Wenn ich gerade in freundlicher Stimmung bin, dann denke ich, dass unseren Medien damit auch schon geholfen sein könnte. Natürlich sind Journalisten davon überzeugt, dass wir als Publikum im Schnitt ahnungslos sind und Nachrichten nicht verstehen können, wenn man uns nicht gleich dazu sagt, wie man eine Nachricht einzuordnen hat. Wenn man uns also zur Nachricht auch gleich den Kommentar lieferte. Meinungsstärke ist das Wort dafür. Faktenstärke wäre vielleicht auch mal einen Versuch wert.
Ich hab ja nichts gegen Meinungen und Kommentare, aber ich will das nicht die ganze Zeit über vermischt haben, vor allem dann nicht, wenn es eine separate Rubrik gibt, die sich Kommentar nennt. Ja, ich weiß, dass es sowas wie Objektivität nicht geben kann und dass niemand alle Quellen kennen und erst recht nicht alle Informationen veröffentlichen kann. Aber wie wäre es denn mal mit dem Versuch der Ausgewogenheit?
Nein, ich meine damit nicht die innenpolitische Auseinandersetzung, die einst um den sogenannten Rotfunk lief oder die Stoppuhr, die bei Kandidatenduellen für gleiche Redezeiten sorgen soll.
Mir fällt immer stärker auf, wie über das Ausland berichtet wird. Wenn ich mir vorstelle, dass dort ebenso über Deutschland informiert wird, dann mag ich nicht mehr verreisen.
Nehmen wir mal an, in einem skandinavischen Land würden nur noch die Gesprächspartner der Deutschen Umwelthilfe als Repräsentanten der deutschen Öffentlichkeit gehört, in Ungarn dafür nur die Pegida-Demonstranten und Radikale, die von der AfD vor die Tür gesetzt wurden. Dann noch jeweils ein in Deutschland gänzlich unbekannter Hochschullehrer, der an seiner Hochschule nicht mal mehr gefragt wird, wenn es um die Besetzung des Ausschusses für die Bedienstetenkantine geht.
Aber es ginge noch besser: In Rumänien berichtete ein Mitarbeiter eines Instituts für europäische Politik über die Lage in Deutschland und hinzu geschaltet würde der Deutschlandkorrespondent des rumänischen Rundfunks. Oder ein Hotelier, der regelmäßig Gäste aus Deutschland hat. Nachrichten? Nein, danach sollte sich niemand richten.
Anlass für diesen Text war die EU-Präsidentschaft, die seit Anfang 2019 von Rumänien ausgeübt wird. Einem Land, aus dem bekanntlich nur Schwarzarbeiter, Zwangsprostituierte und Zigeuner kommen, während das inländische Leben von Bestechenden und Bestochenen bestritten wird. Und natürlich einem heldenhaften Präsidenten, der sich den Machenschaften der Regierungschefin in den Weg stellt.
Das war, kurz gefasst, das Rumänienbild, dass in deutschen Medien verbreitet wird. Ich kenne das Land nicht. Ich kenne Rumänen. Ich kenne sogar Moslems, die gläubig sind und trotzdem in näherer Zeit keine Anschläge planen. Ich kenne auch Russen. Manche von denen mögen Putin. Ich kenne Italiener, die Berlusconi schätzten, Türken, die Erdogan wählen. Ich will ja überhaupt nicht sagen, dass die alle richtig liegen. Aber die Welt ist bunter, als unsere Medien uns glauben machen.
Schöner Beitrag. Danke dafür, unterm Strich gibt es überall Menschen und so groß sind die Unterschiede meist nicht.
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In jedem Land gibt es nicht nur schwarz oder weiss, alles was dazwischen ist, ist vermutlich viel mehr.
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Genau. Und nicht alles, was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen oder glauben.
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Du hast ja soooo recht …
Und außerdem geben auch bei den Medien die mächtigen Menschen vor, wo’s langzugehen hat.
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Es gab mal in den siebziger Jahren die Forderung nach einem Redaktionsstatut, dass die Redaktionen unabhängig von der Verlagsleitung machen sollte. In den Niederlanden gelingt es zumindest, Blätter mit unterschiedlichen Tendenzen zu erhalten, auch wenn sie inzwischen fast alle der gleichen Verlagsgruppe gehören.
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Das klingt interessant…
Die Niederlande sind im Vergleich allerdings ein relativ kleines Land.
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Die Kommentierung der Medien fällt leider viel zu einseitig aus.
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Das ist die andere Seite des Problems. Wenn kommentiert wird, also wenn deutlich gesagt wird, dass es sich um einen Kommentar handelt, dann kann man darauf wetten, dass die allgemeine Haltung der Zeitung durchschlägt. Da gibt es kaum Spielräume für andere Haltungen.
