Milde Oktobertage mit Sommersonnenschein aus den Restbeständen des Septembers, einem Cappuccino im Straßencafe und einer Eiswaffel in der Hand, gaukeln uns vor, dass alles gut ausgehen könnte. Doch dann, wenn wir ihm gerade auf den Leim gegangen sind, lauert der Herbst uns in einer Waschküche auf, wäscht uns den Kopf und föhnt uns eine Sturmfrisur. Sein Bläserensemble zeigt was es kann: das laue Lüftchen, der frische Wind, die steife Brise, der schwere Sturm und manchmal sogar der starke Orkan. Und wer sich nicht ehrfürchtig beugt, dem reißen sie den Hut vom Kopf.
Böige Winde aus wechselnden Richtungen? Da neckt doch einer Radfahrer!
Wenn keiner hinsieht, färbt der Herbst mit seinen prächtigen, garantiert ungiftigen, lösungsmittelfreien und biologisch abbaubaren Farben die Blätter der Bäume und Büsche, um sie nur wenig später abzureißen und achtlos in den Schmutz zu schmeißen.
An dunklen Abenden, die schon vormittags beginnen, verbergen wir uns vor seinem Jähzorn und während wir bei einem Glas Rotwein philosophisch werden, heult und brüllt und tobt und wütet er wie ein ungezogenes Kind und schüttelt mit unsichtbarer Riesenfaust die Bäume… um am nächsten Morgen in einer Ecke mit vertrocknetem Laub Ringelreihe zu spielen, Drachen steigen und Fahnen knattern zu lassen. Vergnügt kullert er dann Dosen über die Straßen und stülpt übermütig Schirme um. Doch nicht lange, dann wird die Welt eingeweicht und der Regen peitscht uns unbarmherzig unter ein schützendes Dach.
Mal gibt der Herbst sich an goldenen Abenden mild und altersweise und ist doch nur ein Naseweis: Frühreif spielt er mit den Röcken der Damen Marilyn Monroe. Raureif überrascht uns am nächsten Morgen. Er führt uns aufs Glatteis und packt die Welt, wenn’s gar zu kalt wird, unter eine weiße Decke.
Und wenn er einen Vornamen hat, dann den: April.
Wir aber ziehen den Schal enger, trinken einen Schluck Lindenblütentee, brechen noch einen Riegel Schokolade ab und warten auf den Frühling.
Feine Herbstgedanken von – zeitgenössisch aufbereitet.Passend zu Deinen Empfindungen und als Geschenk:
Goldgelb
Erster Herbstwind lässt
Goldgelbe Taler wirbeln
Kahler Baum erstarrt
LikeGefällt 3 Personen
Danke für dein Gedicht!
LikeLike
Ein Haiku sogar, nicht schwach. 🙂
LikeGefällt 2 Personen
Feines verbales Herbst-Stil(l)-Leben…
Liebe Oktobergrüße vom Lu
LikeGefällt 2 Personen
Danke sehr!
LikeGefällt 1 Person
Das hast du herrlich erfrischend und wortgewaltig beschrieben. Genau so fühlt sich der Herbst an.
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank!
LikeLike
Die Überspringung des Herbstes und des Winters ist bis dato nur daran gescheitert, nicht zu wissen, in welche der zwei verbleibenden Jahreszeiten man Weihnachten am sinnvollsten einbauen könnte … 🙂
LikeGefällt 2 Personen
Eine schöne Herbstbeschreibung. Und obwohl er so kalt, stürmisch und nass sein kann, ist er so wie er ist genau richtig. Eine Rechtfertigung für Tage auf dem Sofa. Begleiter für Bücher, Rotwein und faulen Müßiggang. Nur zu lange darf er nicht dauern ;)..
LikeGefällt 2 Personen
Ich mag auch diese grauen Tage, an denen es überhaupt nicht richtig hell wird, ein wenig Nieselregen und alles ist leiser als sonst. So ein Tag war heute… und dann sehe ich auf einem Spielplatz ein Mädchen, das ganz langsam schaukelt… perfekt.
LikeGefällt 2 Personen
Ein perfektes Bild!
LikeGefällt 2 Personen
Da könnte ich mich ja glatt neu in den Herbst verlieben. Danke.
LikeGefällt 2 Personen
Wenn man sich darauf einlässt, hat jede Jahreszeit ihren Zauber.
LikeGefällt 2 Personen
Ja, die fünf Freunde: Frühling, Sommer, Herbst, Winter und: Karneval!
LikeLike
Autsch… da bin ich zu norddeutsch geprägt. Karneval darf feiern, wer mag, aber das geht an mir vorbei.
LikeLike
Darauf einen Trollinger! Und den Lindenblütentee lasse ich wie immer weg …
LikeGefällt 1 Person
Ich habe auch noch nie einen getrunken. In einer früheren Fassung hieß es noch ein Antidepressivum, aber die Lindenblüten spielen ja schon auf den Frühling an, deshalb mussten die da rein.
LikeLike