
German Wikipedia Benutzer Jens Rusch [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)%5D
Ältere Leute. Fast hätte ich Herrschaften geschrieben. Da hätte der Herr Schmidt aber gegrummelt. Stimmt auch nicht, also nicht ganz. Schon ein gesetztes Publikum, eins, das wohl typisch ist für einen Arno- Schmidt-Abend. 1979 gestorben, fast hätte ich gesagt: neulich. Das kommt davon, wenn man selber eher Jahrzehnte als Jahre zählt. Trotzdem: Ist noch nicht so lange her und war doch eine ganz andere Zeit. Na, ob sich so viel verändert hat, ob es nicht immer noch die Welt ist, an der Schmidt sich einst rieb? Gut, keine DDR mehr, aber Aufrüstung, Kirche und Amerika, die alten und die jungen Nazis und Literatur als Teil des Showgeschäfts. Ob er das Internet gemocht hätte? Wie viele Wege, wie viele langwierige Recherchen ihm erspart geblieben wären. Aber auch: Zu viel Information, zu viel Welt, zu viel von all dem, vor dem er sich zurückzog. Nach Bargfeld und in den eigenen Kopf.
Ein eingespieltes Team, Rauschenbach und Kersten. Rauschenbach hat Schmidt noch gekannt, da ist der Meister doch fast noch mit im Raum. Gut ist es, wie sie ihn zum Klingen bringen, ja, es lohnt sich, sich Zeit zu nehmen und einen Satz ausklingen zu lassen. Einen Schmidt ohne doppelten Boden gibt es nicht, ohne den bösen Blick auf die Welt. Wie konnte einer, der aus eigener Erfahrung genau wusste, wo unten war in der westdeutschen Gesellschaft, so von oben auf sie herabsehen? Und auf sich. Auf mich nicht, mich hat er ja nicht gekannt.
Mit 16 stand ich mal vor seinem Haus – wir haben natürlich nicht geklingelt. Mein Vater war Arno Schmidt Fan und hatte seine Bücher. So bin ich schon früh mit dem Werk in Berührung gekommen. Im heißen Sommer 1976 machten wir ganz in der Nähe Urlaub in der Heide, und mein Vater meinte, er wolle sehen, wie Schmidt wohnt. Man kannte ja den Ort und zu dem Haus haben wir auch schnell gefunden…die Leute dort wussten, wo er wohnte. Eine nette Erinnerung aus meiner Jugend.. 🙂
Ich meine, Arno Schmidt war dem Durchschnitt der bundesrepublikanischen Gesellschaft intellektuell so weit überlegen, dass er das Recht hatte, auf sie (uns) herab zu blicken. Sicher keine schöne Charakter-Eigenschaft – aber wer die Zeit erlebt hat, muss Verständnis für seine Haltung aufbringen. 😉
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„1979 gestorben, fast hätte ich gesagt: neulich.“ Ein sympathischer Satz, Klar BI gibt es nicht, aber mit meinem früh verstorbenen besten und allerbesten Freund war ich ein paar Tage in Marbach, 2006, und das gab es immerhin wirklich, ein Literaturarchiv, ein Heimspiel daheim, und doch war Arno Schmidt da, der Linksaußen aus Bargfeld. Die Studienausgabe hatten wir schon studiert, waren an Stätten, wo er war (Dümmer), liebten jeden, der um das dt am Ende seines Namens wußte. Der Katalog hieß „Allerdings!“, und wir lasen ihn bei Weißbieren und Schokoeisbechern in der schillernden Stadt des Deutschen Literaturarchivs. Schön! „15.000 Volt bin ich“, sagte Arno. Aber die Schluffen der Nationalelf wurden nicht Weltmeister trotz Medienhype. „Ein Rebell“ sagt er von sich, der arno, der schmidt, und kleinschrift konnte er ja auch. – Ach, Bielefeld, zweite, dritte Liga. Besser als jede erste!
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Die Ausstellung in Marbach habe ich auch gesehen. War bärenstark, aber die Räume waren nicht klimatisiert und es war unerträglich heiß.
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