompliziert, wieso konnten wir das nicht einfach beibehalten? Aber vermutlich begründet allein die Kenntnis der dafür notwendigen Techniken schon einen Rentenanspruch.

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  2. Ich kann es förmlich hören, das Geräusch der Diaprojektoren, der Ventilator zur Kühlung der Lampe und dieses typische Bildwechselgeräusch, wenn man die Fernbedienung (noch mit Kabel? 🤔) betätigt hat. Und ich habe tatsächlich auch positive Erinnerungen an faszinierende Nachmittage, wenn mein Grossvater wieder einmal bereit war, uns seine Bilder von seinen Geschäftsreisen durch Afrika aus den 60er Jahren zu zeigen. Alle diese Bilder existieren wenn überhaupt, dann nur noch in meinem Kopf. Irgendwie schade. Aber spätestens wenn auch ich vergessen habe, wird sie niemand mehr vermissen 😉

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    • Jetzt, wo du es schreibst: Ja, diese Technik hat ihren ganz eigenen Klang, der auch zu meiner Kindheit und Jugend gehörte. Ich nehme aber an, dass du zu einer Minderheit gehörst, die sich durch die Bilder und Geschichten faszinieren ließ. Meistens waren es ja doch Bilder, die nahe Verwandte vor Sehenswürdigkeiten zeigten. Damals war man genervt, weil es 280 Aufnahmen von Onkel Erich gab, den man doch ohnehin gut kannte, der aber alles verdeckte, was man bis dahin nicht kannte. Jetzt freut man sich über die Aufnahmen des Onkels, weil man sich an den Sehenswürdigkeiten längst sattgesehen hat.
      Gegen das Vergessen hilft ja das Erzählen und damit sind wir hier bei WordPress doch immer wieder einmal beschäftigt und wenn es auch nicht dazu führt, dass ich jetzt die Bilder deines Großvaters erinnere, so erinnere ich mich doch daran, dass sie dir wichtig waren.

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      • Damals in den 70ern waren wir noch nicht so überflutet mit Bildern und meine Eltern machten keine Dias. Ich bin also vom Familien-Dia-Marathon-Trauma weitgehend verschont geblieben.
        Und die Nachmittage, an denen mein Grossvater sich überreden liess, seinen Apparat aufzubauen, waren immer spannend für uns: Afrika gab‘s noch nicht im Internet, Safaris waren für uns Abenteuer pur, ganz zu schweigen von den Bildern aus Israel mit den zerschossenen Panzern aus dem 6-Tage-Krieg. Darüber hinaus war mein Grossvater ein Spezialist für Bergblumen-Bilder… und er hatte damals noch keine iPhone-Zoom-Funktion wie ich heute 😉
        Kurz, das war schon Klasse, die gute alte Dia-Zeit 😂

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  3. Witzig: Über Weihnachten habe ich auch die verbliebenen Dias digitalisiert. 95 waren es, den Rest hatte ich schon vor Jahren entsorgt. Ich habe mir eine einfache Vorrichtung gebaut, mit der die Dias von hinten beleuchtet werden, wie auf einem Leuchtpult. Und dann mit Kompaktkamera und Stativ fotografiert. Das war der einfachere Teil, aber leider haben viele alte Dias ihr Farben völlig geändert, da bleibt dann einiges an Photoshop-Schrauberei. Und dann: Ab auf die externe Festplatte ins „Bilderarchiv“, wo sie vor sich hindämmern werden. Denn ein paar Versuche, die mühevoll eingespannten Bilder einem interessierten Publikum zu zeigen, endeten immer beim Dritten Bild bei der Bemerkung: Ach, die alten Bilder, die kenne ich doch schon …..

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    • Ein Stativ… Das sollte auch noch irgendwo liegen. Ich werde sicher nicht viele Dias so abfotografieren, es ist mühsam und das Interesse an den Bildern ist nicht sehr groß. Aber ansehen muss ich sie mir, dann kann ich auch das eine oder andere fotografieren.

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  4. Ich habe noch einige riesige Dia-Sammlung meines Vaters im Keller, die würde ich nie wegwerfen. Einen Projektor gibt es auch – aber digitalisieren, nein ?! Die sind so schön gestapelt in ihren grauen Kästen… 😉

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