
Von s/a – http://www.castalie.fr/photo-2668-stefan-zweig_jpg.html ; http://lewesternculturel.blogs.courrierinternational.com/tag/stefan+zweig, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6403783
Wir waren im Kino. Im Schloßtheater in Münster. Das schreibt sich noch mit ‚ß“, im Unterschied zum Schlossplatz, aber der heißt auch noch nicht so lange Schlossplatz. Obwohl das Schloss da schon seit 1787 steht, das Schloßtheater hingegen gibt es erst seit 1953. Es steht auch nicht am Schlossplatz. Das ist, wegen der vertrackten Schreibweisen, wohl auch besser so.
1942, gerade einmal elf Jahre zuvor, hatte sich Stefan Zweig in Brasilien das Leben genommen. 11 Jahre, was sind schon elf Jahre? 2005. Was war da? Das Arbeitslosengeld II wurde eingeführt, Angela Merkel Bundeskanzlerin. 2005 erst? Und Hans Dieter Hüsch starb. Immer ist irgendwas. Und immer ist es gerade am schlimmsten. Jedenfalls erleben wir es so. Wie verhält man sich zu den herrschenden Verhältnissen? Was kann man tun, was muss man tun, müsste man tun? Was sind die eigenen Ideen, die eigenen Vorstellungen von der Welt, von Europa, von Freiheit und Gewaltlosigkeit noch wert?
„Vor der Morgenröte“, ein Film von Maria Schrader, zeigt uns, wie Stefan Zweig an Deutschland leidet, wie er darum kämpft, eine Haltung zu bewahren, die offenbar niemand mehr akzeptieren kann, wie er Künstler bleiben will, der sich nicht in eine politische Auseinandersetzung begeben kann, auch wenn er sich als prominenter jüdischer Autor doch klar zur Seite der Antifaschisten bekennen müsste, der unter dem Exil leidet, aber auch daran, in Sicherheit zu sein, während in Europa der Krieg tobt.
Maria Schrader schafft einen leisen Film, einen Film, der nicht alles zu erklären versucht. Muss man etwas über den zweiten Weltkrieg und die Nazidiktatur wissen, um den Film zu verstehen? Über Künstler im Exil? Ich weiß es nicht, ich weiß aber auch nicht, ob der Film für ein Publikum gemacht ist, dem dieses Wissen fehlt. Falls jemand nach Action sein sollte: Es gibt eine Szene, in der sich jemand versehentlich in den Finger schneidet, das war es aber auch schon.
Ich habe übrigens darauf verzichtet, für meinen Beitrag ein Foto von Josef Hader, dem Hauptdarsteller, zu wählen, nicht, weil Hader mir als Stefan Zweig nicht gefallen hätte, nein, ganz im Gegenteil, ich fand ihn so überzeugend, dass ich mir einfach Stefan Zweig noch einmal neu ins Gedächtnis rufen musste.
Welch wunderbaren Gedankengänge – dazu eine „ruhige“ Zeitreise von 1787 in Heutige. Von der Feudalherrschaft zur Nazidiktatur, von der Rechtschreibreform zur Daueraussitzerin …
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Dank, Marten. Alles ändert sich eben ständig und kaum etwas wird anders.
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Macht Lust auf den Film, nachdem ich erst kürzlich seine Biographie über Erasmus gelesen habe.
Und dann Deine Frage: was muss man wissen von einer Zeit, um zu verstehen…? Das frage ich mich auch immer wieder bei meinen letzten Geschichten. Wie viel Wissen muss oder darf vorausgesetzt werden, damit der Kern noch funktioniert? Oder müsste man heute im Text gleich den Hyperlink zu Wikipedia mitliefern? 😅
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Oder muss man billigend in kauf nehmen, nicht von allen verstanden zu werden? Wie Du schreibst, es gibt ja Wikipedia. Aber dafür muss das Interesse so groß sein, dass man sich die Mühe macht…
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„Es steht auch nicht am Schlossplatz. Das ist, wegen der vertrackten Schreibweisen, wohl auch besser so.“ – Herrlich!
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Danke!
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