Zahlen bitte

Von Kuba Bożanowski from Warsaw, Poland – Concrete meal, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=24242012

Wer hat denn da wohl gepennt, fragt man sich, liest man die Zahlen zur Entwicklung im öffentlichen Dienst. Hunderttausende Mitarbeiter fehlen oder werden demnächst fehlen. Lehrer gehen in Pension. Gut, das konnte ja keiner ahnen. Und neue einstellen, ja, schon, aber über Jahre hat man doch erzählt, die Personalkosten der öffentlichen Hand seien so hoch, dass es keine Spielräume mehr gäbe, weder für Gehaltserhöhungen noch für Verbeamtungen.

Ich bin kein Verfechter des Berufsbeamtentums, aber wenn Bundesländer in Konkurrenz zueinander treten und einige die Verbeamtung von Lehrern anbieten, ja, wohin gehen denn dann die Lehrer?

Wenn seit Jahrzehnten Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut wurden, darf man sich nicht wundern, dass Leistungen nicht mehr auf dem Niveau erbracht werden können, das erforderlich wäre, um den Bedürfnissen der Gesellschaft zu genügen. Bauverwaltungen, Schulen, Jugendämter, Soziale Dienste, Gerichte, Polizei, überall fehlen Menschen.

Ob wir erweiterte Kanäle oder sanierte Straßen brauchen, jetzt fehlen die Ingenieure in den Bauverwaltungen, die für die Planung erforderlich wären. Nicht, dass ich diese Projekte grundsätzlich gutheißen will, aber die Bundes- und Landesregierungen, die die schwarze Null zum goldenen Kalb gemacht haben, die mit Schäuble einen Finanzminister feierten, der faktisch ein Abbruchunternehmer unserer Infrastruktur war, die jede Bürgerinitiative verspotteten, die sich für die Rettung einer Krötenart und gegen den Neubau einer Straße wendet, verhinderten mit ihrer Sparpolitik wirksamer die Neubauten, als irgendeine Bürgerinitiative das je gekonnt hätte.

Und als nächstes kommt die Schuldenbremse. Die war mal gedacht, um die Neuverschuldung der öffentlichen Hand zu begrenzen. Wenn aber Investitionen und Personalkosten steigen sollen, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Ausgaben an anderer Stelle kürzen (Kultur, Soziales, Umwelt?) oder die Einnahmen erhöhen. Steuern erhöhen. Den Verfechtern der Schuldenbremse wird der Schreck in die Glieder fahren, wenn sie erleben müssen, dass ihre neoliberalen Wunschträume letztendlich Steuererhöhungen erzwingen.

Aber nein, wir schauen doch nicht zurück, wir wollen doch nicht wissen, wer wann den Kahlschlag in den Wasser- und Schifffahrtsämtern oder bei der Polizei gewollt hat. Und ja, es waren Sozialdemokraten ebenso wie Christdemokraten oder Liberale. Wobei ich das Wort Liberale mit großem Unbehagen verwende und mir nicht einmal sicher bin, ob der FDP bei dem Wort nicht auch etwas übel wird. Schlimm und wirklich beängstigend ist eigentlich nur, dass Politiker, die über die aktuellsten Daten verfügen können, die besser als jeder von uns wissen können, was ist und was sein wird, offenbar nur kurzfristig denken und handeln, so dass einem um die Zukunft, also alles das, was erst in 10 Jahren passiert, nur Angst und Bange sein kann. Und dabei denke ich nicht an unvorhersehbare Entwicklungen wie die Klimaveränderung oder politische Kräfteverschiebungen. Nein, einfache demografische Entwicklungen, Geburtenzahlen, Alterspyramide, Pensionierungen. Zu blöd, dass die Realität mittelfristig keine Rücksicht auf parteipolitische Träume nimmt.

7 Gedanken zu “Zahlen bitte

  1. Wenn man die Entwicklung der letzten Jahre – oder besser, Jahrzehnte – betrachtet, könnte man glatt an der Demokratie zweifeln und die Wahlen zum Teufel wünschen, denn es wurde (und wird wohl auch weiterhin) immer nur in Zeitrahmen von vier Jahren gedacht, und nicht einmal dieses Fenster wird wirklich genutzt, denn nach der Wahl ist vor der Wahl. Dazu muss allerdings auch gesagt werden, dass der Wähler nicht unschuldig ist Wenn das so weiter geht, wird irgendwann nur noch eine Technokratie den totalen Zusammenbruch verhindern. Dass Deutschland außenwirtschaftlich so gut dasteht, nützt langfristig doch nur den Global Playern, denen das Land am A. vorbei geht, solange ihre Konzerne Gewinne machen.

