Ausgezählt

Aus. Vorbei. Das war’s.

Mein letzter Arbeitstag liegt hinter mir. Ein frei gewählter Abschied. Nein, es fällt keine Last von mir ab, meine Arbeit habe ich selten als Mühe empfunden, oft hat sie sogar Spaß gemacht. Dennoch: Es ist gut so. Jetzt will ich tun, was ich tun will, meinen Wecker stellen, weil ich aufstehen will und ein Buch zu Ende lesen, auch wenn es spät wird.

Noch fühlt es sich wie Urlaub an.

Seltsam war es schon, Dinge ein letztes Mal zu tun. Den letzten Eintrag im Klassenbuch vornehmen, das letzte Mal die Tafel putzen, letzte Fotokopien machen. Das letzte Mal den Weg zur Bahnhaltestelle Münster-Zentrum-Nord gehen. Wehmut? Nein. Keine Spur. Ferien für immer. Ach, bei der Gelegenheit habe ich auch gleich das Rauchen aufgegeben. War so geplant. Letzter Arbeitstag, letzte Zigarette.

Ich gehe einkaufen. Nein, das gehört nicht zu meinen neu erworbenen Aufgaben, ich konnte das schon. Als Rentner gehe ich jetzt allerdings nur noch zu den Stoßzeiten einkaufen, also dann, wenn alle anderen es eilig haben. Weil die Hetze der anderen den eigenen gemächlichen Tagesablauf erst fühlbar macht. Dann zähle ich an der Kasse mein Kleingeld ab. 12,27 €.

Nein, nicht immer genau diesen Betrag.

Erst die zwei Euro, dann den Zehner und schließlich das Kleingeld, das mal wieder nicht ganz reicht, also doch den Zwanziger nehmen. Nein, in der Hosentasche sind noch fünf Cent. Jetzt passt es auf den Cent genau. „Sehr gut!“ sagt die Kassiererin. Für heute meine Bestnote.

23 Gedanken zu “Ausgezählt

  1. Hallo Manfred,
    das hast Du schön beschrieben, und das meiste davon habe ich nach meinem letzten Arbeitstag ebenso empfunden: Arbeiten war nicht immer nur ein „Müssen“, sondern hat mir auch Freude gemacht. Bei mir ist dieser Zeitpunkt nun schon zweieinhalb Jahre her, die wie im Fluge verstrichen. Ein schönes Gefühl, „vogelfrei“ zu sein und diesen Zustand zu genießen, kleine Reisen zwischendurch, Zeit haben für Vieles….
    Ich wünsche Dir, zu allem, was Du Dir für diesen Lebensabschnitt vornimmst, beste Gesundheit.
    Alles GUte!
    Lo

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  2. Oh ja, dass ist eine grosse Freiheit, ich genieße das, obwohl ich immer gerne gearbeitet habe.
    Bei mir dreht sich alles nur noch, um Reisen, Wandern, Schreiben für meinen Roman und Zeit haben
    für die Enkel. Das einzige ist, dass ich manchmal nicht weiss welchen Wochentag wir haben, es verschwimmt die Zeit. Herzliche Grüsse 😀

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  3. Ich sehe du lebst dich schnell ein. Meine Eltern hatten anfangs die Sorge, dass die als Rentner etwas vermissen würden.
    Ach nach zehn Jahren tun sie es nicht. Sie genießen. Und das wünsche ich dir auch!

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    • Ich möchte gern bei Sonnenaufgang draußen sein, ohne zum Bahnhof eilen zu müssen. Ich will um 9 Uhr auf der Terrasse frühstücken und vormittags auf den Markt gehen.
      Okay, vermutlich tue ich nichts davon, aber ich möchte entscheiden können, was ich tue.

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    • Moin
      🤔…. ich empfinde meine Arbeit und die Zeit nicht als Fremdbestimmung, unter anderem, weil ich meinen Job wirklich mag…..
      verstehe wohl was du meinst und das hinterlässt ein leicht ungutes Gefühl, weil deine Ansicht der Fremdbsstimmung in einem hohen Prozentsatz stimmt. Leider. Ich hab diesen Luxus, auch im Job keine „Fremdbestimmung“ zu haben oder es zumindest nicht so zu empfinden.
      lieber Gruß „smilane“

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      • Oh, ich habe meinen Job gemocht und oft genug auch nicht als Arbeit empfunden, aber es ist eine Sache, etwas gern zu tun, aber eben auch tun zu müssen und eine andere, frei darüber zu entscheiden, was man tut.

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      • … ja, stimmt irgendwie schon….. aber ist es ein „müssen“ wenns doch so viel Spaß macht und die Arbeit auch ein „Herzensjob“ ist…. 🤔😉

        …. kurz erklärt: ich mag das Wort „müssen“ so allgemein überhaupt nicht, weil es einem überhaupt keine Wahlmöglichkeit läßt…. aber das nur am Rande und völlig am „Thema“ vorbei 😉

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      • @ smilane
        Obwohl ich mit 56 schon pensioniert wurde, bin ich viele Jahre weiterhin um 6 Uhr aufgestanden, und noch heute kann ich nicht länger als acht Uhr im Bett bleiben. Ich habe mir auferlegt, täglich etwas zu schreiben, obwohl niemand danach fragt. Das ist der Luxus der Selbstbestimmung. Fremdbestimmung liegt immer vor, wo sich ein Mensch nicht aussuchen kann, wo, wann und was er arbeitet, egal ob ihm die Arbeit Freude macht oder nicht.
        Beste Grüße

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