Stockholm kann ich nicht besuchen, ohne daran zu denken, dass auch diese Stadt wichtig für das deutsche Exil während der NS-Zeit war. Gottfried Bermann-Fischer, als Geschäftsführer des S. Fischer-Verlags eine Größe des deutschen Literaturgeschäfts, hatte einen Teil des Verlags nach Wien, dann nach Stockholm und später in die USA ausgelagert, immer auf der Flucht vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten oder, wie das in Schweden schließlich der Fall war, einer Veränderung des gesellschaftlichen Klimas.
Deutsche Truppen waren in Dänemark und Norwegen einmarschiert. Deutschland hatte Transitrechte für seine Truppen durchgesetzt und Schweden fürchtete, trotz seiner Neutralität ebenfalls angegriffen und besetzt zu werden. Da waren Vertreter des deutschen Widerstands oder der Exilliteratur keine gern gesehenen Gäste. Stureplan 19 war die Anschrift des Verlages, damals wohl auch schon eine sehr gute Adresse, heute ein Ort der Schönen und Reichen oder zumindest ganz schön Reichen.
Sturegatan 60, etwa 800 Meter entfernt vom Verlag, lag das Hotel Jernberg, in dem Herbert Frahm wohnte, der nach dem Krieg unter seinem Autorenpseudonym Willy Brandt nicht ganz unwichtig für die deutsche Politik werden sollte.
Auch Peter Weiß zog 1940 nach Stockholm, zunächst allerdings, ohne sich als Teil der Emigration zu begreifen, für die er später stand und die er in seiner Ästhetik des Widerstands auch abbildete. Eher zufällig standen wir am „Peter Weiss Plats“ in der Stockholmer Innenstadt an der Kreuzung von Drottninggatan und Adolf Fredriks Kyrkogata. In Alma Schedins Pensionat wohnte Weiss damals, 1,8 km von Herbert Frahm entfernt.
Und ja, ich weiß, dass das ein merkwürdiger Blick auf Stockholm ist, einer, der nur die Spuren der Emigranten sieht. Aber so war das natürlich nicht. Wir waren auch noch in der deutschen Kirche in Stockholm.
Ein ganz eigener Blickwinkel auf die Hauptstadt von Nordland, aber interessant aus deutscher Sicht.
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Ja, eigentlich gucken wir ja immer mit unserem kulturellen Hintergrund auf die Welt, manchmal versteht man dann mehr von der eigenen, als von der fremden Geschichte. Aber meistens versteht man eh überhaupt nichts.
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Das klingt passend!
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N.b.: 1975 gewann in Stockholm die Niederlande mit ‚Ding-a-Dong‘, gesungen von Teach-In.
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Das waren noch Zeiten, als Songs noch eine Botschaft vermittelten.
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Dein Schlusssatz ist hinreißend!
Ich selbst würde in Stockholm wahrscheinlich immer zu den Schornsteinen hinaufschauen und mich fragen, ob sich hinter einem davon wirklich das kleine Haus von Karlsson befindet.
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Karlsson… ja, den habe ich meinen Töchtern vorgelesen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, in Stockholm nicht einmal an ihn gedacht zu haben.
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Als ich im Vorjahr in Stockholm war, wohnte ich recht nahe der Stelle, an der Olof Palme gewaltsam starb. Dieses Ereignis war in meinem Stockholmtagen stets präsent.
Und wenn man einmal an einem Ort war, hat man ja auch eine Art Beziehung dazu. Der Terroranschlag im April am Kaufhaus Åhlens hat mich durch die Ortskenntnis zusätzlich betroffen gemacht.
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Ein historisches sight-seeing: ein interessanter Gedanke. Bei meinen Aufenthalten in der Stadt war ich nur zum Marathonlauf . Das soll sich im September ändern, dann ist die Alt- und Innenstadt angesagt, mit Skansen als Hauptziel.
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Ich kenne nur Göteborg und Malmö,
an der Ostküste war ich gar nicht.
Tucholsky lebte ja auch in Schweden,
wenn auch nicht in Stockholm…
Die Rolle Schwedens im 2.Weltkrieg
ist, ähnlich wie die der Schweiz,
durchaus kritisch zu sehen. Man
machte gute Geschäfte mit den
Nazis – Juden oder Emigranten
störten da eher. Auch in Schweden
gab es (und gibt es bis heute ! )
eine starke nazistische Bewegung.
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Gripsholm und Tucholskys Grab wären meine nächsten Ziele, vielleicht klappt das ja noch mal.
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