Holzhäuser, wie man sie in Schweden erwartet. Rot, blau, gelb. Hügel, Flachland, Wald, Wiesen, Dörfer, Städte, menschenleere Gegenden, dann wieder ein Radweg neben dem Kanal. Ein Hof am Horizont. „We dicided it’s a piggery“. Die Engländer haben es auch gerochen. Man kann den Betrieb besser riechen als sehen, obwohl: besser?
Manchmal regnet es, manchmal weht der Wind ziemlich frisch. Macht nichts. Auf dem Brückendeck sitzt man unter einer Kunststoffdecke wie auf einem Ausflugsdampfer. Bestimmt gibt es ein seemännisches Fachwort für dieses Partyzelt, so wie Brückendeck ja auch nur sagt, dass dieser Teil des Schiffs eben hinter der Brücke liegt, dem kleinen Zimmerchen, in dem über das Wohl und Wehe des Schiffs entschieden wird. Falls das nicht doch die Küche ist.
Nichts ist los, aber auch überhaupt nichts. Nur Ruhe und eine undramatische Landschaft. Selbst die Schären in den Seen oder in der Ostsee sind einfach nur schön. Wie bitte soll man denn über so etwas schreiben?
Graue Felsen, die wie gestrandete Wale im Wasser liegen, manchmal ein wenig bewachsen, manchmal winzig wie der Kopf eines Schwimmers mit einer grünen Badekappe. Dann wieder Inselchen, auf denen die schwedische Fahne weht. Überhaupt scheinen sich die Schweden immer wieder bestätigen zu müssen, dass sie gerade in Schweden sind. Macht auch nichts. Schau mal da, da passiert gerade auch nichts. Und so verbringt man Tage, schaut aufs Wasser, auf das Ufer, kommt nicht zum Lesen, weil ja… äh, ja, was eigentlich?
Die Landgänge, den Verdacht hege ich schnell, dienen mehr dazu, den Kreislauf der Reisenden ein wenig in Schwung zu bringen und den Appetit anzuregen. Dann die Schleusen. Das könnte spannend werden. Manche dieser Schleusen sind kaum länger als die Diana. Breiter auch nicht. Zentimeterarbeit. Ein Blick hoch zur Brücke. Wo ist denn der Kapitän? Oben nur ein betrunkener Schwede, die Queen-Mum und einer, der zumindest das Seepferdchen hat. Dann kapiere ich: Die Arbeit wird mit Seilen erledigt. Taue heißen die vermutlich. Hier etwas ziehen, da etwas nachgeben. Festmachen. Spiel geben. 58 Schleusen kommen noch. Ungefähr. Rauf und wieder runter.
Manchmal eilt der Kapitän über den Gang. Das sieht wichtig aus. Ernst. Vielleicht braucht er schnell einen Kaffee. Oder in seinem Tagesplaner steht: 16:15 Uhr einmal eilig zum anderen Ende des Schiffes. Für das es natürlich auch ein Seemannswort gibt. Das aber auf Schwedisch bestimmt auch wieder ganz anders heißt. Ach ja, ich habe auch ein Wort schwedisch gelernt, aber das sagt wohl mehr über mich, als über Schweden aus: Frokost. Frühstück.
Und die Queen-Mum ist natürlich nur eine ältere australische Dame, aber wenn man viel Zeit hat…
Machst Du Ferien auf Saltkrokan? 😉 Schön beschreibst Du, fernwehauslösend…
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Ach, der Götakanan. Ich will sofort wieder an Bord!
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Köstlich humorvoller Schärentripp…
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Schon die Überschrift klingt toll, und der Text kommt so schön unaufgeregt daher, dass man gerne mitkommt.
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Du hast viel von Schweden und vom „Schwedischen“ erfasst. Die Ruhe, die Gelassenheit, das Frühstück. Wobei *Oberlehrermodus an* es auf schwedisch frukost heißt *Oberlehrermodus aus*. Aber machen wir uns kein o vor ein u – oder wie es so heißt.
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Danke für den Hinweis! Wenn man nur ein Wort Schwedisch kann, sollte man es wenigstens richtig schreiben.
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Pingback: Ach, Bellmann | Manfred Voita
Wie bitte soll man denn über so etwas schreiben, fragst du.
Genau so, dann schwappt die Ruhe über und nichts mehr als das was du beschreibst muss/sollte/darf passieren.
Ich mag ihn sehr, diesen Reisebericht.
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Danke. Jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass es so leicht ist, über eine misslungene Reise zu schreiben, über ungeschicktes Personal oder eigene Dummheiten zu spotten, aber wie geht man mit Glück um? Das lässt sich nicht erzählen, dem kann man sich nur vorsichtig annähern.
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Die Zeit scheint auf dieser Reise irgendwie still zu stehen. Schön und beruhigend. Oder schön beruhigend …
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Ja, so ist es. Zeit spielt keine Rolle, deshalb ist es so unverschämt, dass diese Reise dann doch ein Ende hat.
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