Osterbrink macht Augen

Dietmar Rabich / Wikimedia Commons / „Telgte, Clemenskirche und Gnadenkapelle — 2014 — 8455“ / CC BY-SA 4.0

Im Laufe der Jahre sind einige Geschichten um den etwas kauzigen Kommissar Osterbrink entstanden. Sein neuester Fall spielt wieder einmal in Telgte. Heute gibt es den ersten von drei Teilen.

Erster Teil

„Telgte!“ Dr. Averkamp, der leitende Polizeidirektor der Kreispolizeibehörde Warendorf, ließ das Wort im Raum stehen wie ein Ortseingangsschild.

„Nicht meine Zuständigkeit, Herr Polizeidirektor“, murmelte Osterbrink und drehte schon ab. Seine Reflexe stimmten noch: Erst die Nichtzuständigkeitserklärung und wenn die nicht zog, dann… aber so weit kam er nicht mit seinen Gedanken.

„Wieder so eine Kunstangelegenheit. Da sind Sie doch der Experte hier im Hause.“

Osterbrink meinte, ein unterdrücktes Lachen aus dem Vorzimmer gehört zu haben. Weber-Hollendorf, seit dieser Karnevalsgeschichte hatte ihre professionelle Neutralität ordentlich gelitten.

Dr. Averkamp holte zu einer seiner langatmigen Erklärungen aus, zusammengefasst ging es wohl darum, dass im Kreistag ein Abgeordneter der Handfesten Heimatfreunde behauptet hatte, der Bevölkerungsaustausch habe auch im Landkreis längst begonnen. Nach dem Zwischenruf „Aber er geht nicht schnell genug“ sei es zu tumultartigen Szenen gekommen. Also beinahe, nur durch die vorzeitige Eröffnung des Buffets sei Schlimmeres verhütet worden.

„Aber“, fuhr Dr. Averkamp fort, „darum geht es überhaupt nicht. In Telgte findet“, der leitende Polizeidirektor unterdrückte ein Gähnen „zum gefühlt 100sten Mal die Ausstellung Alltagsmenschen statt. Dagegen ist ja weiter nichts zu sagen. Allerdings ist es in der Vergangenheit zu mutwilligen Beschädigungen der Skulpturen gekommen. Die Figuren sind versichert, aber sowas schadet natürlich dem Image eines Wallfahrtsortes. Kurz: Wir müssen da ran. Der Polizeistützpunkt in Telgte ist nicht ständig besetzt, die Kolleginnen und Kollegen brauchen Unterstützung und wer, wenn nicht Sie, mein lieber Osterbrink, könnte diese Aufgabe übernehmen?“

Osterbrink bewegte sich nicht. Er versuchte, sich durch reine Willenskraft unsichtbar zu machen, dann ginge alles

noch einmal an ihm vorbei. Doch der Chef sah ihn an wie etwas, dass die Putzfrau versehentlich nicht weggeräumt hatte.

„Im Rahmen einer verdeckten Ermittlung werden Sie die Sicherheit der Alltagsmenschen gewährleisten. Dabei wird Sie in Telgte eine Mitarbeiterin aus dem Kulturamt betreuen. Was auch immer das heißen mag. Egal. Wir haben Sie als frühpensionierten Mitarbeiter der Kreisverwaltung angekündigt, damit sichergestellt ist, dass Ihre Aktivitäten nicht gleich auffliegen. Kulturell interessierter älterer Herr, so was soll es ja geben.“

„Abmarsch Osterbrink. Noch heute, die Angelegenheit drängt. Der Landrat hat persönlich angerufen.“ Prompt klingelte das Telefon und Dr. Averkamp griff schon zum Hörer, während er mit der freien Hand eine Geste machte, die irgendwo zwischen Zuwinken und dem Verscheuchen eines lästigen Insekts lag.

Polizeihauptmeister Schulze-Haspelkamp, der Herr über den Polizeifuhrpark, bot Osterbrink auf dessen Frage nach einem Dienstwagen für die Fahrt nach Telgte ein paar Siebenmeilenstiefel an. Osterbrink, aus Schaden klug geworden, fiel auf dieses Angebot nicht herein und wollte sich schon die Karte für die Eurobahn geben lassen, als ihm die Polizeianwärterin Jessica Wagenkötter mit dem Motorradhelm zuwinkte. Spätestens jetzt hätte er misstrauisch werden müssen.

Zu Teil 2