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Irgendwann in den 1990-er Jahren teilte die damals noch stolze Frankfurter Rundschau mit, man werde in Zukunft kursive Überschriften setzen, falls ein Bericht einen hohen Meinungsanteil enthalte. Derlei Aufrichtigkeit ist den Leitmedien leider abhanden gekommen. Nachricht und Kommentar werden munter vermischt und heraus kommen verzerrte Bilder, wie du sie aufgeführt hast. Journalisten bedienen Erwartungshaltungen innerhalb von Redaktion, Verlag oder Rundfunkanstalt, um Karriere zu machen, und wer das perfekt bespielt, sahnt Journaliastenpreise ab, wie am Fall Claas Relotius zu sehen.
PS: Ich habe mich gefreut, wieder was von dir lesen zu können.
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Diese Aktion der FR habe ich nicht mitbekommen. Bei Lebensmitteln steht ja häufig am Ende der Zutatenliste der Hinweis: Kann Spuren von Erdnüssen enthalten. Solche Kennzeichnungen bei Presseerzeugnissen wären wirklich sinnvoll. Die reine Nachricht kann es nicht geben, weil schon die Auswahl zwischen verschiedenen Nachrichten ein Vorgang ist, der mit Überzeugungen zu tun hat.
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Ich glaube, das ging vielen so, weil der Chefredakteur die Bedeutung der kursiven Überschrift nur einmal im Editorial erklärt hat. Die Kennzeichnungspflicht für Texte ist eine hübsche Idee, nur wüsste ich nicht, wie die bgei Meldungen/Berichten aussehen könnte, wenn Subjektivität schon durch die Auswahl bedingt ist. Zumindest bei Reportagen wäre ein Hinweis möglich, ob der Autor alles mit eigenen Augen gesehen hat oder ob er sich literarische Freiheiten erlaubt hat wie im Fall René Pfister und Seehofers Modelleisenbahn https://de.wikipedia.org/wiki/Ren%C3%A9_Pfister oder bei den Reportagen des Claas Relotius.
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Pfister hatte ich nicht mitbekommen, aber warum Menschen es unverständlich finden, dass ein Preis, der für Reportagen vergeben wird, zurückgenommen wird, wenn der Autor keine Reportage geschrieben hat, sondern Primär- und Sekundärquellen ausgewertet hat, das finde ich unverständlich.
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Leider kann ich dir nur zustimmen. Meinungen als solche zu erkennen ist tatsächlich schwer geworden.
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Weil viele Journalisten selbst nicht mehr unterscheiden können oder wollen, was Nachricht und was Meinung ist, was sie denken und was sie wissen.
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Ich halte es seit je mit Lukacs ideologiebegriff oder eher noch mit Ulrich Enderwitz, Die Medien und ihre Information. – Kurz: ideologie ist notwendig (falsches Bewußtsein): Und trotzdem sind doch sehr viele Menschen (für Menschen)! In diesem Sinne: Voran!
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Ja, es ist klar, dass die herrschende Meinung eben immer auch die Meinung der Herrschenden ist. Weil aber das Denken erlaubt ist, gab es immer Nischen und die Veränderung der Medienlandschaft stellt die Qualitätsfrage neu. Es geht nicht mehr so weiter.
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Am besten ist, man hat eine eigene Meinung:
das schützt vor Indoktrinierung anderer. Ich
fühle mich da ziemlich immun – aber auch
mich nervt die Meinungsmache in den
„Qualitätsmedien“, die im Grunde
keine solchen mehr sind. Zum
Fall Relotius und Co. hatte
ich ja bei mir im Blog
Stellung bezogen.
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Eigentlich brauchen wir Qualitätsmedien, irgendwer muss Staat und Wirtschaft, ach was, der gesamten Gesellschaft auch auf die Finger gucken und ab und zu muss mir auch jemand einen Denkanstoß verpassen. Es gibt noch immer kluge Köpfe, die eine Diskussion weiterbringen können, aber es ist Glückssache, sie zu finden.
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Aber diese Zeitungen haben in den letzten Jahren schon sehr an Qualität verloren. Es ist jetzt dort eine andere Generation am Werk, die lieber schnell auf Trends hüpft, als ordentlich zu recherchieren – natürlich gibt es löbliche Ausnahmen. Aber ich mache mir schon Sorgen um den allgemeinen Verfall der Presse-Kultur, der natürlich oft auch ökonomische Gründe hat (Thema „Synergie-Effekte“, Einsparung von Personal, Bespielen mehrerer Blätter von einer Redaktion aus, etc.pp). Die lassen sich einfach zu sehr von den sozialen Medien vor sich her treiben, anstatt die eigenen Qualitäten, als da wären fundierte Recherche und Hintergründ-Informationen, zu pflegen. Man muss nicht über jedes Stöckchen springen, dass einem die vermeintliche Tages-Aktualität hinhält…
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Genau. Das denke ich auch. Die einzigen Nachrichten, denen ich hierzulande noch vertraue, sind die Sportnachrichten. Der Rest ist für die Tonne.
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Längst vor der Debatte um Fake News haben die Medien ihre eigene Glaubwürdigkeit untergraben. Jetzt sucht sich jeder seine Wahrheit und mancher findet dabei statt Gold nur Dreck.
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