Nachts ist nichts

Warten Sie schon länger?

Was heißt schon länger? Eine gefühlte Ewigkeit.  Entschuldigen Sie meine mangelnde Präzision. Wie lang ist, wie lange dauert eine Ewigkeit? Ich wollte mit meiner unbedachten Äußerung keineswegs angedeutet haben, dass ich hier schon immer warte oder bereit wäre, bis ans Ende aller Zeiten weiterzuwarten.

So genau… ach, ich wollte eigentlich nur wissen, ob der Bus vielleicht schon weg ist.

Ja. Selbstverständlich. Es kommt jetzt allerdings darauf an, welchen Sie meinen. „Der Bus“ ist schon etwas allgemein ausgedrückt und ich kann ad hoc keine generelle Auskunft über Busse treffen. Manche sind weg. Ob „schon weg“ eine adäquate Formulierung wäre, da bin ich mir nicht sicher. Andere hingegen werden noch kommen, wobei das eine Aussage ist, die eher auf Heuristik, als auf gesichertem Wissen basiert.

Aber der planmäßige, der…

Planmäßig? In einem chaotischen Universum verlangen Sie eine Prognose über das wahrscheinliche Verhalten eines von Menschen mit divergierenden Interessen betriebenen Unternehmens? Eines Unternehmens, dessen Pünktlichkeit von so vielen Imponderabilien abhängt, dass das Wort Fahrplan lediglich ein Euphemismus für einen unverbindlichen Ausblick auf mögliche Transportangebote ist? Wissen Sie überhaupt, wie spät es ist? Mitternacht! Oder später.

Wie bitte? Ich konnte Ihnen gerade nicht ganz folgen.

Mir ein Gespräch aufzwingen, aber dann einfach weghören. Dann googeln Sie doch gleich, ob der Bus noch kommt.

Geht leider nicht. Kein Netz.

So ist das hier auf dem Lande eben. Ohne Netz und doppelten Boden. Hier ist eine Haltestelle noch eine Haltestelle und kein volldigitalisiertes Asyl für die Gestrandeten der urbanen Mobilität. Eine Insel der Stille im Nirgendwo, losgelöst von der Hektik des Alltags. Abgeschnitten von den Verkehrsströmen. Geborgen, eingehüllt in die Dunkelheit… Hören Sie? Nein, nicht mich. Die Nacht. Die Geräusche der Finsternis. Schritte vielleicht, womöglich auch ein Schleichen. Was wir nicht sehen, beginnen wir zu ahnen und dann übernehmen uralte Instinkte. Es soll ja auch wieder Wölfe geben in der Gegend.

Ich glaube, ich nehme doch ein Taxi.

Puh, ich dachte schon, Sie würden nie fragen. Mein Wagen steht gleich auf der anderen Straßenseite.

6 Gedanken zu “Nachts ist nichts

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