    Gefällt 2 Personen

  2. In der Tat, wir werden bald überall neue Arbeitskräfte brauchen. Das kostet. Doch ein Politiker (weiblich eingeschlossen, und egal welcher Couleur), der Steuern erhöhen möchte, wird nicht gewählt. Und wenn er es später trotzdem tun muss, wird er abgewählt (von der Diskussion um die Unumgänglichkeit ausländischer Arbeitskräfte ganz zu schweigen). Es ist zu befürchten, dass wie so oft im Leben auch hier nur die Katastrophe zu neuen Lösungen führen wird. Aber wir schaffen das 🙂

    Gefällt 1 Person

    • Wir sehen am Beispiel der Infrastruktur der USA, was geschehen kann, wenn über lange Zeit Steuern gesenkt werden. Privater Reichtum und öffentliche Armut sind ja nicht per Definition schlecht und der Staat weiß ganz offensichtlich auch nicht besser, was für die Gesellschaft gut ist. Aber wenn wir uns darauf beschränken, unser Geld vor dem Zugriff der Finanzbehörden zu schützen, werden wir irgendwann auch das nicht mehr schützen müssen. Wir fixieren uns zu sehr auf die Themen Digitalisierung und Steuern und vergessen den „Rest“.

      Gefällt 1 Person

  3. Gleichzeitig werden für irre Infrastruktur-Maßnahmen à la BER, Stgt.21 oder Thüringen-Schnellweg wahnsinnige Summen in den Sand gesetzt. Ebenso für Kanäle oder Häfen, die keiner braucht, denn alles landet auf der Strasse. Die Güterbahn wurde kaputt gespart. Schäuble ist auch der Totengräber Griechenlands – was da unten geschieht, ist ein Verbrechen. Und vergiss bitte nicht die Grünen. Joschka und Gerhard haben uns doch die ganzen Gesetze verpasst, die dem Staat Geld sparen sollten und den kleinen Mann heute arm machen. Das Heer der Altersarmen wartet schon. Die sozialen Kosten solcher Kurzsichtigkeit auf den verschiedensten Ebenen wird uns, bzw. unsere Enkel noch teuer zu stehen kommen… 🙄

    Gefällt 2 Personen

  4. Schäuble der „Finanzminister, der faktisch ein Abbruchunternehmer unserer Infrastruktur war“, ist prima auf den Punkt gebracht. Der besonders von den Liberalen immer geforderte „schlanke Staat“ ist ja vor allem ein schwacher Staat, der dem kapitalistischen Treiben um Profitmaximierung nichts entgegensetzen kann. Auf schwarze Null heruntergespart, entspricht er genau der neoliberalen Theorie, muss am Ende sogar sein Tafelsilber, sprich das Volkseigentum verkaufen, wie am Beispiel der Autobahnen zu sehen, damit die Wegelagerer und Zolleintreiber vor dem Irrenparadies fette Gewinne machen können. Es werden auch nicht genügend Finanzbeamte eingestellt, so dass Steuerprüfungen von Unternehmen selten stattfinden, wodurch dem Staat ungestraft enorme Einnahmen hinterzogen werden können. Schäuble ist auch verantwortlich dafür, dass der Steuerbetrug im großen Stil (Cum Ex und CUM-Cum) nicht unterbunden wurde. Auch Großkonzerne, die im großen Stil Steuern hinterziehen werden nicht gezwungen, ihre Gewinne offenzulegen. Wer hat EU-Intitiativen dazu verhindert? Deutschland, also letztlich wieder der Heuchler Schäuble. Ich könnte mich echt aufregen.

    Gefällt 2 Personen

  5. Ich stimme zu. Bin sehr für die Förderung alles Öffentlichen, das eben nicht verhökert werden soll an Private. Und in den Schulen sollte Bildung von Wissen getrennt werden. Bildung macht humane Zukunft, Wissen bloß vergoldete Nullen! Jawohl.

    Gefällt 1 Person

  6. Zu blöd, dass die Realität mittelfristig keine Rücksicht auf parteipolitische Träume nimmt.
    Zu blöd, dass die, die das Sagen haben, sich gegen die Menschheit verschworen haben und die Politiker rundum zum Kahlschlag zwingen …

    Gefällt 1 Person

Das Absenden eines Kommentars gilt als Einverständnis dafür, dass Name, E-Mail- und IP-Adresse gespeichert und verarbeitet werden. Jetzt aber los:

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..