Auf der Warteliste

Meistens lese ich mehrere Bücher gleichzeitig. Warum das so ist, weiß ich eigentlich nicht. Es hat sich eben so ergeben. Hier oben in meinem Arbeitszimmer, wenn man die Ecke mit PC und Büchern und Kabeln und Videos und Ordnern und Krimskrams ein Zimmer nennen will, liegen die Bücher herum, die noch gelesen werden wollen. Also nicht das es ihre Absicht wäre, ihr Wille, gelesen zu werden, es ist schon mein Wille, aber mit einem einfachen „mein Wille geschehe“ ist das ja nicht getan. Manche stehen da und müssen warten, werden sogar wieder zurückgestuft, wenn sie fast dran gewesen wären.

Das ist vermutlich hart für sie. Oder für ihre Autoren, die in dem betreffenden Moment sicher Herzstechen kriegen oder zumindest ein nervöses Zucken des linken Auges. Gut, vielleicht auch nicht, wie sollte es dann all den Autoren gehen, deren Bücher nicht mal das Lager des Großhändlers verlassen.

Arno Schmidt hat das in „Tina oder über die Unsterblichkeit“ allerdings genau anders herum gesehen. Bei ihm gilt nicht, dass wer schreibt, bleibt, sondern dass, wer gelesen oder besprochen oder auch beworben wird, bleiben muss. Bei Schmidt bleiben die unglücklichen Autoren nach ihrem Tod in einer unterirdischen Welt und hoffen darauf, endlich vergessen zu werden. Den meisten Autoren, die ich kenne, geht es allerdings so, dass sie darauf hoffen, endlich gelesen zu werden. Okay, ich geben zu, dass es sie nicht danach drängt, zu erfahren, ob ich sie endlich gelesen habe.

Obwohl das ja auch was hätte, wenn Deon Meyer, ein niederländischer Krimiautor, der mir völlig unbekannt ist, mich anriefe um sich zu erkundigen, warum ich sein Buch „De vrouw in den blauwe mantel“ noch nicht gelesen habe, obwohl es schon seit dem 15.06.2017 hier rumsteht. Ich weiß das genau, weil der Kassenzettel noch im Buch liegt. Das Buch selbst war ein Geschenk. Nein, ich gehe mit Geschenken nicht generell so um, das hier war eines anlässlich der „Woche des spannenden Buchs 2017“, Beifang beim Kauf eines anderen Buches sozusagen.

Deon Meyer muss noch warten, obwohl er jetzt gerade links neben der Tastatur liegt. Hoffnungsvoll. Aber rechts liegt „Drachenblut“ von Christoph Hein. Das ist dran. Und Meindert Evers „Begegnungen mit der deutschen Kultur.“ Je nach Laune lese ich auch Peter Wohlleben weiter „Das geheime Netzwerk der Natur“. Seit ein paar Tagen ist Elisabeth Etty mit „Minnebrieven aan Maarten“ dazugekommen.

Wie gesagt, meistens lese ich mehrere Bücher gleichzeitig. Sage ich so, stimmt abe nicht, ich lese sie nicht gleichzeitig, sondern ich lese einfach nicht erst das eine zu Ende und beginne dann mit dem nächsten. Manche sagen ja auch, sie hätten ein Buch aus gelesen. Klingt für mich, als sei das Buch jetzt alle. Leer. Fertig. Nein. Ich lese Bücher nicht aus. Ich lasse sie warten, ruhen, reifen um ihnen dann meine geteilte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

 

14 Gedanken zu “Auf der Warteliste

  1. Nur wir online-Autoren bekommen ja mit, wann und dass ein Text gelesen wurde, sogar auf welche Weise er verstanden wurde. Diese Interaktion zwischen Autor und LeserInnen ist etwas ganz Besonderes und für mich absolut bereichernd. Ansonsten gilt, was Georg Christoph Lichtenberg notiert hat: „Schreibt man denn Bücher bloß zum Lesen? oder nicht auch zum Unterlegen in die Haushaltung? Gegen eins, das durchgelesen wird, werden Tausende durchgeblättert, andere Tausend liegen stille, andere werden auf Mauslöcher gepreßt, nach Ratzen geworfen, auf andern wird gestanden, gesessen, getrommelt, Pfefferkuchen gebacken, mit andern werden Pfeifen angesteckt, hinter dem Fenster damit gestanden.“ Bei mir liegt seit einem Jahr Voskuils Das Büro – Direktor Berta, auf das ich durch dich aufmerksam wurde, lieber Manfred. Ich bin fast durch, lege es aber nicht darauf an, sondern lese nur bei Tageslicht, wodurch es in dieser Jahreszeit nur kurz isz.

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    • Das Büro gehört zu den Büchern, die ich auch nur häppchenweise gelesen und später als Hörbuch gehört habe. Die niederländische Serie zerlegte das Buch bzw. die Bücher in Teiel von ca.15 Minuten, wenn ich mich recht erinnere. Das Buch hat ja auch keinen wirklichen Spannungsbogen, es lebt von Dialogen, von der Seltsamkeit des Büro- bzw. Institutsalltags.

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  2. Also das könnte ich nicht.Entweder fesselt mich ein Buch und dann wird es relativ schnell zu Ende gelesen. Oder es taugt nicht bzw. gefällt mir nicht, dann wird es weggelegt und auch nicht wieder angerührt. Und dann sind da noch die wirklich guten Bücher, die man immer mal wieder liest. Dazu gehört auch Arno Schmidt oder natürlich Kafka…:-)

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  3. Habe „Drachenblut“ wieder ins Regal gestellt, vor Jahren, aber gelesen, durchgelesen, ausgelesen. 😉 Soll es sich mit den anderen Büchern von Hein unterhalten. So, und jetzt gucke ich, was der Wartestapel hergibt.

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    • Der Reiz von Drachenblut liegt für mich zum Teil darin, dass das Buch in der DDR entstand und die DDR auch Schauplatz für die Ereignisse ist. Ich weiß allerdings noch nicht so genau, ob ich Christoph Hein seine weibliche Ich-Erzählerin abnehme. Aber ich kann das Buch ja nicht noch einmal lesen, ohne zu wissen, dass es von einem Mann geschrieben wurde.

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      • Emanzipation der gleichberechtigten Erzählperspektiven sowie die Gleichstellung von Autor und Schriftstellerin war der Deutschen Demokratischen Republik quasi eingeschrieben. So Onkel, Tante, Oma & Opa, Schmöckwitz, Hauptstadt der DDR.

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