
Dietmar Rabich / Wikimedia Commons / „Telgte, Clemenskirche und Gnadenkapelle — 2014 — 8455“ / CC BY-SA 4.0
Martin Michael Driessen sagte mir nichts, aber die Buchhändlerin unseres Vertrauens hatte ihn zu einer Lesung in Telgte eingeladen und wir wollten sie nicht mit einem fremden Mann allein lassen.
Sie war dann auch nicht allein. Für Coronazeiten war der Veranstaltungsraum gut besucht, zu anderen Zeiten hätten auch nicht mehr Leute Platz gefunden.
Gleich neben der Gnadenkapelle in einem schönen alten Raum mit Stühlen, die auf dem unebenen Steinboden wackeln, saß Driessen vor dem Kamin. Ein älterer Herr, also jünger als ich, aber mehr Herr. Ein Niederländer mit deutscher Mutter und langer Berufstätigkeit als Theater- und Opernregisseur in Deutschland, der jetzt in einem Hausboot in Rotterdam lebt.
Driessen liest und plaudert gern. Seine Tätigkeit als Regisseur hat seinen Blick auf Texte geprägt, er weiß, wie Texte funktionieren und welche Funktion bestimmte Textteile erfüllen. Das führt dazu, dass er nicht nur liest, sondern gleich die Interpretation mit liefert. Er beschreibt, warum er was wie gemacht hat und was er sich dabei gedacht hat, was ihm schwer fiel (ein Mord) und was mit eigenem Erlebnissen zu tun hat. Es macht Spaß, ihm zuzuhören. Er liest langsam, nicht, weil ihm die Sprache Mühe bereitet, sondern weil er die Sätze wirken lassen will. Auch das erklärt er, will den Lesefluss verlangsamen mit sperrigen Begriffen, mit fremdsprachlichen Zitaten. Er kommentiert sich.
Ein schöner, ein langer Leseabend. Das Buch „An den Flüssen“, ein schmales Bändchen mit einer längeren Kurzgeschichte und zwei ganz kurzen Romanen, wie Driessen sagt, haben wir gekauft. Ich habe es noch nicht gelesen. Noch habe ich Driessen zu sehr im Kopf, um eigene Bilder und eigene Töne für seine Texte finden zu können.
„. . . und wir wollten sie nicht mit einem fremden Mann allein lassen.“
„Ein älterer Herr, also jünger als ich . . .“
Ein vergnügliches Lesen am Abend für mich!
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Freut mich!
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Du kannst das einfach, dieses Leichte, mit Witz!
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Gegen Kritik kann man sich verteidigen, Lob macht einen sprachlos.
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Feiner Schmunzellesestoff …
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Vielen Dank, lieber Lu.
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🙂
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„Noch habe ich Driessen zu sehr im Kopf, um eigene Bilder und eigene Töne für seine Texte finden zu können.“ Ein schöneres Kompliment hättest du ihm nicht machen können.
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Ja, eine heitere Lektüre, und von leichter Hand so schön exakt beschrieben!
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Danke! Ein schöner Abend lässt sich leicht beschreiben.
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